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Ostentorkino und Kultkneipen vor dem Aus

Empört Euch, bitte!

Chaplin, Ostentorkino und Kinokneipe schließen. Vielleicht ein Symptom für eine beunruhigende Entwicklung, gerade in der Oststadt. In jedem Fall aber ein herber Verlust für jeden Regensburger Filmfreak.

Von Thomas Spitzer

OstentorDas gibt es auch nicht oft: Dass gerade an Weihnachten die globale Gefühlsduselei von einer regionalen Hiobsbotschaft überschattet wird.

Chaplin, Ostentorkino und Kinokneipe schließen. Sie sollen 2016 einer neuen „Eventlocation“ weichen. Für den sozial vernetzten Regensburger ist das jetzt schon ein alter Hut. Er ist Fan der Facebook-Seite „Ostentorkino erhalten“, hat Säm Wagners Kommentar „Last Night at the kino bar“ geteilt, und bei der bis Ende Februar laufenden Online-Petition unterschrieben. Natürlich ohne Aussicht auf ein Wunder.

…wie bei den zehn kleinen Negerlein

Leider kommt einem das alles irgendwie bekannt vor. Es ist fast wie bei den zehn kleinen Negerlein. Jürgen Huber, Regensburger OB-Kandidat der Grünen schreibt in einer heute eingetroffenen Mitteilung: „Seit geraumer Zeit trocknet die hiesige, einmal für Bayern maßgebliche Pop-Kultur-Szene immer mehr aus.“

Da fragt man sich, was als nächstes dran ist. Die alte Mälzerei? Der Jazz-Club? Mit einem Bierchen im Sommer am Bismarck-Platz entspannen? Wieso kam eigentlich noch niemand auf die Idee, die Jahninsel kommerziell als Eventlocation zu nutzen?

(Wer das für hysterisch hält, sollte versuchen, an einen vergleichbaren Platz in einer süddeutschen Stadt zu denken, am Flussufer, mit Altstadtkulisse, der noch nicht entweder mit Kaffeehäusern oder Schrebergärten für die Superreichen zugeschissen wurde.)

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich halte nichts von schalem Antikapitalismus. Auch nichts von Nostalgie. Und der – bei deutschen Studenten stark verbreitete – Antiamerikanismus widert mich an.

Neu, teuer, steril

Doch leider werde ich das Gefühl nicht los, diese Schließung sei symptomatisch für eine Entwicklung, die mich als Regensburger Kulturschaffenden, Filmfreak und Oststadt-Bewohner in jeder Hinsicht betrifft. Quasi mein Dach, meine Arbeit, mein Hobby.

Zwei gute Freunde von mir wurden bereits aus ihren Wohnungen im Stadtosten geschmissen mit der Begründung, man wolle grundsanieren, um anschließend die Mieten zu verdoppeln. Einer von ihnen musste seine Wohngemeinschaft in der Adolf-Schmetzer-Straße nach fünfzehn Jahren innerhalb weniger Wochen auflösen. Den Anblick, wie er da in der Küche sitzt und mir zitternd den Brief seines Vermieters vorliest, werde ich nie vergessen.

Mein WG-Zimmer befindet sich seit Oktober in der Straubinger Straße. Wenn ich von meinem Schreibtisch aus dem Fenster auf die andere Straßenseite blicke, sehe ich, mit welcher Emsigkeit an dem „Candis Park“ auf dem alten Zuckerfabrik-Gelände gearbeitet wird. Osteuropäische Bauarbeiter decken die Dächer bei Minusgraden, schlafen in Containern. Manchmal werde ich nachts von Sirenen geweckt, welche die Lieferung eines 30 Meter langen Eisenträgers ankündigen. Im Dezember wurde jeden Tag ein neues Haus fertig. Wie bei einem Adventskalender. Nur als Stadt. Der Gedanke, dass hier innerhalb von zwei Jahren ein komplettes Viertel schlüsselfertig aus dem Boden gestampft wird, ist für mich unfassbar.

Auch weiß ich aus erster Hand, wie schwer es ist, eine Bar, ein Café oder eine Kulturbühne zu etablieren. Gerade im Großraum Arnulfsplatz wird hier seit meiner sechsjährigen Regensburger Geschichte herumgedoktert. Zum Beispiel am Café Dada, Blomberg, Art Club und einer Location, die im Moment Tiki Beat heißt. Als Außenstehender denkt man oft: Alles halb so wild, dann wird halt umgezogen. Doch das geht fast immer schief.

Das Ostentorkino ist wie die Wurstkuchl…

Am schlimmsten – ja, unerträglich – ist jedoch der Verlust des Ostentorkinos.

Ich bin ein Filmfreak. Mit zehn Jahren habe ich mir nachts Wecker gestellt, um Actionfilme anzuschauen. Mit 17 arbeitete ich in einem Ulmer Independentkino namens Lichtburg, das es im Übrigen so auch nicht mehr gibt. Vor einem Monat fuhr ich mit einem Freund abends spontan nach Nürnberg, um Blackfish zu sehen, weil der Dokumentarfilm über einen psychotischen Killerwal in Regensburg nicht lief.

Als leidenschaftlicher Kinogänger, der schon in normalen Wochen bis zu drei Mal im Kino sitzt, oft bewusst alleine, hatte ich immer auch Freundschaften, die sich hauptsächlich über unsere Kinobesuche definierten. In der Zivi-Zeit zum Beispiel, wo wir oft in größeren Gruppen gingen. Für Begleitpersonen von Rollstuhlfahrern war der Besuch kostenlos, wir teilten uns dann den Eintritt.

Die kuschelig samtigen Ostentorkinosessel empfinde ich als gemachtes Nest, als Mekka im typischen, nasskalt-nebligen Regensburger Februar-Blues, der wie zufällig auf den Independent-Film-Höhepunkt des Jahres trifft. (Filmverleihe veröffentlichen potentielle Oscar-Anwärter nämlich bewusst im Zeitraum der Verleihung.)

Nicht nur Entdeckungen wie 1 Mord für 2 oder The Darjeeling Limitded verbinde ich mit den Altstadtkinos, sondern auch zahlreiche, teils sehr persönliche Erfahrungen.

Wenn mich eine Tante in Regensburg besuchte, gehörte ein Kinoabend zur Stadtbesichtigung wie die Steinerne Brücke oder eine historische Wurst in der historischen Wurstkuchl. Hier belohnte ich mich für überstandene Prüfungszeiten oder versuchte, mich über Trennungen hinwegzutrösten.

Unvergessen auch, wie ich The Dark Knight bei der Premiere innerhalb von 24 Stunden drei Mal hintereinander ansah. (Insgesamt sechs Mal in der ersten Woche.) Und der kanadische Filmemacher, den ich während der Kurzfilmwoche kennenlernte, weil er extra nach Regensburg gereist war, um seinen Kurzfilm zu präsentieren. Oder die Schlägerei, die ich während des Elfmeterschießens England-Italien bei der Fußball-EM 2012 im Innenhof von Chaplin/ Kinokneipe beinahe anzettelte…

Der teure Kinopalast

Dagegen war die Hobbit-Vorstellung im örtlichen „Kinopalast“ letzte Woche so fad wie ein Tortilla-Chip ohne Soße. Daran konnten auch die zahlreichen Attribute wie High-Frame-Rate, 3D, Dolby Digital, Überlänge oder KingSize nichts ändern. Man spürt förmlich jede Liebe, die nicht hineingesteckt wird.

Pervers wird ein solcher Abend vor allem, wenn man 14 Euro für eine Kinokarte zahlt (übrigens auch als Begleitperson eines Rollstuhlfahrers) und sich am Getränkestand zwischen einem normalen Cola-Becher (1 Liter) und einem großen (1,5 Liter) entscheiden kann. Fehlt eigentlich nur noch, dass Helene Fischer beim Abspann auf einer Bowlingkugel über die Bühne reitet.

Aber auch zu den vielen neuen gut gemeinten Szene-Cafés und -Restaurants in der Innenstadt, in denen der Kaffee fair trade und die Gemüsepfanne vegan ist, bietet das Ostentorkino einen angenehmen Kontrast.

Seit 40 Jahren: Ein gewachsener öffentlicher Raum

Denn hier handelt es sich nicht um eine Modeerscheinung, einen Szenetreff, bei dem schrullige Flohmarktartikel wahllos zusammengeklatscht werden, um auf Teufel komm raus für Charme zu sorgen. Es ist ein seit 40 Jahren natürlich gewachsener öffentlicher Raum, kein – man verzeihe mir die Formulierung – „Hipster-Ding“, sondern eine in Deutschland anerkannte und weltweit einzigartige Kulturstätte. Bekannter als das Kino Harmonie in Freiburg und besser als die Lichtspiele in München.

Achim Hofbauer, Besitzer des Kinos, spricht von einem „Sturm der Entrüstung“. Und: „Presse und Politik läutet bei mir Sturm.“ Völlig zu Recht. Wer das Ostentorkino schließt, unterzieht die Innenstadt einer unnötigen Operation am offenen Herzen. Bitte, empört euch!

Der Autor

Thomas Spitzer studierte Mathematik an der Universität Regensburg. Seit 2009 tritt er erfolgreich bei Poetry Slams auf. Inzwischen arbeitet Spitzer als Autor und Kultur-Manager. Sein Buch „bunt und kühl“ erschien im April 2013 beim ConBrio-Verlag. Die zugehörige CD wurde im Dezember an fünf Abenden insgesamt tausend Besuchern vorgestellt. Alle Infos: facebook.com/thomasespitzer

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