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Neues Team am Theater Regensburg

Ein „leider völlig normales Vorgehen“

 

Der künftige Intendant am Theater Regensburg hat sein Leitungsteam vorgestellt. Außerdem äußert sich Sebastian Ritschel zur Kritik an den zahlreichen Nichtverlängerungen.

Vergangenen Novemer hat der Verwaltungsrat des Theaters Regensburg Sebastian Ritschel als neuen Intendanten bestellt. Nun hat er sein neues Team vorgestellt. Foto: Pawel Sosnowski

Von Michael Bothner und Stefan Aigner

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„Der Übergang von insgesamt drei Intendanzen und einer Pandemie hat viele Abläufe des Kennenlernens und Miteinanders in den vergangenen Monaten nicht einfach gemacht.“ Es ist nur ein Satz, mit dem Sebastian Ritschel in einem Schreiben an die Beschäftigten des Theaters Regensburg auf die Debatte um die rund 40 Entlassungen („Nichtverlängerungen“) eingeht, in deren Verlauf der künftige Intendant harsch kritisiert wurde. Das Vorgehen möge „juristisch in Ordnung sein, menschlich und politisch aber unter keinen Umständen“, hieß es im Oktober von der Brücke-Fraktion, die Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer aufforderte, „diesem Treiben des Intendanten umgehend einen Riegel vorzuschieben und sich gegenüber dem Personal des Theaters klar solidarisch zu positionieren“.

Auch ein Großteil des künstlerischen Personals meldete sich wenig später in einem Offenen Brief zu Wort. Von „Bestürzung“ und „Ohnmacht“ war darin die Rede. Das grundsätzliche Recht, eines neuen Intendanten, die Verträge mit Schauspielerinnen und Schauspielern nicht zu verlängern, entsprechen „zwar leider der gängigen Praxis im Theaterbetrieb in den letzten Jahrzehnten, aber was war, muss nicht richtig sein.“ Zudem könne man „mit Arbeitnehmenden reden und sie nicht nur als Verfügungsmasse betrachten”.

„Kunst lebt nunmal vom Austausch und der Veränderung“

Antje Thoms wird neue Schauspieldirektorin und Nachfolgerin von Klaus Kusenberg. Foto: fsk photography

Ritschel spricht gegenüber unserer Redaktion von einem „leider völlig normalen Vorgehen“, das an jedem Haus in der Form stattfinde. „Ich wurde im Oktober 2020 nach Regensburg berufen mit einer bestimmten Programmausrichtung“, sagt er. Die bringe immer auch eine „neue personelle Aufstellung mit sich“. Kunst lebe nunmal „vom Austausch und der Veränderung“. Immer das Gleiche zu machen werde irgendwann langweilig. Auf seiner Seite hat er dabei die Theaterfreunde Regensburg. Deren Vorsitzende Uschi Michalke bedauerte die Nichtverlängerungen zwar sehr, sagte aber gegenüber unserer Redaktion auch: „Das ist die Theaterwelt. Der härteste Job der Welt.“ Und so müsse man die scheidenden Künstler schweren Herzens ziehen lassen und die neuen mit offenem Herzen empfangen.

Auf intensive Kommunikation will Ritschel zumindest nun setzen. „In den kommenden Wochen und Monaten werden wir weiterhin mit Ihnen in Verbindung treten (telefonisch, per Mail, per Video-Konferenz und – wenn es die Pandemie erlaubt – am besten sogar live vor Ort), um uns persönlich vorzustellen und nach und nach über die Pläne der kommenden Saison zu sprechen“, verspricht er in dem Schreiben an die Beschäftigten. „Eine detaillierte Präsentation der künstlerischen Ausrichtung und des Spielplans wird wie gewohnt im Frühjahr 2022 geschehen.“

Lebenspartner im Leitungsteam – nichts Ungewöhnliches

Wagner Moreira löst Georg Reischel als Chef-Choreograph ab. Foto: Sebastuian Hoppe

Neben dem gebürtigen Düsseldorfer werden vor allem drei Köpfe in Ritschels Leitungsteam das Theater Regensburg künftig prägen. Neue Schauspieldirektorin wird Antje Thoms. Die 45-Jährige war zuletzt sieben Jahre lang Hausregisseurin am Deutschen Theater Göttingen. Leiter der Tanzcompany sowie neuer Chefchoreograf wird Wagner Moreira. Der gebürtige Brasilianer war, ebenso wie Ritschel, bislang an den Landesbühnen Sachsen tätig. Neuer Chefdramaturg und Musiktheaterdramaturg wird Ronny Scholz. Der 40-Jährige arbeitet seit der Spielzeit 2016/17 als leitender Musiktheaterdramaturg am Theater Münster und fungiert dort aktuell zusätzlich als Operndirektor.

Diese Personalie Scholz hatte zuletzt für allerlei Geraune gesorgt. Ritschel und Scholz arbeiten nicht nur seit 20 Jahren zusammen, sondern sind auch verpartnert. Ritschel auf dieser Ebene anzugreifen bezeichnet ein Insider gegenüber unserer Redaktion aber als „unter der Gürtellinie“. Auch in Tübingen hat zum Beispiel 2018 ein Ehepaar, Peer und Dieter Ripberger, das Zimmertheater gemeinsam übernommen. „Das ist nichts Ungewöhnliches, auch wenn es angesichts der zunehmenden Debatte über die Machtverteilung an Theatern nicht mehr ganz zeitgemäß sein mag, seinen Partner in leitender Funktion unterzubringen.“

Mehr Inklusion

Ronny Scholz folgt auf die bisherige Chefdramaturgin Christina Schmidt. Foto: Oliver Berg

Ritschel spricht gegenüber unserer Redaktion von einem „Theaterverständnis, das dem bisher gängigen in Regensburg in vielen Punkten entspricht“, welches ihn und sein neues Leitungsteam verbinde. Allerdings wolle man auch eigene Akzente setzen. Der Ausbau und die Intensivierung partizipativer und inklusiver Formate seien dabei ein Thema. Sprachliche Barrieren dürften beim Zugang zum Theater ebenso wenig eine Schranke darstellen wie gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Ritschel bringt hier etwa Gebärdendolmetscher neben der Bühne ins Spiel. Mit solchen Vorschlägen würde der neue Intendant das Theater Regensburg zumindest auf einen halbwegs modernen Stand bringen – an Theatern wie Nürnberg oder Augsburg sind Gebärdendolmetscher bereits seit längerem Standard, ebenso eine Induktionsschleife für Hörgeräte.

Doch auch auf der Bühne will das neue Team mit einem inklusiveren Ansatz punkten. „Wir wollen in den Inszenierungen mehr Beeinträchtigte einbinden.“ Der künftige Chefchoreograf Moreira hat hier bereits Erfahrung und aktuell ein Stück mit Personen mit Down-Syndrom erarbeitet.

Neue Besuchergruppen

Generell will Ritschel neue Besuchergruppen für das Theater erschließen. „Womöglich mal einen Abend auf arabisch“, wirft er in den Raum. Das Theater auf die Straßen zu bringen oder in die Tiefgarage. Ein Ansatz, den die neue Schauspieldirektorin Antje Thoms im vergangenen Jahr während des Lockdowns erprobt hat. Den Bismarckplatz verstärkt nutzen, um aus dem Theater „mehr als nur einen Musentempel“ zu machen.

Thoms wie das gesamte neue Team sei in der künstlerischen Arbeit „sehr innovativ, was das Thema Teilhabe angeht“, so Ritschel. Genau deshalb habe er sich diese Köpfe an seine Seite geholt. Dabei wolle er keineswegs alles über den Haufen werfen, betont der 41-Jährige. Andererseits wolle er aber schauen, was fehle und gegebenenfalls ausgebaut werden könne. Insbesondere das Junge Theater hat Ritschel dabei im Auge: kleine Musiktheater, Konzerte, einen Tanzabend oder Puppentheater.

Kommentar

Inklusion, Teilhabe, raus in die Bezirke, Kindertheater. Bei allem Enthusiasmus, der aus Ritschels Worten spricht, wirkt dieses Konzept bislang nicht sonderlich innovativ, eher zurückhaltend, altbacken und wenig mutig. Das gab es an anderen Häuser schon vor über zehn Jahren. Tatsächlich beurteilen können wird man dies aber erst, wenn es an die konkrete Umsetzung geht. Abzuwarten bleibt auch, inwiefern er angesichts der Entfristungen, die in der Sache zwar ein üblicher Vorgang, in der Dimension aber doch außergewöhnlich waren, wieder Vertrauen zum Ensemble aufbauen kann. Doch dieses Problem gibt es angesichts der Tarif- und Beschäftigungssituation von Schauspielerinnen und Schauspielern an nahezu allen Häusern – das ist weder eine Lex Regensburg noch eine Lex Ritschel.

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Kommentare (10)

  • musis faventibus

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    Bemerkenswert ist auch, das zwar die Vorstellung der Leitung des jungen Theaters zu einem späteren Zeitpunkt angekündigt wird, andererseits aber die musikalische Leitung des Theaters, der/die GMD des Philharmonischen Orchesters, mit keinem Wort erwähnt wird.

    Wird der zum Ende dieser Spielzeit auslaufende Vertrag mit Chin Chao Lin verlängert?
    Oder wird es eine(n) Nachfolger(in) geben?
    Wie und wann soll eine Auswahl erfolgen? Oder gibt es bereits eine(n) Wunschkandidaten(-kandidatin)?

    Anscheinend werden das Orchester (die zahlenmäßig größte Künstlergruppe am Theater), der Chor und die Solistinnen und Solisten des Musiktheaters im Unklaren gelassen – sowohl was die Person angeht, als auch eine mögliche dramaturgische und programmatische Neuausrichtung, insbesondere der Konzerte, betreffend.

    Schließlich ist der Posten der/des GMD natürlich essentiell bei der Neuformung des Musiktheaterensembles – bei der Auswahl der zahlreichen neu zu engagierenden Sängerinnen und Sänger sollte die Expertise der/des musikalischen Leiterin/Leiters des Hauses eine gewichtige Rolle spielen.

    Man fragt sich, was das neue Leitungsteam mit dieser Art der ‘Nicht-Kommunikation’ kommunizieren möchte …

  • Herman Angst

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    “Der härteste Job der Welt.”? Again what learned.

  • Madame

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    Regensburg ist eine mittelgrosse stadt in bayern. Aber das theater hat schon viele gute kräfte zu grösseren bühnen vermittelt. Bei der stelle des intentanten muss natürlich der mensch passen. Das publikum ist zum teil noch sehr konservativ bis altmodisch. Neue ideen sind schwer durch setzbar. Obwohl ein frischer wind nicht schadet.Das der neue wieder sein eigenen leute mitbringt , gehört wahrscheinlich zum geschäft. Was passiert mit den langjährigen mitarbeiterinnen ? Wer abkömmlich ist, hat glück woanders zu schauen.
    Der chor und orchester vom theater sind eigentlich gut.

  • Dugout

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    ” Und so müsse man die scheidenden Künstler schweren Herzens ziehen lassen ……..”
    Vielleicht mehr der scheinheiligste Job der Welt?

  • Hugo Hofmann

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    Theater auf arabisch? Da wird die “Bude” aber voll sein! Haben schon einige Häuser probiert. Theater ist in der muslimischen Welt kein Thema, auch Migranten interessiert die westliche Theaterkultur nur sehr bedingt.
    Theater auf der Straße? Theater in der Tiefgarage? Klingt nach einem Ablenkungsmanöver, weil zu befürchten steht, dass die Zuschauerräume am Bismarckplatz und am Haidplatz nur unzureichend gefüllt sein werden.
    Teilhabe: Da wäre ein erster Ansatz, bei den teils horrenden Eintrittspreisen (in Regensburg weit über denen des Staatstheaters Nürnberg!) anzusetzen! Inklusive Theater-Produktionen sind teils schön völlig gescheitert, weil sie – gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht – nichts anderes waren als das Ausstellen von Behinderten wie weiland die unsäglichen Freakshows der Jahrmärkte.

  • Andrea Mink

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    Ich muss Musis Faventibus einfach zustimmen, das was jetzt geplant wird, ist in anderen Theatern schon lange selbstverständlich. Also, no rebel auf dem Posten.

    Schade, das Frau Michalke als Theaterfreundin kein Mitgefühl für die hat, die gehen müssen. Aus den Augen, aus dem Sinn, knallhart diese Ansage von einer Nicht-Fachfrau.

    Natürlich ist das Vorgehen probat, – leider, wie Ritschel selbst zugibt. Nur auf den Verein der Theaterfreunde zu bauen, finde ich etwas kurz gegriffen. Die Stadt ist doch relativ groß, da gibt es doch mehr Leute für einen modernen kreativen Support!

    Mich täte es freuen, wenn er die Arbeitsbedingungen gründlich unter die Lupe nehmen würde und das Thema Mobbing auf der Liste des Intendanten als Problem stehen würde. Viel Tabuisiertes schwelt in dem kommunalen Betrieb Theater Regensburg seit Jahren.

    Das System Regensburg hat nun mal mehr Dimensionen als viele wissen und das in vielen Gazetten bekannte, ist nur die Spitze des Eisbergs in dieser wunderschönen Weltstadt.

    Der Partner des Intendanten erhält auch einen Job. Big deal. Nun, ich hoffe, das dies nicht zur größtmöglichen Dankbarkeit und Liebedienerei gegenüber der Stadtverwaltung verpflichtet.

    Frischer Wind fühlt sich gerade etwas anderes an. Aber vielleicht bin ich zu beckmesserisch, – das hoffe ich jedenfalls sehr.

  • Artregbg

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    Hat es eigentlich schon jemand ausgesprochen?
    Sebastian Ritschel ist ganz einfach die falsche Wahl

  • Lisa Neumann

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    Hat sich Herr R. bisher mit dem Theater und dessen Angeboten befasst???
    Nicht nur gab es bereits einen Abend auf Arabisch (dem natürlich weitere Folgen dürfen, nur hat er hier das Rad nicht neu erfunden), noch dazu hat das JT in der Vergangenheit bereits Musiktheater, Tanztheater und auch einen Gebärdendolmetscher (bereits vor Corona) angeboten.

    Mit Verlaub, es wirkt so als hätte sich der designierte Intendanz bisher nicht im Geringsten mit dem Theater Regensburg auseinandergesetzt sondern einfach die Walze ausgepackt um nun alles platt zu fahren…

  • Alex

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    Was zahlt jeder Regensburger über die Steuern an das Theater? So in € und Cent? Ich finde es interessant, wie viel ich für das lustige Treiben dort abdrücken muss.

  • Hugo Hofmann

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    @Alex, das ist ein kleiner Bruchteil dessen, was wir alle, ob wie wollen oder nicht, für den SSV Jahn Regensburg ausgeben, und damit sind nicht nur die Polizeieinsätze jedes zweite Wochenende gemeint.

Kommentare sind deaktiviert

drin