Die Missbrauchsbeauftragte Birgit Böhm (Foto) ist nicht zu sprechen. „Alles was zu sagen war, wurde bei der Pressekonferenz mitgeteilt”, sagt Bistumssprecher Jakob Schötz. Und der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ergeht sich in Tiraden gegen missliebige Berichterstattung, vor allem des Spiegel (wie bei missliebigen Bloggern mit knapperem Budeget vorgegangen wird ist hier zu lesen).
Der Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen weitet sich unterdessen weiter aus.
Von einem „ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust” hatte der Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink – er war bis 1967 bei den Domspatzen – bereits am Wochenende gegenüber dem Spiegel gesprochen. Er berichtet vom Selbstmord eines Mitschülers kurz vor dem Abitur und bezeichnet es als „unerklärlich”, dass Papstbruder Georg Ratzinger, er war von 1964 bis 94 Chorleiter, von alledem nichts mitbekommen haben will.
Heute hat sich gegenüber der Welt ein weiteres Opfer offenbart. Manfred van Hove (65) berichtet von jahrelangem Missbrauch durch den Internatsleiter Friedrich Z.. Dieser habe sich in den 50ern einen kleinen „Harem” an minderjährigen Sängern gehalten. Van Hove will das Bistum Regensburg auf Schmerzensgeld verklagen. „Von einer Verurteilung erfuhr ich damals nichts. Ich wurde auch nie als Zeuge befragt”, sagt er zur Welt. Statt mit den Schülern zu sprechen, habe man die Täter beiseite geschafft.
Ein weiteres Opfer hat sich gegenüber der Bild-Zeitung geäußert. „Einmal lud mich Präfekt Z. zum Benediktiner-Likör ein. Als ich betrunken in mein Bett gewankt bin, kam er nach, hat mich gestreichelt. Auch Prügel waren selbstverständlich. Es gab immer sechs Schläge mit dem Rohrstock auf den nackten Hintern. Man hatte eigentlich immer Angst“, so der heute 68jährige.
Zu Wort melden sich auch Prügel-Opfer der Domspatzen-Vorschule in Etterzhausen. Ministerialdirigent Toni Schmid, er war von 1958 bis 1967 bei den Domspatzen, hat gegenüber der Abendzeitung regelmäßige Prügel durch die dort eingesetzten Priester bestätigt. Während Schmid das als „damals war das normal, pädagogischer State of the Art“ relativiert, sprach ein anderes Opfer gegenüber dem Spiegel von Nacktprügeln und Vergewaltigungen.
Unterdessen wehrt man sich am Domspatzen-Internat gegen den Eindruck, es gebe heute noch Missbrauchsfälle an der Schule. Die Elternbeiratsvorsitzende Irmgard Herzog Deutscher erklärte gegenüber dem Lokalsender TVA, sie kenne die Domspatzen seit 13 Jahren als Mutter. „Da ist nie was gewesen.” Beim Tag der offenen Tür am vergangenen Wochenende, wo die Medien kurzfristig ausgeladen wurden, sprach Domkapellmeister Roland Büchner von „lange zurück liegenden zu verurteilenden Vorgängen”, die man zwar auf das Tiefste bedauere, die aber „mit dem heutigen Geist, der in unserem Hause herrscht”, nichts gemein hätten.
Das Bistum will sich erst in zwei Wochen erneut zu den Vorfällen äußern.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat unterdessen dem Vatikan vorgeworfen, die Aufarbeitung des deutschlandweiten Missbrauchs-Skandals zu behindern. In vielen Schulen und Einrichtungen habe es eine Art Schweigemauer gegeben, sagte die Ministerin im Deutschlandfunk. Dabei zitiert sie unter anderem die von Josef Ratzinger 2001 verfasste Direktive, derzufolge Missbrauchsfälle ausschließlich dem Vatikan zu melden seien.