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Ein emanzipiertes Dornröschen

Zum 200sten Geburtstag von Franz-Xaver von Schönwerth hat der Kinderhort in der Schönwerth-Straße den Märchenerzähler Oliver Machander eingeladen. Der erzählte Geschichten des bekannten Volkskundlers, der für die Oberpfalz etwa den Stellenwert haben dürfte wie die Gebrüder Grimm für Deutschland. Aber warum sind Märchen so weit verbreitet?
„Und was sollte der Hans noch einmal alles machen?“ Mehrere Kinderhände heben sich in die Höhe. „Das Feuer anschüren!“, antwortet ein blondes Mädchen. „Richtig, das Feuer anschüren. Und was noch?“ „Petersilie in den Topf tun und…Porree.“ „Richtig, Petersilie und Porree in den Topf geben.“ Oliver Machander schließt seine Augen, er holt tief Luft und fährt fort, melodiös die Geschichte vom dummen Bauern Hans und dem gierigen Dorfpfarrer zu erzählen, welcher schon Hansens Brüdern das Hochzeitsgeld abgeknöpft hat. Der langhaarige Märchenerzähler trägt ein grünes Kostüm, neben seinem Stuhl ist ein kleiner Tisch aufgebaut, auf dem Symbole für die vier Elemente Feuer, Wasser, Sonne und Luft liegen. Ein geschwungener Efeustock liegt griffbereit und seine Märchenschale. Die ist auf seinen inneren Grundton abgestimmt und aus ihr zieht er die Ideen für seine Geschichten. Auch Bürgermeister Gerhard Weber (CSU) ist der Einladung der Hortleitung gefolgt und hat Platz genommen. Er spielt allerdings nur eine Nebenrolle. Den Kindern ist er sichtlich egal, sie folgen gebannt der Erzählung und lassen sich in die Märchenwelt entführen.

Märchen für Erwachsene?

Eine Theorie der Kulturwissenschaft besagt, dass das erste abendländische Märchen aus Indien stammt und es über Verzweigungen bis nach Europa geschafft hat. Aber worin liegt der Reiz solcher Geschichten, die immer mit „es war einmal“ beginnen? Oliver Machander, selbst Autor und Familienvater, hat folgende Erklärung: „Durch Märchen klingt was in uns an, eine Art Urvertrauen. In vielen Märchen steckt auch das tradierte Wissen der Ahnen.“ Da werde was Wichtiges weitergegeben, wie etwa in Grimms „Dornröschen“: Die zwölf goldenen Teller des Kindes würden das Sonnenjahr – ein Zeichen des Mannes – symbolisieren und das stehe den 13 weisen Frauen gegenüber, die das Mondjahr repräsentieren. Die Erkundung des Schlosses, bei Abwesenheit der Eltern, das Öffnen der schwerfälligen Tür im alten Turm seien Zeichen von Neugierde und Mut. „Das Spinnrad ist was urweibliches, etwas das ihr nicht zugestanden wurde und das spürt sie. Der Stich an der Nadel steht für die erste Menstruation und während sie schläft entwickelt sie sich vom Mädchen zur reifen Frau.“ Die Dornenhecke könne man als die weibliche Verlockung interpretieren, „nur der richtig Prinz wird hereingelassen und wenn er drinnen ist schließt sich die Hecke hinter ihm, er kommt nicht mehr raus.“ Erst nachdem er still genug ist, kann der Prinz Dornröschens Atem hören und die Schlafende finden, das könne für eine innere Besinnung stehen. „Ja und dann küsst er sie und alle sehen ihn im Vordergrund, dabei hat doch sie so viel erfahren, durchlitten und auch schon viel mehr Lebenserfahrung, als er.“ „Dornröschen“ ist in Wirklichkeit also keine Geschichte für Kinder, sondern zeigt den Kampf zwischen den Geschlechtern? Machander lächelt. „Alles erzähle ich Kindern nicht.“ http://www.maerchen-emg.de/ http://www.schoenwerth.de/
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