„Die Frage nach der Gestaltung einer Stadt”, sagt Professor Dr. Carl Fingerhuth (Foto), „ist eine öffentliche Frage.” Insofern freut sich der Vorsitzende des Gestaltungsbeirats über das große Interesse an dem bunten Haus, über das er und seine Kollegen am Donnerstag beraten. Viele Zuhörer sind gekommen und das ist auch gut, denn, so Fingerhuth: Gestaltung, das sei keine Sache von Experten, Richtlinien und Paragraphen, nein, Gestaltung müsse sich an der Frage messen: „Was für eine Stadt wollen die Menschen, die in ihr leben?”
Keine mit einem bunten Haus, lautet das Votum der Experten, die sich von der offenkundigen Meinung der Mehrheit der Menschen, die in Regensburg leben, nicht haben beeindrucken lassen.
„Wir unterstützen die Stadt, wenn sie der Meinung ist, dass das nicht dem kollektiven Gestaltungswillen entspricht”, fasst Fingerhuth die Meinung des Gestaltungsbeirats nach halbstündiger Beratung zusammen, verbunden mit der Frage an Planungsreferentin Christine Schimpfermann, ob diese Empfehlung der Stadt denn auch helfe. Freilich hilft das. Schützend hat sich das Expertengremium vor die Stadtverwaltung gestellt und der Fassadengestaltung von Malermeister Rebl eine Absage erteilt. Damit ist der schwarze Peter für die Bauordnungswächter in den Regensburger Amtsstuben nicht mehr ganz so schwarz. Wissen sie doch die Experten auf ihrer Seite. Und deren Worte sind deutlich.
Das bunte Haus käme einer „optische Lärmbelästigung” gleich, so Fingerhuths Bild. Auf der Suche nach Sinnlichkeit in der Fassadengestaltung sei das bunte Haus weniger Erotik, denn Pornographie.
Nicht, dass man prinzipiell etwas gegen bunte Häuser hat. Nein. Am Galgenberg sei dies unter Mitwirkung des Gestaltungsbeirats ja hervorragend gelungen, erklärt die Planungsreferentin. Dort, am Galgenberg, findet der gebildete Durchschnittsbetrachter eine sinnlich-erotische Symphonie rechteckiger Betonklötze, deren satte, knallige Farbgestaltung sogar ausgezeichnet wurde. „Für Individualisten und Ästheten”, lautet der Slogan auf einem Verkaufsschild für solche Städtebaukunst.
Zu viel Individualität soll es aber nicht sein. Und das ist eben beim Rebl’schen Haus der Fall. Professor Fingerhuth: „Da nützt jemand den Unterschied aus, um aus der Masse hervorzutreten.” Das gehe über das hinaus, „was wir für den Konsens halten”. „Wir”, das sind die Experten vom Gestaltungsbeirat. Die nehmen laut Fingerhuth zwar die Bürger ernst, die das Haus in der Mehrheit wenigstens akzeptieren und sich nach etwas Neuem, abseits der Einheitsbauträgerarchitektur sehnen, aber auf der Suche nach Sinnlichkeit einer Stadt sei eine solche Fassade der falsche Weg.
Eine „egoistische, unfreundliche Geste” des Malermeisters sei es gar, sich bewusst von der Umgebung abheben zu wollen, sekundiert mit Professor Andreas Meck ein weiterer Experte des Gremiums. Und der Münchner Architekturexperte Andreas Hild ist der Meinung, dass „die Gemeinschaft” vor diesem Hintergrund zum Einschreiten gezwungen sei. Die Farbgestaltung widerspreche dem Prinzip einer „allgemeinen Handlungsmaxime”, derzufolge Rebl „wollen können müsste”, dass auch die umgebenden Häuser derart bunt gestaltet würden. Würde man ein solches Haus „gegen den Willen der Gemeinschaft” zulassen, käme das einer „Abwahl der Demokratie” gleich, urteilt Hild, der offenbar nicht mitbekommen hat, dass weder die Stadtverwaltung demokratisch legitimiert, noch der demokratisch gewählte Stadtrat jemals mit dem bunten Haus befasst war.
Die Stadtverwaltung stellt sich jetzt auf den Standpunkt, dass es sich bei dem Rebl-Haus um Werbung handelt. Und eine solche, das ist der Kniff, der der Verwaltung erst im Lauf der Diskussion ums bunte Haus in den Sinn gekommen ist, ist genehmigungspflichtig. So werden sich Stadtverwaltung und Malermeister wohl in absehbarer Zeit vor dem Verwaltungsgericht wiedersehen. Rebl hat nämlich schon angekündigt, nicht nachgeben zu wollen. Sollte die Stadt vor Gericht unterliegen, sieht sich der Gestaltungsbeirat in seiner Existenzberechtigung nicht gefährdet. Fingerhuth: „Wir brauchen keine inhaltliche Legitimation. Wir beraten die Stadt nur in Fragen der Gestaltung.” Mit der Frage, was die Menschen, die einer Stadt leben, tatsächlich wollen, beschäftigt sich hoffentlich die Öffentlichkeit.