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Nach Scheitern von E-Carsharing ELSA

Altstadtkaufleute fordern, was sie nicht nutzen

Zwei Jahre konnten Altstadtkaufleute exklusiv und preiswert zwei E-Lieferfahrzeuge von bayernhafen nutzen. Nur getan haben sie es kaum. Laut Brücke-Fraktion wollen sie aber wieder ein solches Angebot – diesmal kostenlos.

Stand die meiste Zeit ungenutzt im Parkhaus: das Lieferfahrzeug von ELSA. Im Bild die medienwirksame Vorstellung vor dem Alten Rathaus im März 2019. Foto: Tanja Harrer/bayernhafen

„Dieses Projekt kann ein weiterer Baustein für eine attraktive Altstadt sein, in der sich unsere Kunden gerne aufhalten und wir Kaufleute unsere notwendigen Transporte umwelt- und kundenfreundlich durchführen können.“ Im März 2019 war Ingo Saar, Geschäftsführer des Vereins Faszination Altstadt, begeistert von dem Projekt, das man im Rahmen eines Pressetermins der Öffentlichkeit vorstellte.

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Ebenso der damalige Umweltbürgermeister Jürgen Huber. Dieser ging davon aus, „dass wir da erfolgreich sein werden“, wenn die Akteure bayernhafen, Energieagentur, Faszination Altstadt sowie REWAG und OTH „zusammenhalten“, um das Anliegen der Stadt weniger und emissionsfreien Verkehr in der Altstadt zu befördern.

Interesse ist groß“

Konkret ging es um zwei elektrische Lieferfahrzeuge, die im Rahmen des zweijährigen E-Carsharing-Pilotprojekts ELSA exklusiv Altstadtkaufleuten zur Verfügung stehen sollten. Das „Interesse ist groß“, so Saar damals in einem Interview mit dem Fernsehsender TVA. Unter Federführung von bayernhafen schlossen sich die genannten Partner deshalb zusammen, um Gewerbetreibenden für 2,99 Euro pro Stunde zwei Fahrzeuge für Güter- beziehungsweise Mischtransporte anzubieten. Ein NISSAN eNV 200 stand im Parkhaus am Dachauplatz, ein anderer am Petersweg. Eine Sondergenehmigung erlaubte das Befahren der Fußgängerzone außerhalb der üblichen Lieferzeiten.

 „Wir haben im Vorfeld viele Untersuchungen laufen lassen und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass man dem Einzelhandel in der Innenstadt ein solches Angebot zur Verfügung stellen muss“, so Klaus Hohberger (bayernhafen) damals. Man habe „die logitischen Ansprüche der Kaufleute in den Mittelpunkt“ gestellt und sei zuversichtlich, dass das Projekt ein Erfolg werde.

Doch während die Vorstellung 2019 noch groß medial gefeiert wurde, ließ man die Pilotphase im März dieses Jahres ganz leise auslaufen. Eine Fortführung oder Verstetigung ist nicht geplant. Doch warum? Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer bezeichnete kürzlich im Planungsausschuss ELSA als „ein gescheitertes Projekt“. Das Angebot sei „nicht genutzt worden, obwohl es den Altstadtkaufleuten bekannt gemacht worden ist“.

Bedarf geringer als das Interesse“

Der konkreten Wortwahl der Oberbürgermeisterin schließt sich bayernhafen nicht an. Das Projekt habe gezeigt, „dass es einen Kreis von Nutzern gibt, die dieses Angebot nachhaltig genutzt haben und die Mehrheit derer war sehr zufrieden damit“, heißt es auf entsprechende Anfrage. Ziel sei es gewesen, Altstadtkaufleuten exklusiv im Rahmen eines Sharing-Modells emissionsfreie Lieferfahrzeuge zur Verfügung zu stellen. „Das hat funktioniert“, so eine Sprecherin.

Tatsächlich habe es bis zu einer Auswertung im September 2020 26 Kundinnen und Kunden gegeben. In der gesamten Pilotphase seien mit den beiden Autos etwa 30.000 Kilometer zurückgelegt worden. Der Fahrzeugtyp für reine Paket- und Warentransporte sei dem anderen, mit dem auch vier Hotelgäste befördert werden konnten, vorgezogen worden.

„Für einen wirtschaftlichen Betrieb“ sei die Auslastung aber „deutlich zu gering“ gewesen. „Der konkrete Bedarf an solchen Sharing-Modellen scheint (jedenfalls derzeit) in Regensburg geringer zu sein als das vorhandene Interesse“, so bayernhafen.

Brücke fordert ein neues Sharing-Angebot

Anlass für Maltz-Schwarzfischers Rede vom „gescheiterten Projekt“ war ein Antrag der Brücke-Fraktion, „ein (kostenloses) Elektro-Lieferwagen-Sharing-System für Altstadtkaufleute zu implementieren“. „Akteursgespräche“ der Fraktion mit „Geschäftsleuten aus Einzelhandel und Gastronomie“ hätten gezeigt, dass „es durchaus Interesse“ gebe. Doch warum wurde das zwei Jahre vorhandene Angebot dann so wenig genutzt? Es sei zwar bekannt gewesen, aber die Interessierten hätten eigene Fahrzeuge zur Verfügung, heißt es dazu von der Brücke. Oder aber: „Das Angebot (wurde) durch mangelnde Sichtbarkeit im Straßenraum vergessen.“

Nachdem der Antrag zunächst ohne Debatte abgelehnt wurde, erklärte Maltz-Schwarzfischer auf Nachfrage von Irmgard Freihoffer (Die Linke) die Gründe für ihre Haltung. So habe das Stadtwerk seit Ende 2016 mit „Earl“ selbst ein E-Carsharing-Modell, das sieben Lieferfahrzeuge zur Nutzung biete. Diese seien zwar nicht kostenfrei, aber „das ist das einzige“, so Maltz-Schwarzfischer in Bezug auf die Unterschiede des Angebots. Deshalb habe sie die Ablehnung der Brücke-Forderung empfohlen.

Lieber Earl als ELSA

In der Tat ist Earl deutlich teurer als ELSA. Neben einer einmaligen Anmeldegebühr von 29,99 Euro zahlen die Kundinnen und Kunden neben einer „Unlock“-Pauschale von einem Euro pro Fahrt, 3,49 Euro die Stunde sowie 0,13 Euro pro Kilometer. Rabatte gibt es für RVV-Jahresabos und REWAG- und Glasfaser Ostbayern-Kunden.

Die Earl-Fahrzeuge „werden von den Regensburgerinnen und Regensburgern sehr gut angenommen und sind entsprechend ausgelastet“, so Maltz-Schwarzfischer im April dieses Jahres. Deshalb werde man die Flotte sukzessive um acht Autos auf insgesamt 20 erhöhen. Das Stadtwerk berichtet, dass zusammen mit dem Landkreis-Projekt KERL in 19.000 Fahrten über eine Million Kilometer gefahren worden seien. Wie viele davon Altstadtkaufleute gefahren haben, ist nicht bekannt.

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Kommentare (10)

  • Madame

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    Mir ist schleierhaft,warum elsa keinen erfolg hatte. Lieber teuerer und kräftiger zahlen ist mehr wert. Ein sprichwort bei den bayern. Tolle logik

  • Heinrich Kielhorn

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    Wer hat denn das Defizit im Ergebnis gezahlt? Wo doch die Auslastung für einen wirtschaftlichen Betrieb zu gering war?

  • Privatfrau

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    Ist das nicht ein grundsätzliches Problem des “Sharing” vulgo “Teilens”, dass – egal welches Produkt auch immer – gerade dann nicht zur Verfügung steht, wenn man es braucht? Gut. Das nimmt man einmal hin, gerne auch zweimal, ganz hartgesottene Überzeugungstäter vielleicht auch dreimal. Aber dann? Als Gewerbetreibender (und nicht nur als solcher) muss man doch – welch garstig Wort – wirtschaftlich denken. Und welcher Kunde ließe sich wohl wie oft und wie lange damit vertrösten, dass seine bestellte Ware gerade nicht ausgeliefert werden könne, weil der “ökologisch und politisch korrekte shared” Lieferwagen gerade nicht zur Verfügung stehe (Stichwort: Verlässlichkeit)? Aber bestimmt morgen oder nächste Woche :-). Ich wage mal zu behaupten: keiner.
    So what? ELSA war ein Pilotprojekt und ist gescheitert. Auch eine Erkenntnis.
    Steig ab, wenn dein Pferd tot ist ;-)

  • Martin Oswald

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    @ Heinrich Kielhorn: Das Projekt wurde finanziell vollständig von bayernhafen getragen. Im Vorfeld war die Rede von 80.000-90.000 Euro Aufwand. Das tatsächliche Defizit ist mir nicht bekannt.

  • JJ

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    Ich fande und finde es immer noch eine gute Idee. Wenn es der EH nicht braucht, weg damit! Vielleicht für kleine Transporte innerhalb der Stadt auf LastenEbikes anbieten? Sollten deutlich günstiger in der Anschaffung und im Unterhalt sein. Das könnte man dem EH sowie privaten nutzern anbieten.

  • Lisa

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    Ich bin oft In den Regensburger Parkhäusern, aber ELSA habe ich selten gesehen. War vermutlich unterwegs.

  • Bernd

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    Der einfache Part ist das Bereitstellen des bzw. der Autos.
    Der schwierige Part ist das Bereitstellen einer vernünftigen Buchung und die Koordination der Beteiligten. Bei Earl war zu Beginn der Einführung eine Buchung nahezu unmöglich, vor allem zu den attraktiven Zeiten.
    Dazu kommt, dass man immer sicherstellen muss, dass das Auto in einwandfreiem Zustand übergeben wurde – das kennt man ja von Mietfahrzeugen. Nur ist niemand vom Vermieter da, der selbst schnell alles checkt. Fehlt irgendwas? Ist irgendwo ein fetter Kratzer? Das stresst viele, die so einen Service nicht oft nutzen.
    Ich hatte auch den Eindruck, der Selbstbehalt bei solchen Problemen war höher angesetzt als bei so manchem professionellen Autovermieter. Das schmälert dann auch schon wieder die Lust darauf, mal schnell E-Mobilität für ein paar Euro auszuprobieren.

    Generell sind solche Projekte aber nicht schlecht, wenn man auch daraus lernt und offen darüber spricht, warum es nicht angenommen wurde.

  • Burgweintinger

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    @JJ
    LastenEbikes…., erstens kosten die sehr wohl eine Stange Geld, vernünftige Räder ca. 8.000 Euro, zweitens können diese nur ein “kleines” Gewicht (ich denke bei 200 Kg ist Schluß, weiss es aber nicht) fördern, das ist keine nachhaltige Lösung…
    Lieber den Piaggio Porter NP6 als E-Variante…

  • Oleg

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    Ich fürchte ich verstehe den Nutzen nicht ganz, könnte mich hier jemand aufklären?

    Das Auto steht in einem Parkhaus und kann nur durch die Altstadtkaufleute dort abgeholt, verwendet und wieder abgegeben werden, richtig?

    Ich gehe/ fahre also ins Parkhaus, hole das Auto, fahre in den Großhandel o.ä., besorge mir dort Waren, bringe diese Waren dann zu meinen Laden, bringe anschließend das Auto wieder ins Parkhaus zurück und gehe von dort aus wieder zu meinen Laden?

    Ist es nicht so, dass die meisten Waren sowieso von Lieferanten angeliefert werden?

    Für das Ausliefern von Waren (wer macht das überhaupt wenn es keine Kernkompetenz von ihm ist) müsste das Auto auch sehr Standortnaht zum Laden bereitstehen, oder?

  • Mr. T.

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    Sind die Altstadtkaufleute eigentlich noch gewinnorientierte Unternehmn oder werden sie schon als touristische Infrastruktur behandelt?

Kommentare sind deaktiviert

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