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Schikanen für Zwei-Mütter-Familien

Muttersein ist nicht leicht

Lesbische Paare mit Kinderwunsch müssen für eine gemeinsame Elternschaft den beschwerlichen Weg der Adoption gehen und werden dadurch gegenüber anderen Eltern nach wie vor systematisch benachteiligt. Die Beseitigung der Ungleichbehandlung lässt auf sich warten. Wir haben mit einem betroffenen Regensburger Paar gesprochen.

Vor allem bei einer gemeinsamen Elternschaft erfahren lesbische Paare systematische Benachteiligung. Foto: Archiv/Houmer Hdtz

Es klingt einfach: Ein Paar, seit über acht Jahren zusammen, entscheidet sich nach reiflicher Überlegung für ein Kind. Gespräche werden geführt, Vorbereitungen getroffen, das Nötige veranlasst. Alles läuft soweit gut, Geburtstermin ist im Oktober dieses Jahres. Wenn das Kind auf die Welt kommt, wird es rechtlich aber nur ein Elternteil, nur eine Mutter haben. Und das nicht etwa, weil kein zweites Elternteil vorhanden wäre, sondern weil es nicht geht. Rechtlich eben. Denn die werdenden Eltern sind beides Frauen und nur die leibliche Mutter wird hierzulande auch als Mutter anerkannt.

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Und die andere Mutter? Auf die wartet erst einmal ein behördlicher Spießrutenlauf, weil für sie die rechtlich akzeptierte Mutterschaft nur über die Adoption funktioniert. Wäre sie ein Mann (wenn auch nicht einmal der leibliche Vater), dann wäre es egal. Es bräuchte keine Adoption für die Anerkennung der Elternschaft, sondern nur eine Unterschrift.

Was nach jahrzehntelangen gesellschaftlichen Debatten und sozialen Kämpfen um die Gleichstellung Homosexueller, einer zunehmenden Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare und Lebensentwürfe und fast drei Jahren „Ehe für Alle“ absurd klingt, ist nach wie vor Realität in Deutschland.

Elternschaft erfordert „Eignungsprüfung“

Zwei-Mütter-Familien sind beim Vorhaben einer gemeinsamen Elternschaft auf die (Stiefkind-)Adoption angewiesen und erfahren damit systematische Benachteiligung. Die nichtleibliche Mutter muss das Kind als „Stiefkind“ adoptieren, um als Elternteil anerkannt zu werden. Damit es soweit kommt, ist gegenüber dem Staat die Eignung als Mutter nachzuweisen.

Für den Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) ist „diese Überprüfung“, die Monate dauern könne, „entwürdigend, belastend und diskriminierend“. „Lesbische Mütter sind die einzigen Eltern, in deren Partnerschaften Kinder hineingeboren werden, die gegenüber dem Jugendamt und dem Familiengericht ihre Eignung als Eltern nachweisen müssen,“ so der LSVD.

Regensburger Paar steht „bürokratischer Irrsinn“ bevor

Marina und Elke (die anonym bleiben möchten; Namen der Redaktion bekannt) aus Regensburg machen genau dies mit. Sie sind seit über acht Jahren ein Paar und haben sich die Elternschaft gründlich überlegt, wahrscheinlich „erheblich besser“, als dies bei den meisten anderen der Fall sei, sagt Marina. Seit etwa vier Jahren reift der Kinderwunsch, mittlerweile ist Elke im sechsten Monat schwanger.

Die Partnerinnen sehen sich als gleichberechtigte Eltern an. Wenn das Kind auf die Welt kommt, wird es selbstverständlich in ihrer gemeinsamen Wohnung leben. Marina wird zunächst aber nur gefühlte Mutter bleiben müssen. Zumindest rechtlich. Denn für eine anerkannte Mutterschaft steht ihr noch einiges bevor.

Erst muss das Paar heiraten. Ohne Ehe keine Adoption. Dann stehen Beratungsgespräche und Behördengänge an. Erst zwei Monate nach der Geburt kann Marina einen notariell beglaubigten Antrag auf Adoption beim Familiengericht stellen. Einwilligungen der leiblichen Mutter und des Samenspenders sind dazu nötig.

Das Jugendamt wird dann besagte Eignungsprüfung vornehmen. Laut LSVD gebe es hierzu keine „feste[n] Vorgaben dafür […], was überprüft werden muss“. Die Anforderungen seien deshalb „oft uferlos“. Jugendamt und Familiengericht prüfen in der Regel „die Gesundheit der Frauen, ihre Vermögensverhältnisse, ihren polizeilichen Leumund und vieles andere mehr und bestehen mindestens zum Teil darauf, dass die Stiefkindadoption frühestens nach Ablauf eines Probejahres stattfinden darf“.

„Volle Schikane.“

Marina äußert die Vermutung, dass den bearbeitenden Beamten dieses aufwendige und diskriminierende Verfahren eigentlich selbst „peinlich“ sei. Sie gehe auch nicht davon aus, dass Anträge erfolglos sind und habe keine Angst, „dass es bei uns nicht läuft. Aber allein, dass ich mir darüber Gedanken machen muss, ist schon schlimm genug.“

Auf den ersten Blick nerve sie „der bürokratische Irrsinn“ am meisten, aber eigentlich sei „das Fiese und Nervige, dass es keine Gleichberechtigung gibt“. Die Ungleichbehandlung von Zwei-Mütter-Familien und das Misstrauen, mit dem man ihr (und anderen Müttern) grundsätzlich begegnet. Notar, Jugendamt, Familiengericht, Hausbesuche, Eignungsnachweis, polizeiliches Führungszeugnis, Atteste, Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. „Das ist volle Schikane“. Als lesbisches Paar fühle man sich „voll ausgeliefert“ und werde nach dem Motto „vorverurteilt“: „Es könnte ja was schieflaufen bei denen.“

Bundesrat lehnt Adoptionshilfe-Gesetz ab

Wie der LSVD befürchtet, würde auch das am 28. Mai im Bundestag verabschiedete Adoptionshilfe-Gesetz in Bezug auf Zwei-Mütter-Familien keinerlei Verbesserung bringen. Im Gegenteil. Man kritisiere „aufs Schärfste die bewusste Ignoranz von SPD und Union gegenüber einem konkreten Formulierungsvorschlag, der diese Verschlechterung zumindest verhindert hätte“. Das Gesetz sieht unter anderem eine „Zwangsberatung“ vor. Der Vorschlag des LSVD auf die Beratung zu verzichten, wenn bei Geburt des Kindes das Eheverhältnis bereits bestehe, fand darin keinen Eingang.

Der Bundesrat versagte dem Adoptionshilfe-Gesetz letzte Woche allerdings die Zustimmung. Die befürchtete verpflichtende Beratung bei Stiefkindadoptionen kommt zunächst also nicht. Bundesregierung oder Bundestag können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern einen Kompromiss auszuhandeln.

Seit 2015: 36 Stiefmutteradoptionen in Regensburg

Marina und Elke sind in Regensburg nicht das einzige Paar, das eine gemeinsame Elternschaft mühsam über die Stiefkindadoption organisieren muss. Wie die städtische Pressestelle auf Anfrage mitteilt, gab es seit 2015 36 Stiefmutteradoptionen in Lebenspartnerschaften bzw. Ehen. Acht weitere befinden sich derzeit im behördlichen Verfahren, drei davon liegen beim Familiengericht.

Das eigentliche Hauptproblem an der aktuellen diskriminierenden Rechtslage ist das sogenannte Abstammungsrecht. Für die Elternschaft ist in erster Linie immer noch die genetisch-biologische Zuordnung von herausragender Bedeutung. Eizelle und Spermium sind gesellschaftlich und politisch die herrschenden Prinzipien; Mutter, Vater und Kind das unumstößliche Leitbild von rechtlich einwandfreiem Zusammenleben.

Abstammungsrecht ist Haupthindernis

Beim Abstammungsrecht sieht der LSVD seit längerem akuten Nachbesserungsbedarf. „Statt der versprochenen Verbesserung der rechtlichen Absicherung von Regenbogenfamilien durch die Reform des Abstammungsrechts verschärft die Große Koalition die Bevormundung und Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien,“ so die Einschätzung des Verbands hinsichtlich des Adoptionshilfe-Gesetz.

Eine Petition zur Reformierung des Abstammungsrechts hat mittlerweile fast 67.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Im Juni wurde sie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht übergeben. Die Bundesregierung könnte im Grunde schnell handeln. Einen entsprechenden Gesetzentwurf stellte Lambrechts Vorgängerin Katarina Barley bereits im März 2019 zur Diskussion. Die Reform sah unter anderem vor, dass insbesondere „eine Frau die mit der Mutter verheiratet ist, mit der Geburt des Kindes automatisch die Elternstellung erlangen“ soll. Passiert ist seitdem nichts.

Marina und Elke sind zunächst zum Abwarten verdonnert. Vielleicht kommt die Beratungspflicht, vielleicht nicht. Vielleicht wird das Abstammungsrecht reformiert, vielleicht nicht. Mütter werden sie ab Oktober beide sein. Wie viele rechtliche und bürokratische Hürden sie davor und danach noch zu bewältigen haben werden, hängt jedenfalls nicht von ihnen ab.

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Kommentare (7)

  • O. Scheid

    |

    Was ist denn eigentlich mit homosexuellen Männern?

  • xy

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    Das mag ja alles höchst traurig sein. Diskriminierung kommt aber nicht nur zu Lasten der lesbischen Mütter vor, sondern auch als Diskriminierung durch die lesbischen Mütter zu Lasten des homosexuellen Vaters, der den Samen gab, und jetzt durch die lesbischen Mütter von jeglichem Verkehr mit dem Kind ausgeschlossen, bzw. drangsaliert, wird. mit anderen Worten: Lesbische Mütter sind auch nicht besser als heterosexuelle Mütter mit ihrem Drang nach “mein Kind gehört mir!”. Man lesen heute die FAS: “Semmling darf nicht Papa sein – Immer öfter verweigern lesbische Frauen, die mit schwulen Männern ein Kind gezeugt haben, diesen biologischen Vätern danach den Umgang mit ihren Kindern” mit der traurig-schönen Anekdote: “Um den Kinderwagen schieben zu dürfen, soll Semmling zuvor einen Erste-I lilfe-Kurs absolvieren und darf dann trotzdem nicht.”

    Mit anderen Worten: Jeder diskriminiert, so gut er kann, gleich welchen Geschlechts und gleich welcher sexuellen Orientierung!

  • Barbara

    |

    @xy:
    Ihr Kommentar ist einfach nur dämlich.
    Woher wissen Sie, dass lesbische Mütter immer einen homosexuellen Samenspender haben?
    Und in Heterofamilien ist es sicher immer erwünscht, dass sich ein dritter Außenstehender einmischt und das Kind regelmäßig sieht? Ist klar…
    Selbst wenn es so wäre. Womit rechtfertigen Sie, dass nicht wie bei Heteros der Eherpartner automatisch zweiter Elternteil wird? Der Eherpartner der Frau muss auch keinen Nachweis bringen, dass er dee biologische Vater ist. Und wenn er nicht der biologische Vater ist, muss er auch keine Stiefkindadoption machen

  • xy

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    @Barbara, wenn man eine Lebensform wählt, bei der drei Leute am Kinderkriegen beteiligt sind, dann sind diese Drei auch beim Kinderhaben einzubeziehen.

  • R.G.

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    Das Problem ist, dass man die Kriterien nicht erfährt, nach denen man beurteilt wird.
    Da kann sozusagen Laune und persönliches Wertesystem der prüfenden Person über Lebensentwürfe entscheiden. Sie wird zum Gesetzgeber, aber niemand außer ihr darf den
    ” Gesetzestext” wissen.
    Hoch bedenklich, wenn sich der Rechtsstaat das gefallen lässt.

  • jing

    |

    @ xy:
    zum Thema “Lebensform… drei Leute am Kinderwagen”: Es soll tatsächlich lesbische Paare geben, die LEGAL in Deutschland in eine Kinderwunschklinik gehen und dort über eine Cryobank anonym Spendersamen beziehen. Und dann soll es in Deutschland sogar vorkommen dass zwischen Spender und Cryobank vertraglich geregelt ist, dass der Spender keinerlei Rechte aber auch keine Pflichten gegenüber einem möglichen Kind hat (weil er auch nicht Vater sein WILL, sonst unterschreibt er diesen Vertrag nicht).

    Aber trotzdem ist es nicht möglich das lesbische Paare von Anfang an beide als Eltern des Kindes in die Geburtsurkunde einzutragen. Würde aber ein Heteropaar den anonymen Spendersamen beziehen (z. B. wegen Unfruchtbarkeite des Mannes) und den Vetrag mit der Cryobank abschließen, dann wäre der Mann der Paares automatisch ab der Geburt der Vater, auch wenn er biologisch nicht der Erzeuger ist. In dieser Konstellation interessiert sich keiner dafür, dass es neben dem “Vater” noch einen “Erzeuger” gibt.

    Dass im Fall einer privaten Samenspende durchaus auch der Spender diskriminiert werden kann, da stimme ich Ihnen, xy, zu. Eine Zwei-Mütter-Familie mit privatem (und möglicherweise bekannten) Samenspender mit einer AUSSCHLIEßLICHEN Zwei-Mütter-Familie, bei der der anonyme Spender vertraglich keinerlei Ansprüche aber auchkeine Verpflichtungen hat, zu vergleichen, scheint mir aber zu unrefklektiert.

  • Mathilde Vietze

    |

    Da greifen wieder die ewiggestrigen Vorstellungen, daß “ein Kind Schaden nimmt,”
    wann es von zwei Frauen erzogen wird. Das ist durch nichts bestätigt, spukt aber
    in den Köpfen derer herum, die alle Homos in Bausch und Bogen verdammen und
    ihnen kein Anrecht auf eine persönliche Lebensführung gönnen.

Kommentare sind deaktiviert

drin