Winzerer darf kein Winzer werden

Landschaftsschutzgebiet und Erholungszone für gestresste Städter: die Winzerer Höhen, Blick auf den Stadtwesten. (Foto: hb)
Wo die Stadt selbst winzert…
Beides glaubt man auf den Winzerer Höhen zu finden. Ein Landschaftsschutzgebiet hoch über der Stadt, darunter Wald, dahinter Wiesen und Felder. Zwischendrin der eine oder andere kleine Weinberg. Dem allgemeinen Verständnis zufolge hat Winzer sogar seinen Namen vom Weinanbau. Das ist naheliegend und wird sowohl durch die dortige Weinkultur im Hier und Heute als auch durch die Geschichte bestätigt: Die Römer sollen hier schon Wein angebaut haben, der Stadtwein „Salutaris“ des Gartenamtes hat seinen Namen nach dem römischen Vermächtnis in Winzer. Ein römisches Steindenkmal in Winzer, das den Vornamen eines Soldaten preisgibt und an den antiken Weinbau erinnert, ist das Vorbild hierfür. Und nicht nur die Weine privater Klein-Winzer gedeihen hier hervorragend, auch dem Stadtwein scheint die sonnige Südhanglage gut zu tun.…darf das ein Winzerer noch lange nicht
Doch das Privileg, in Winzer Winzer sein zu dürfen, wird nicht jedem zuteil. Karl Brunnbauer zum Beispiel, seit einigen Monaten Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Stadtamhof-Steinweg-Winzer, wäre gern Winzer in Winzer oder würde wenigstens gerne einem potenziellen Pächter seines Hangs im mutmaßlichen Weinanbaugebiet diese Möglichkeit geben.
Auch dieses kleine Grundstück mit Weinstöcken, das einem Hobby-Winzer aus Regensburg gehört, soll verschwinden, wenn es nach dem Willen der Stadt geht, berichtet Karl Brunnbauer. (Foto: hb)
Trügerische Ruhe
Auch mit der bislang so geschätzten Ruhe war es in Winzer in den vergangenen Monaten erst einmal vorbei. Wer glaubte, er könne sich in aller Seelenruhe auf die Winzerer Höhen legen, ein Nickerchen in der Sonne machen, ein bisschen grillen oder joggen und werde dabei allenfalls von ein paar Mücken gestört, hat sich geirrt: Seit November 2011 rattern in regelmäßigen Abständen LKWs über die Winzerer Höhen. Bis zu 200 pro Tag sollen es laut Brunnbauer zu Spitzenzeiten gewesen sein. Ein Landwirt lässt sich Humus auf seinen Acker liefern, um – wie er selbst sagt – die Bodenqualität zu verbessern.Geschäftsmodell Erdauffüllung?
Der wird unter anderem von der Firmengruppe Rösl geliefert. Laut Stadt, Bauer Xaver Renner und Gerhard Rösl läuft alles legal und nach Plan. Verständnis habe man schon, wenn es Anwohner und Besucher nicht so gerne haben, dass der Lastverkehr durch das Landschaftsschutzgebiet donnert, aber es liege eine Baugenehmigung vor und damit gehe alles seinen geordneten Gang. Brunnbauer hat da so seine Zweifel: Der Einfluss auf das Winzerer Grundwasser sei nicht geklärt, die Zauneidechse werde vertrieben, die Straße in Kager beschädigt und die Anwohner durch den Lärm belästigt.
Humus soll die Bodenqualität des früher als “Ziegelacker” bekannten Grundstücks verbessern. (Foto: hb)
Showdown in der Spätnachmittagssonne
Bei einem Pressetermin auf den Winzerer Höhen laufen sich Brunnbauer und Renner – zufällig und offenbar erstmals – über den Weg. Es dauert eine Weile, bis sie sich gegenseitig ihre Interessenslagen vorgetragen und eine Kommunikationsbasis gefunden haben. Die Sonne steht schon tief über den Feldern. Unten tobt die Dult, das Riesenrad in Sichtweite, auf den Winzerer Höhen brodeln die Gemüter. Beide sind sehr emotional, was das Thema angeht. Bauer Renner fühlt sich angegriffen, weil er mit dem anderen Landwirt in einen Topf geworfen wird. Dabei sei seine Maßnahme legal, genehmigt und völlig im Rahmen. Sogar der Boden soll dadurch besser werden, das Trinkwasser eher geschützt als verunreinigt, da Düngemittel die dicke Humusschicht nicht so schnell verlasse wie den darunter liegenden, trockenen Kalkboden.Humus gegen die Klimaerwärmung
Schließlich stellen Renner und Brunnbauer fest, dass ihre Interessen gar nicht so gravierend auseinandergehen. Brunnbauer hat gegen legale Auffüllmaßnahmen gar keine Einwände. Sondern hauptsächlich gegen den LKW-Lärm. Und Renner hat Verständnis für die Anwohner und die gefährdete Zauneidechse. Aber die, so ist der Landwirt überzeugt, kann ja immer noch davonlaufen, wenn sie die Vibrationen eines Lastwagens wahrnimmt. Am Ende geht es noch ein bisschen um das Welthungerproblem, die Kraftstoffknappheit und die schmelzenden Polarkappen – alles Dinge, von denen Renner glaubt, ihnen ein bisschen entgegenwirken zu können, wenn er sich Humus aus der Region anliefern und auf seinem Acker auffüllen lässt.
Ein LKW auf seinem Rückweg von den Winzerer Höhen durch den Ortsteil Kager. Am Straßenrand wurden Bäume und Sträucher beschnitten, damit die Brummis die Kurve kratzen können. (Foto: Brunnbauer)