Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Rechtswidrige Medienarbeit

Nach dem Korruptionsprozess: Tretzel gewinnt Klage gegen Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft war im Juli 2018 weder zu einer Pressemitteilung unmittelbar nach der Anklageerhebung gegen Joachim Wolbergs, Volker Tretzel und andere berechtigt, noch zu einer anschließenden Pressekonferenz. Das hat das Verwaltungsgericht Regensburg gerade entschieden. Der im Korruptionsprozess angeklagte und (nicht rechtskräftig) verurteilte Unternehmer hatte wegen der Medienarbeit der Ermittlungsbehörde geklagt.

UPDATE: Hier geht es zum ausführlichen Prozessbericht

WERBUNG

War die Medienarbeit der Regensburger Staatsanwaltschaft während der Ermittlungen und vor allem im Zusammenhang mit der Anklageerhebung gegen Joachim Wolbergs, Volker Tretzel und ihre zwei Mitangeklagten im Juni 2018 zulässig? Über diese Frage musste am Dienstag das Verwaltungsgericht Regensburg entscheiden. Der Unternehmer Volker Tretzel hatte bereits 2017 über seinen Medienanwalt Dr. Till Dunckel eine sogenannte Feststellungsklage vor dem dafür zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht. Das hatte den Termin bis zur Entscheidung des Landgerichts Regensburg im Korruptionsprozess vertagt. Die Entscheidung ist wichtig im Hinblick auf eventuelle Schadenersatzansprüche.

Kritik an der „rechtswidrigen Medienarbeit“ der Staatsanwaltschaft hatte die Verteidigung während des Prozesses vor dem Landgericht immer wieder erhoben. Eine Pressemitteilung zwei Stunden nach Anklageerhebung, sachliche Fehler in einer anderen Pressemitteilung, eine Pressekonferenz, die den Eindruck eines Urteilsspruches erweckt habe, lauteten die öffentlich erhobenen Vorwürfe.

Am Dienstag fand sich der frühere Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Theo Ziegler, heute Richter in Landshut, denn auch auf ungewohntem Platz wieder – als (damaliger) Vertreter der Ermittlungsbehörde nahm er neben den Rechtsanwälten Dr. Klaus-R. Luckow und Hanna Straub auf der Beklagtenbank Platz. Ihm gegenüber: Tretzels Rechtsanwalt Dunckel. Der Unternehmer selbst erschien nicht zum Verfahren. Im Zuschauerraum verfolgte auch Joachim Wolbergs den Gerichtstermin.

Nach knapp dreistündiger Verhandlung und knapp 20 Minuten Beratungszeit gab die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg am Ende Volker Tretzel recht. Demnach war die Staatsanwaltschaft weder zur Pressemitteilung unmittelbar nach der Anklageerhebung noch zu der anschließenden Pressekonferenz berechtigt. Dabei ging es nicht um inhaltliche Beanstandungen, sondern um die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft bereits zwei Stunden nach Anklageerhebung die Medien informierte. “Durch die Art und Weise des Vorgehens” sei der Beschuldigte “in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt” worden.

Wir werden später noch ausführlicher darüber berichten.

UPDATE: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Regensburg

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Regensburg hat heute der Klage eines Regensburger Bauunternehmers stattgegeben, die sich gegen die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Regensburg in einem Strafverfahren insbesondere wegen auffälliger Parteispenden richtete. Die Staatsanwaltschaft gab am 27. Juli 2017 durch Pressemitteilung und mündliche Presseinformation bekannt, dass sie in dem Fall Anklage erhoben habe. Den Verteidigern des Klägers hatte sie etwa zwei Stunden vor Veröffentlichung der Pressemitteilung einen Teil der Anklageschrift zur Kenntnis übersandt. Das Gericht stellte mit seinem Urteil fest, dass die Staatsanwaltschaft zur Veröffentlichung der Pressemitteilung am 27. Juli 2017 und zur mündlichen Presseinformation am selben Tag nicht berechtigt gewesen sei. Es hat zwar die Pressearbeit nicht inhaltlich beanstandet, sah aber den Kläger durch die Art und Weise des Vorgehens in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt.

Nach Auffassung des Gerichts muss die Staatsanwaltschaft einem Beschuldigten nach Erhebung der Anklage ausreichend Gelegenheit zur Vorbereitung auf mögliche Presseanfragen geben, bevor sie die Medien über die Anklage informiert. Der von der Staatsanwaltschaft eingeräumte Zeitraum von circa zwei Stunden habe hierfür im konkreten Fall nicht ausgereicht.

Die Anklageschrift sei relativ umfangreich gewesen und die Verteidiger hätten ausreichend Zeit erhalten müssen, um sie durchsehen und zumindest teilweise prüfen zu können. Außerdem habe den Verteidigern nicht die gesamte Anklageschrift, sondern nur der sogenannte Anklagesatz ohne Angabe der Beweismittel zur Verfügung gestanden. Für eine fundierte Stellungnahme gegenüber der Presse hätte ihnen die Staatsanwaltschaft nach Ansicht der Kammer aber auch den Teil der Anklageschrift übermitteln müssen, in dem sie erläuterte, auf welche Beweismittel sie die erhobene Anklage stützte. Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe die Zulassung der Berufung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragt werden.

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (13)

  • Checker

    |

    Macht die Staatsanwaltschaft eine Pressekonferenz ist es verkehrt. Macht sie keine, heisst es sie arbeitet in Verborgenen und es ist auch verkehrt.

    Na gut auf alle Fälle war es verkehrt von Wolbergs die 150000 Euro Vorteilsnahme von BTT genommen zu haben.

  • xy

    |

    Ein weiteres Fiasko für die Staatsanwaltschaft! Wer ist/war dafür verantwortlich?

  • Lothgaßler

    |

    Bahnt sich hier ein Coup an: Ein Einkassieren der Urteile wg. Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren? Sollte es so kommen, dann werden die Herren auch noch mit richterlichem Segen der Öffentlichkeit sagen dürfen, dass sie nie nichts Unrechtes getan haben, weil es gibt kein Urteil bzw. dieses wurde einkassiert.

  • Dieter

    |

    Gut, die Begründung macht tatsächlich Sinn.

    Tretzel scheint ja einen richtigen Lauf zu haben.
    Als Nächstes: Die neue Partei BTT wählt Volker T. einstimmig zu ihrem OB-Kandidaten.
    Wahlslogan: “Schöner Wohnen in Regensburg”.

  • hf

    |

    Bin mal gespannt, wie hoch der Schadenersatz zulasten der Steuerzahler sein wird. Humor wäre es, die Summe eins zu eins in den Wahlkampf der Brücke zu investieren. Köstlich.

  • XYZ

    |

    Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, ‘Die sieben Schwaben’ von 1819 = vor 200 Jahren: sie jagten ein Untier mit dem Schweinsspiess – war aber nur ein Hase . . .

  • Ex Regensburger

    |

    Gut so, der Rechtsstaat funktioniert (zumindest meistens)!
    Ich hab eh schon darauf gewartet; immer nur schimpfen auf die doch etwas überhebliche Staatsanwaltschaft bringt nix, ich dachte immer: Sollen sie doch mal klagen.

  • cop

    |

    Die Staatsanwaltschaft hat bei ihrer Arbeit Fehler gemacht.

    Das ändert nichts an der Tatsache, dass Tretzel und Wolbergs wegen Korruptionsdelikte verurteilte Straftäter sind.

    Daran ändert diese Urteil nichts, das Kainsmal ist eingebrannt.

  • Lotte E.

    |

    Habe ich das jetzt richtig verstanden, die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft war nur deswegen nicht in Ordnung, weil sie zu früh veröffentlicht wurde? Inhaltlich war alles ok?

    Mit was für einem überflüssigem Nonsens wird jetzt wieder ein Gericht beschäftigt.. sorry als Steuerzahler verärgert mich das ganze Tretzel Wolbergs Theater langsam massiv.

  • Peter

    |

    Über das Recht entscheiden die Richter. Das Moralische muss jeder selbst bewerten. O.g. Pressearbeit der Staatsanwaltschaft wirkte auf mich so, dass es primär nicht um die Aufklärung eines Verdachtsfalles, sondern um eine Vorverurteilung von Verdächtigen ging. Die Personen, die im Vorder- oder Hintergund an der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft mitwirkten, sollten sich meiner Meinung nach überlegen, ob Sie sich bei den Beschuldigten öffentlich entschuldigen und/oder sich aus Regensburg versetzen lassen.

  • Mr. B.

    |

    Ich bin sehr froh, dass die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren aufnahm. Der normale Bürger, gut einige munkelten schon immer unter vorgehaltener Hand, hätte sonst wohl nie erfahren, was Teile die “Regensburger Elite” vermutlich schon seit vielen Jahren trieben, um sich zu Unrecht und ganz ungeniert zu bereichern und trotzdem gut dazustehen.
    Ich finde, dass der Bürger ein Recht hat, es sofort zu erfahren, dass auch gegen diese o. g. “Macher” ermittelt wird. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sonst einige Straftaten unter den Tisch fallen könnten, weil die Herren und Damen Rechtsanwälte wieder etwas finden, dass so manches nicht veröffentlicht werden muss oder darf.
    Zusammen mir der wirklich guten Berichterstattung von R-D (es gibt leidet im näheren Umfeld nichts besseres) wurde vieles bekannt, was die nicht einflussreichen Bürger dieser Stadt und des Umlandes nie hätten wissen und erfahren sollen. Wenn es bei Vorteilsnehmern und Vorteilsgewährern schon keinen Anstand und keine Moral mehr gibt, dann brauchen sie auch nicht auf ihren Ruf bedacht sein, als wäre nichts gewesen. In der Zeit, als sie das große Geld einstrichen, war ihnen ja auch alles egal.
    Und, wie es heißt, sind wir ja hier in Regensburg noch lange nicht fertig, weitere Vorfälle vor Gericht zu bringen. Der Bürger hat einfach Recht, so viel wie möglich darüber informiert zu werden, ob und wer sich mit solchen Geschäften strafbar bereichert hat oder nicht!

  • Mr. B.

    |

    @Günther Herzig
    Ich wollte lediglich Bezug zum betreffenden Verfahren nehmen.
    Das was sie ansprechen, habe ich zu keinem Zeitpunkt gemeint.
    Und der neueste Artikel, bezüglich der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, bestätigt mich voll und ganz!

Kommentare sind deaktiviert

drin