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Auf Messers Schneide

Fotos: Natalie Glas
Seit zwei Monaten läuft an der Uni Regensburg ein Gladiatoren-Projekt. Am Wochenende gab es ein besonderes Schmankerl: Martial-Arts-Genie Christian Eckert kam zu Besuch, um den Arenaanwärtern mal kräftig einzuheizen. „Ein Fuß hinter den anderen, bewegt euch federnd. Lasst euren Gegner niemals aus den Augen.“ Christian Eckert bewegt sich rückwärts in einem Achterbahnlauf um zwei Helme, die in der Halle verteilt sind. Technobeats erfüllen den Raum. Die Anwesenden lauschen gespannt seinen Anweisungen. Der 41jährige Hesse weiß, wovon er spricht. Seit er 13 Jahre alt ist, trainiert er Kampfsport. „Als mir Stefan Fromm von dem Projekt erzählt hat, habe ich mich sofort als Trainer angeboten.“ Jetzt sind die Gladiatoren dran. Jeder bewegt sich, wie der Trainer, schwenkt dabei locker die Waffe, um dem Gegenüber kein leichtes Ziel zu bieten. In den letzten beiden Monaten ist das Projekt ganz schön vorangekommen. Bis zu sechs Mal die Woche trainieren die Studenten Kraft, Ausdauer und Kampf. Dass da nicht jeder mithalten kann ist klar. Aber bis zum ersten Kampf im Juni ist noch etwas Zeit. „Die Gladiatoren wurden erst fünf Jahre geschliffen, bevor man sie in die Arena gelassen hat. Es waren Sklaven. Wenn jemand nicht gehorcht hat, wurde er einfach umgebracht. Das können wir nicht nachstellen.” Projektleiter Joseph Löffel, ein schwarzhaariger Historiker mit Brille und Jack-Wolfskin-Jacke, erklärt wo die Probleme liegen. „Unser Zielist es, nachzuvollziehen wie der Körper sich durch das Training und die Ernährung verändert.” Einige Übereifrige ernähren sich jetzt schon ausschließlich von Obst, Bohnen, Fladenbrot und Müsli. „Dass ich da nicht überprüfen kann, ob jemand mal ein Bier trinkt, ist klar. Aber ernst mit der Ernährung machen wir erst im August.“ Dann sollen die Studenten einen Monat lang wie echte Gladiatoren leben. Einschließlich Kasernierung, Essensumstellung und Kämpfen vor Publikum. „Jeder schnappt sich einen Partner von der Waffengattung gegen die er in Zukunft antreten wird”, fordert Christian Eckert (Foto) die Anwesenden auf. „Danach bewegt ihr euch umeinander herum, um zu schauen, welche Distanz optimal ist und wo eure Schwachstellen liegen.“ Der Kreis um den Trainer löst sich und bald stehen sich die Schwerbewaffneten gegenüber. Es wird mit Metallwaffen trainiert, nur der Dreizack und der Hoplomachus-Speer sind noch einfache Besenstiele. Kurzschwerter knallen an Säbel, Stöcke prallen an Schilder ab, jeder bewegt sich tänzelnd um den anderen. „Ballet, Football, Kampfsport – es ist immer der gleiche Körper, die gleichen Bewegungen“, erklärt Eckert. Auch Partnertanz mussten die Teilnehmer trainieren. „Damit ihr lernt, euch richtig zu bewegen.“ Ein lauter Knall erfüllt den Raum. Der zwei Meter große Benedikt hat mit seinen Besenstiel ein Schild durchbohrt. Verletzt wurde zum Glück niemand. „Die Schilde sind Schrott. Das ist nicht einmal Sperrholz, sondern nur mit Sprühkleber bedeckte Pressspanplatten.“ Eckert zerbröselt die entstandenen Splitter mit seinen Fingern. „Da brauchen wir dringend neue, bessere.“ Aber nicht nur die Schilde haben noch Macken. Auch die Rüstungen und Schwerter müssen angepasst werden. Zum Glück ist Stefan Fromm (Foto) anwesend. Der schwäbische Schmied hat schon mehrere Projekte begleitet. Seine Originalrepliken werden genau wie zur Römerzeit per Hand nachgestellt, mit eigens dafür verhüttetem Eisen. „Kämpfen kann man mit den Rüstungen im Moment überhaupt nicht. Die Scharniere sitzen falsch, die Visiere sind zu weit nach innen gedrückt. Wo eine Nietstelle hingehört, wurde angelötet. Da stimmt gar nichts.“ Aber der Schmied gibt sich zuversichtlich. „Ich krieg das alles schon hin.“

Für das Projekt gibt es keine Fördermittel von der Uni, alles müssen die Teilnehmer aus eigener Tasche bezahlen: Rüstungsersatz, Schaukampfwaffen, Kleidung, Essen und vieles mehr. Da kommen schnell mehrere hundert Euro pro Person zusammen. „Ich hoffe, dass wir ein Teil des Geldes durch die Kämpfe wieder zurückbekommen. Aber wir bräuchten dringend ein paar Sponsoren für Holzschwerter“, spekuliert Löffel. Am Ende des Trainings gibt es eine kleine Mediations- und Atemübung, dann verabschieden sich die Teilnehmer mit Hand aufs Herz und einer langsamen Verbeugung. Den meisten ist die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben, schon morgen soll es mit dem Lauftraining weitergehen. Christian merkt das und gibt seinen Schülern noch einen wertvollen Tipp mit: „Euer Körper kann nein sagen, aber ja zu sagen ist eine Frage des Willens.“

Mehr Infos:

http://blog.uni-r.de/2010/02/26/campus-kopf-der-uni-gladiator/ http://blog.uni-r.de/2009/10/22/brot-und-spiele-fuer-den-campus-die-alte-geschichte-sucht-gladiatoren/
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Kommentare (4)

  • tommy

    |

    Wurde ja auch endlich Zeit für richtige Brot und Spiele!

    Eine degenerierte, unsoziale und menschenfeindliche Gesellschaft wie die vorliegende schreit geradezu nach dem Aufwärmen alter mörderischer Herrschaftsriten.
    Dass es verwirrte junge deutsche Männer mit Unizulassung gibt, die offensichtlich kritiklos und “selbstaufopfernd” bei dieser, nichtmal pseudowissenschaftlichen, Mackerscheiße mitmachen, verwundert nicht.
    Dass die Universität ihre Räumlichkeiten und andere Mittel für solche “Selbsterfahrungen” hergibt, verwundert auch nicht.

    „Euer Körper kann nein sagen, aber ja zu sagen ist eine Frage des Willens.“

    Diese unkritische Erlebniserzählung “Auf Messers Schneide” verwundert mich dann, zumindest auf dieser Seite, zugegeben doch etwas.

    „Dass ich da nicht überprüfen kann, ob jemand mal ein Bier trinkt, ist klar. Aber ernst mit der Ernährung machen wir erst im August.“
    Viel Spaß!

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