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Antikriegstag in Regensburg

50 Gewerkschafter gegen den Krieg

1957 rief der Deutsche Gewerkschaftsbund den 1. September zum Gedenktag gegen Krieg und Faschismus aus. Auf dem Neupfarrplatz veranstaltete das Regensburger Bündnis Gewerkschaft gegen Krieg hierzu am Dienstagabend eine Kundgebung. Man müsse aus der Geschichte lernen und „die heutigen Kriegstreiber klar benennen”, forderte Jack Pritscher, einer der Redner.

Deutschland ist aus SIcht der rund 50 Teilnehmer einer der großen Kriegstreiber. Foto: Bothner

„Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen. Die Aufgaben unserer Marine gehen über die Landes- und Bündnisverteidigung hinaus. Denn Seewege sind Lebensadern und so ist die Freiheit der Seewege für Deutschland und unseren Wohlstand von großer strategischer Bedeutung.“

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Dieses Zitat stammt aus einer Grundsatzrede der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Im vergangenen November sprach sie vor der Universität der Bundeswehr in München und stellte damals klar, dass sich Deutschland künftig als militärisches Gegengewicht zu China in Stellung bringen müsse. „Unsere Partner im Indo-Pazifischen Raum – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt“, so die Ministerin.Aus Sicht der rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache für den Frieden am Dienstagabend auf dem Neupfarrplatz sind solche Aussagen Ausdruck einer verfehlten Sicherheitspolitik.

Bereits seit 1957 findet am 1. September der jährliche Gedenktag gegen Krieg und Faschismus statt. Am 1. September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht auf Befehl Hitlers Polen. Heute gilt das Datum als Beginn des Zweiten Weltkriegs. Neben Mitgliedern des globalisierungskritischen Netzwerks attac nehmen auch Mitglieder der Linkspartei, der Partei MUT, des Internationalen Kultur- und Solidaritätsvereins und weiterer Gruppierungen teil. Auch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer verfolgt die Redebeiträge.

Deutschland komme auf Grund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung zu, sagt Jack Pritscher, IG-Metall-Mitglied und Vertreter des Netzwerks Gewerkschaft gegen Krieg. „Egal welche Argumente die Regierenden und ihre Auftraggeber auch immer benutzen, ihr Ziel ist immer das Gleiche: Die Unterdrückung anderer Länder. Die Sicherung von Rohstoffen weltweit. Der Verkauf von Waffen weltweit.“

Es gehe vor allem um Profitmaximierung

Das alles diene laut Pritscher nicht der Sicherung von Frieden und Menschenrechten, sondern „zur Sicherung der Maximalprofite der deutschen Banken und Konzerne“. Insbesondere die deutschen Rüstungsunternehmen wie Krauss-Maffei Wegmann – KMW produziert vorwiegend Panzer – und Heckler & Koch, das für seine Schusswaffen bekannt ist, würden viele der Teilnehmer gerne enteignen.

“Diese Politik muss unseren Widerstand herausfordern”, sagt Jack Pritscher.

Aber auch den Umgang der Politik mit Russland und China kritisiert Pritscher in seiner Rede. „Ihrer Ansicht nach sind Russland und China die Hauptfeinde, die es einzukreisen und zu destabilisieren gilt.“ Pritscher spricht hier über die Erweiterung der NATO auf die Warschauer Vertragsstaaten. „Die NATO steht in den baltischen Staaten an den Grenzen zu Russland, hat eine Kooperation mit der Ukraine und Georgien.“ Lediglich Belarus fehle aktuell noch zur „vollständigen Umzingelung“. „Hier muss nur noch der letzte `Diktator und Wahlfälscher` (gemeint ist der belarusische Präsident Lukaschenko) beseitigt werden und das nächste Etappenziel wäre erreicht.“

Auf die derzeitige Situation in Belarus geht Pritscher nicht ein. Seit den Präsidentschaftswahlen Mitte August finden in dem osteuropäischen Land täglich Massenproteste der Opposition statt, die den Rücktritt Lukaschenkos fordern und ihm Wahlbetrug vorwerfen. Zahlreiche Menschen wurden mittlerweile verhaften und laut Medienberichten zum Teil misshandelt. Auch auf militärische Provokationen von China und Russland oder den aktuellen Fall des russischen Oppositionspolitikers Nawalny kommt Pritscher nicht zu sprechen. Nawalny wurde nach derzeitigem Stand offenbar vergiftet und wird in der Berliner Charité behandelt.

Weltweit sind fast 80 Millionen Menschen auf der Flucht

Bereits am Dienstagmittag erklärte Tima Kurdi während einer Pressekonferenz der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye, dass nach wie vor Krieg eine der Hauptfluchtursachen für Millionen von Menschen sei. Am Abend auf dem Neupfarrplatz geht auch Gotthold Streitberger, der für die BI Asyl und die GEW spricht, auf diese Thematik ein. „Als ich 1984 meine Diplomarbeit über Asyl geschrieben habe, waren es weltweit etwa 17 Millionen Flüchtlinge. Ende 2019 waren weltweit über 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht.“ Es müsse damals wie heute vorrangig darum gehen, Fluchtursachen zu bekämpfen. „Aber diejenigen, die an der Macht sind praktizieren das Gegenteil: Fluchtursachen vermehren sich, Flüchtlinge werden bekämpft.“

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer warnte bereits 2018 davor, Rüstungsexporte zu verhindern. Foto: bm

Insbesondere Kriege und politische Verfolgung, sowie Menschenrechtsrechtsverletzungen seien Hauptursachen, warum Menschen ihre Heimat verlassen würden, so Streitberger. Dabei müsse man stets „erst vor der eigenen Haustüre den Dreck wegkehren, bevor man auf den Nachbarn schaut“. „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, zitiert er Karl Liebknecht. Schließlich seien die Kriege der Vergangenen Jahrzehnte – im Irak, Iran, Jugoslawien, Afghanistan, Libyen, Syrien, Jemen oder der Ukraine und der Krieg der Türkei gegen die Kurden – „fast immer mit deutscher Beteiligung erfolgt“.

Krieg und Ausbeutung als wesentliche Fluchtursachen

Auch Streitberger kommt dabei auf die deutschen Rüstungsunternehmen zu sprechen. Rheinmetall, der größte deutsche Rüstungskonzern, konnte 2019 einen Umsatz in Höhe von 3,52 Milliarden Euro erwirtschaften. Heckler & Koch immerhin 237 Millionen. Viele der Waffenexporte würden entweder direkt in Krisengebiete gehen oder zum Beispiel über Saudi-Arabien indirekt an Länder wie den Jemen, kritisiert Streitberger. Im Jemen herrscht seit Jahren ein erbitterter Bürgerkrieg.

Der größte deutsche Rüstungskonzern erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von 3,52 Milliarden Euro.

„Wer jetzt am Hunger stirbt, wird ermordet. Die Völker der armen Länder arbeiten sich zu Tode, um die Entwicklung der reichen Länder zu finanzieren“, zitiert Streitberger dann Jean Ziegler. Schließlich spiele neben den herrschenden Kriegen auch das Weltwirtschaftssystem eine tragende Rolle. Daran anschließend mahnt der langjährige Aktivposten der Regensburger Flüchtlingsarbeit vor einer weiteren Zuspitzung der Krisen, wenn nicht endlich ein tief greifender Umbruch geschehe.

Bundesregierung plant mit 72 Milliarden Euro

Anstatt die Rüstungsausgaben wie geplant bis 2024 auf 72 Milliarden zu erhöhen, fordert die Gewerkschaft gegen Krieg eine sofortige Abrüstung. Das Geld könne stattdessen im sozialen Wohnunsbau, dem Gesundheitssystem oder der Bildung besser verwendet werden.

Diesbezüglich zeugen die letzten Überlegungen der Verteidigungsministerin von einer etwas anderen politischen Stoßrichtung. Bereits Ende 2018 warnte Kramp-Karrenbauer davor, Rüstungsexporte generell zu verhindern. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie damals: „Wenn Deutschland an einem europäischen oder supranationalen Projekt beteiligt ist, dann müssen die Partner gemeinsame Regeln finden. Das kann auch bedeuten, dass diese Projekte nicht den strengen deutschen Regeln unterliegen.“ Generell sieht sie die Bundeswehr in der Verantwortung, mehr Auslandseinsätze zu führen.

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Kommentare (11)

  • joey

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    Die Alternative zu Freiheit der Seewege ist die Herrschaft von Warlords an der Küste Ostafrikas.

    Lukaschenko der Friedensaktivist… die weißrussische Industrie ist in Staatshand und ein wichtiger Exporteur von schweren LKW für Militärzwecke. Ein anderer Zweig für Deviseneinkünfte ist die Entwicklung von Kriegsspielen “wargaming.net”

    “Deutsche Beteiligung” war lächerlich und im Irak gar nicht. Jugoslawien war eine Flüchtlingskatastrophe, die offenbar durch serbische Massaker mit russischen Waffen befeuert wurde. Gerade Srebrenica ist der Beweis, wo man ohne Verteidigung hinkommt.

    In der Ukraine stehen russische Truppen/Waffen tief auf ukrainischem Staatsgebiet. Ich wüßte nicht, daß die Bundeswehr hier einen Beitrag leistet.

    Altlinke Parolen mit Verschwörungstheorien. Fehlt nur noch Israel.

  • Al Bert

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    Die NATO ist böse, China und Russland, Weißrussland arm dran und vom Westen unterdrückt.

    Ein “Jack” fordert -mit welchem Mandat auch immer- vor 50 Hanseln,
    Enteignungsforderungen werden laut.

    @Joey
    stimmt, hab mich auch gewundert, daß die das Israelfaß nicht aufgemacht haben.

    Manche lernens nie und bleiben ewig in den 70ern hängen. Die Welt hat sich verändert.

    Nein und Kommunismus funktioniert nicht, auch wenn der Urlaub auf Kuba noch so schön war. Die Oldheimer dort haben die Leute aus Not.

  • Hthik

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    Über Deutsche Kriegsbeteiligung und wie sehr man den Beteuerungen der Bundesregierung, die eh oft weitergereichte Beteuerungen der USA sind, vertrauen kann, hat jemand mal ein Video gemacht. Sagt man da heute noch Video? https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ

  • XYZ

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    Zu Nocheinüberlebender 02.09.17.21:
    Das Zitat stammt von Bert Brecht, einem Augsburger – wenn es nur endlich wahr wäre – und die Atomraketen bedrohen nach wie vor die gesamte Welt – wie leicht kann der ultimative Letztschlag durch Fehlinformationen der Computer ausgelöst werden – mir graust’s . . .

  • XYZ

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    Nachtrag zu ‘Nocheinüberlebender’
    Bei Rötz war mal das camp reed der us-forces stationioniert, allgemein nicht zugänglich, konnte aber es aber mal dienstlich besichtigen: auf Lafayetten standen bewegliche Raketen-Rampen, meine Frage: “atomar” ? keine Antwort – oder auch eine Antwort – die atomaren Raketen, die noch verblieben, sollten so bald wie möglich entfernt werden!

  • dromadar

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    Ich glaube, man kann da wenig ausrichten, wenn man selbst keine Militär-/ Atommacht ist. Man kann allein mit Wirtschaftskraft nur ein bischen schimpfen, die großen Jungs machen es dann doch wie sie wollen.

    @htik
    Und wer glaubst du sieht sich jetzt das Video an?

    @XYZ
    “auf Lafayetten standen bewegliche Raketen-Rampen”

    Ach was, offensichtlich hast nur du das gesehen. Davon weiß nicht mal Google was. Darf man solches Geheimdienstwissen überhaupt an dritte weitergeben?

  • XYZ

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    Zu dromodar gestern 13.42
    In Grafenwöhr bestand ein Sondermunitionslager, die amer. Panzer-Armee verfügte über fahr- und verlegbare Haubitzen, die atomar bestückt werden konnten, Reichweite etwa 30 km bis zur tschechischen Grenze, auf der anderen Seite wartete ebenso die russ. Armee: gottseidank vorbei – das sollte auch für das verbliebene Atom- Arsenal gelten.

  • XYZ

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    Noch ein nachdenklicherer Nachtrag:
    Pritscher spricht im Grunde von einer Einkreisungsfurcht Russlands. Obama hat auf amerikanische Raketenabwehr- und Radarstationen im Vorfeld verzichtet, wofür er nicht von ungefähr den Friedens-Nobelpreis erhielt. Warum kündigt der BT nicht folgerichtig das NATO-Truppenstatut teilweise: keine atomaren Systeme auf unserem Gebiet – wir sollten uns doch im eigenen Interesse aus solchen interballistischen Problemen heraushalten ?

  • Heike

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    @Dromadar

    “Man kann allein mit Wirtschaftskraft nur ein bischen schimpfen”.

    Ich finde, wenn man den Waffenhandel einschränkt, kann man schon was bewirken. Viele deutsche Waffen werden exportiert.

  • joey

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    @Heike
    deswegen werden die Leopard Panzer nun von einer franz. Firma gebaut – weil die deutsche Exportkontrolle zu restriktiv ist.

Kommentare sind deaktiviert

drin