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Rückschau Nachhaltigkeitswoche

Klimaschutz und die Drachen der Untätigkeit

Sieben Tage lang drehte sich vom 31. Mai bis 6. Juni alles um das Thema Nachhaltigkeit. Rund 150 Veranstaltungen gingen im Rahmen der dritten Regensburger Nachhaltigkeitswoche der Frage nach: Wie gelingt der ökologische und soziale Wandel und warum steht sich der Mensch dabei selbst im Weg? Eine kleine Rückschau.

Die ganze Woche über hingen XXXL-Shirts in der Altstadt. Sie sollten auf die Folgen der Kleidungsindustrie aufmerksam machen. Foto: bm

Es war ein vielfältiges und umfangreiches Programm, das das Netzwerk Nachhaltigkeit – ein Zusammenschluss von Studierenden der Regensburger Hochschulen – auf die Beine gestellt hat. In Vorträgen gingen bundesweit bekannte Größen wie der Physiker Dr. Harald Lesch und die Umweltaktivistin Carola Rackete den schon jetzt sichtbaren Folgen des Klimawandels nach. Workshops und Podien warfen einen Blick auf die individuellen Handlungsspielräume. Unternehmen gewährten einen Einblick in ihre Transforamtionsprozesse. Und auch außerhalb der digitalen Welt war das Thema im Stadtgebiet präsent. Laut der Psychologin Katharina van Bronswijk würden uns die „Drachen der Untätigkeit“ trotz besseren Wissens jedoch immer wieder vom Handeln abhalten.

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Der mittlerweile dritten Regensburger Nachhaltigekeitswoche – dieses Jahr erstmals in Kooperation mit der Stadt – lagen die 17 sogenannten Sustainable Development Goals (Nachhaltigkeitsziele) der Vereinten Nationen zu Grunde. Diese Ziele bilden den Rahmen der Agenda 2030 und sollen die Grundlage dafür schaffen, wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten. Klimaschutz, und das war eine zentrale Aussage vieler Veranstaltungen, darf nicht losgelöst betrachtet werden, sondern müsse in ein Gesamtbild eingebaut werden. Genau hier drohe bereits einer von dem Umweltpsychologen Robert Gifford erstmals erwähnten und von van Bronswijk aufgegriffenen Drachen: das begrenzte Handeln.

„Wir Menschen bescheißen uns gerne selbst.“

„Wir Menschen bescheißen uns gerne selbst“, so die Psychologin am vergangenen Dienstag in ihrem einstündigen Vortrag (dieser ist wie weitere Programmpunkte auf dem Youtube-Kanal des Netzwerk Nachhaltigkeit zu finden). Dadurch komme es oft zu eher symbolischen Handlungen. „Wenn man Menschen fragt, was sie für die Umwelt tun, dann sagen viele ‘Ich trenne den Müll’ und dann fühlt man sich gut.“ Dabei habe das allein noch kaum Auswirkungen. „Single-Action-Bias“, nennt das die Psychologie. Selbst nach kleinen Taten fühle sich der Mensch schon besser. „Das Problem drückt nicht mehr so und man hat einen Grund, sich selber einzureden, dass man was gemacht hat.“ Dieses Denken führe dann häufig zu Rebound-Effekten, wie van Bronswijk ausführt. E-Auto-Besitzer würden zum Beispiel mehr mit dem Auto fahren. Das steigere den Stromverbrauch und gehe dann wieder auf Kosten der Umwelt.

Die sieben Drachen der Untätigkeit. Quelle: Screenshot

„Es reicht nicht, nur eine technologische Transformation zu leisten“, sagt auch Harald Lesch. Laut dem bekannten Fernsehphysiker müsse auch der eigene Lebensstil angepasst werden. Nicht zuletzt aus Gründen der eigenen Gesundheit. Deshalb warnt der Mediziner Martin Herrmann – er referiert zusammen mit Harald Lesch: „Wenn wir die Bewohnbarkeit unseres wunderbaren Planeten stören oder gar zerstören, dann hat das unausweichlich Einfluss auf unsere Gesundheit.“ Allergene und Krankheiten würden sich bereits jetzt weltweit ausbreiten. Zudem gebe es immer häufiger Hitzetote und Herzkreislaufprobleme als Folge der hohen Sommertemperaturen.

„Bikiniwetter am Polarkreis“

Lesch warnt vor sogenannten Kipppunkten. Sollten diese überschritten werden, könne das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr eingehalten werden. Die abschmelzenden Gletscher Grönlands und des antarktischen Eisschilds seien solche Schwellen. Denn das dunklere Meerwasser nehme deutlich mehr Energie auf, als das weiße Eis. „Dadurch heizen sich die Meere weiter stark auf“ und würden übersäuern, erklärt der gebürtige Gießener die physikalischen Hintergründe. Korallen- und Tiersterben in den Ozeanen seien die direkte Folge. Zudem nehme künftig auch die Verdunstung zu. Und das treibe den Treibhauseffekt zusätzlich an, was wiederum zu vermehrten Extremwettersituationen führen werde.

Harald Lesch und Martin Herrmann sprachen über die Klimakrise als „medizinischer Notfall”.

Was dem Planeten droht, könne derzeit in Sibirien beobachtet werden. „Bikiniwetter am Polarkreis“, zitiert Lesch eine Schlagzeile der vergangenen Tage. Während in Europa der Sommer bislang auf sich warten lasse, „ächzt Sibirien unter einer Hitzewelle und Temperaturen um die 30 Grad“. Diese Wetterereignisse dürften sich nicht zu permanenten Klimaveränderungen manifestieren, mahnt der Experte. Sonst drohe im hohen Norden ein weiterer gefährlicher Kipppunkt. „Wenn der Permafrost dort oben auftaut, dann haben wir einen Kipppunkt erreicht, der die Erderwärmung nicht mehr aufhalten lässt.“ Durch Fäulnisprozesse würden tausende Tonnen CO2 freigesetzt werden. Dann müsse von fünf bis sechs Grad höheren Durchschnittstemperaturen auf der Erde ausgegangen werden. Darin sind sich Wissenschaftler mittlerweile einig.

Zu komplex, um selbst zu handeln?

Auch hier verhindere ein Drache der Untätigkeit bisher oft das Handeln. Der Mensch habe laut van Bronswijk nämlich nur eine „begrenzte Kapazität, sich mit Sorgen auseinander zu setzen“. Nach dem Motto „Wird schon gut gehen“ neige das Gehirn dazu, Probleme, je weiter weg sie erscheinen, auch nachrangig zu behandeln. „Wir beschäftigen uns seit 40 Jahren mit der Klimakrise“, sagt die Psychologin. In der Zwischenzeit seien aber immer wieder andere Krisen in den Vordergrund getreten. Zudem sei das „ganze Thema Klimakrise sehr komplex“. Da komme das Gehirn schnell an seine Grenzen.

Dass der Mensch alleine ohnehin nicht viel ausrichten könne, spiele ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Politik müsse die Bürgerinnen mehr einbeziehen und so „Handlungskontrolle und Selbstwirksamkeit“ ermöglichen, meint van Bronswijk. „Wenn wir uns den Umständen ausgeliefert erkennen – ‘Ich kann es selber nicht beeinflussen’ – dann fühlen wir uns nicht selbst zuständig.“ Je mehr Menschen Verantwortung für ihr Handeln übernähmen, desto eher springe der Funken auch auf andere über. „Niemand will zum Außenseiter werden.“ Daher sei es gut, dass das Thema Umweltschutz mittlerweile „trendet“.

Mehr Blick auf Menschenrechte gefordert

In vielen Bereichen fehlt es dennoch an der notwendigen Aufmerksamkeit, findet Carola Rackete. Laut der Naturschutzmanagerin würden gerade der Naturschutz und Menschenrechte noch immer nachrangig behandelt und nicht selten von Klimaschutzdiskussionen überlagert werden. Vergangenen Donnerstag fordert die 33-Jährige im Rahmen der Regensburger Nachhaltigkeitswoche einen konsequenteren Naturschutz und mehr Blick auf die Menschenrechte.

Im Thon-Dittmer-Palais installierte der Picture of Human Rights e.V. eine Ausstellung zum Thema Menschenrechte.

Mit ihrer kurzzeitigen Verhaftung in Italien am 29. Juni 2019 hatte Rackete weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Als Kapitänin des Rettungsschiffes Sea-Watch 3 hatte sie insgesamt 53 Geflüchtete aus dem Mittelmeer gerettet und trotz fehlender Genehmigung der italienischen Behörden die Insel Lampedusa angesteuert, wo sie unter Hausarrest gestellt wurde.

30 Prozent der Arten in Deutschland vom Aussterben bedroht

Die Welt befinde sich „aktuell im sechsten Massenaussterben der Arten“, sagt Rackete. Anders als in früheren Erdepochen seien diesmal jedoch keine Naturereignisse dafür verantwortlich, sondern die industrielle Übernutzung der Natur durch den Menschen. Überfischung, Landnahme wie in den Regenwäldern, die Zerstörung von Habitaten auch in Deutschland. 30 Prozent der in Deutschland bekannten Arten seien bereits 2015 vom Aussterben bedroht gewesen. Etwa die Hälfte sei zudem gefährdet. Weltweit sehe es kaum besser aus. Die UN diskutiere bereits, 30 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen. Ein guter Ansatz, findet die Nautikerin. Doch meist fehle es der Politik an einer konsequente Umsetzung.

Ein prägnantes Beispiel seien die 2010 von der UN beschlossenen Aichi-Ziele zur Verbesserung der Biodiversität. Dadurch sollten bis 2020 Ökosysteme und die Artenvielfalt geschützt werden. Im September wurde dann bekannt, dass keines der 20 Ziele erreicht werden wird.

Die Energiewende als Wirtschaftsmotor

Auch die renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Claudia Kemfert ist überzeugt: Ohne den politischen Rahmen werde die notwendige Transformation nicht gelingen. Sie setzt insbesondere auf den Ausbau der erneuerbaren Energieträger wie Wind – und Sonnenkraft. Dazu brauche es allerdings endlich mehr Fördergelder, weniger Bürokratie und regionale Bündnisse.

Kemfert sieht durch die bevorstehenden Veränderungen auch Chancen für die Demokratie. Wenn die Menschen stärker einbezogen würden.

Durch effizientere und ressourcenschonende Techniken, bestenfalls in Form einer Kreislaufwirtschaft, könne eine nachhaltige Energiewende bereits bis 2040 realisiert und fossile Quellen wie Öl und Gas sowie die Atomenergie zu hundert Prozent ersetzt werden. Davon ist Kemfert überzeugt. Gleichzeitig könne die Energiewende auch ein Weg aus der coronabedingten Wirtschaftslage sein. Tausende Jobs könnten in den entsprechenden Branchen neu geschaffen werden.

Oder doch eher rein in die Postwachstumsökonomie?

Carola Rackete hingegen sieht gerade in der Wirtschaftsform ein grundlegendes Problem. „Im aktuellen Wirtschafts- und Finanzsystem kommen wir zu keiner Lösung für die Biodiversität“, zitiert sie den Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen. Dessen IPBES Report hatte 2019 für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Die Verfasser prognostizieren darin unter anderem, bis 2050 könnten eine Millionen Arten weltweit ausgestorben sein. Es brauche dringend eine Abkehr vom „Paradigma des Wirtschaftswachstums“, ist auch Rackete überzeugt. Rund um eine mögliche Postwachstumsökonomie drehte sich am Freitag der Vortrag von Niko Paech, Professor für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen.

Die verschiedenen Veranstaltungen näherten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln den bevorstehenden Herausforderungen an. Wenngleich sich viele Inhalte und Forderungen wiederholten und es vor allem in den Vorträgen meist um globale Zusammenhänge ging. Regionaler ging es in den zahlreichen Workshops und Diskussionsrunden an den Vor- und Nachmittagen zu. Vom Thema Mobilität, über nachhaltige Lieferdienste, nachhaltiges Gärtnern auf kleinem Raum, bis hin zur heimischen Pilzzucht und Abfallberatung, behandelte die Nachhaltigkeitswoche auch viele Themen des Alltags.

Im Kampf gegen die eigenen Drachen

Ob die Drachen der Untätigkeit durch so eine Woche allerdings wirklich besiegt werden können, hängt laut Bronswijk letztlich davon ab, ob die Menschen aus ihren gefestigten Weltbildern heraustreten und Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen können. Die Politik müsse dafür die Rahmenbedingungen schaffen und regional die Menschen stärker miteinbeziehen. Das kommende Jahrzehnt werde am Ende entscheiden, ob die Menschheit den Wandel schaffen kann.

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Kommentare (14)

  • Ananas

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    „Bikiniwetter am Polarkreis“. Dann hätte Strauss sein Ziel wohl bald erreicht: Lieber würde ich eine Ananasfarm in Alaska errichten…

  • Harald Klimenta

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    Vor 30 Jahren erschien Ulrich Becks “Politik in der Risikogesellschaft”. Da steht eigentlich alles schon drin. Und was von den ökologisch Aktiven so falsch gemacht werden kann, ahnte er damals auch schon, hier mal fünf Zeilen daraus: ” … wachsen mit der Größe und der Nähe der Gefahr die Widerstände gegen die Einsicht in die Gefahr. Gerade die am härtesten Betroffenen sind oft die, die die Gefahr am heftigsten leugnen, leugnen müssen, um überhaupt weiterleben zu können. Das Bombardement mit apokalyptischen Visionen wirkt deshalb leicht kontraproduktiv, bestärkt Ohnmacht und Fatalismus. “

  • Hannes Eberhardt (ÖDP)

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    Und täglich grüßt das Murmeltier.

    Wir ÖAs (Ökologisch Aktive) machen einfach alles immer falsch. Wie der Herr Klimenta schon weise sagt wachsen die Widerstände, gegen das, was zu tun nötig wäre. Die ÖDP hat seit vielen vielen Jahren die Postwachstumsökonomie nach Niko Paech und auch die Gemeinwohlökonomie und die ökologische Steuerreform auf dem Schirm, doch das ist vielen vohl zu kompliziert, trotzddem wird es anders nicht gehen.

    Ich hab ehrlich gesagt nicht mehr soviel Lust, irgendjemanden davon zu überzeugen, weniger zu fliegen, verpackungsfrei einzukaufen, Bio-Lebensmittel wenn möglich aus der Region und am Wochenmarkt zu kaufen, Öffis und Radl nutzen, zu Fuß gehen und das eigene Land, die eigene Region, den eigenen Landkreis, die eigene Stadt oder unsere europäischen Nachbarn besser kennenzulernen, ohne für ne Woche schnell nach Thailand oder nach Jamaika zu düsen.
    Denn Mallorca kennen wir wie unsere Westentasche, aber in Straubing oder Altkötzschenbroda? Ne, da war ich noch nie. Was? Budweis? Iiiiiihhh.. das ist ja noch östlicher. Lieber geil mit Millionen anderen gleichzeitig am Markusplatz 9 Euro für den Cappuccino zahlen.

    Irgendwie ist es langsam müßig, solche Schauveranstaltungen wie die Regensburger Nachhaltigkeitswoche zu machen. Die Vorträge von Lesch, Kemfert und Rackete hatten zwischen 8 und 40 Zuschaltungen bei strahlenden Sonnenschein am Bildschirm, den wir wohl alle jetzt satt haben. Wer soll sich denn da noch auskennen, bei der Masse an wie vielen? 300? Veranstaltungen. Ganz vom nötigen Sitzfleisch mit Thrombosegefahr zu schweigen.

    Also, ich finde: Die Lösungen sind hinreichend bekannt. Jetzt muss auch die Politik auf wissenschaftlicher Basis entscheiden. Und Bürger hoffentlich mal gut und demokratisch die wählen, denen nicht der (Masken-)Profit und Posten wichtig sind, sondern denen am Herzen liegt, dass die Erde überleben wird, denn nur dann überleben wir. Und dazu haben wir alle unsere Wählerstimmen und Verbrauchermacht ausüben.

    Auch spielt dem Klimaschutz nicht unbedingt in die Hände, wenn jetzt in München Grün-Rot das 365 Euro-Ticket mit sinnfreier Begründung ablehnt oder die CDU im Bundesrat dem Glyphosat-Verbot nicht zustimmt. Und, liebe Grüne, warum um Himmels Willen steht bei euch kein Nein zu CETA mehr im Programm.

    Aber sorry, zu lang und zu viel. Danke Michael Bothner.

  • Rigold

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    ‚unsere europäischen Nachbarn besser kennenzulernen, ohne für ne Woche schnell nach Thailand oder nach Jamaika zu düsen‘
    ‚Bio-Lebensmittel wenn möglich aus der Region‘
    Ups! Und schon gilt man als in eine bestimmte Ecke angehaucht?
    Es ist alles nicht so leicht.

  • joey

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    Lesch “Verhalten ändern”: ich bestelle dann bei der nächsten Baustelle die Betonmischer Rikscha…. Als Wissenschaftler sollte man noch rechnen oder wenigstens schätzen können.
    Man nehme z.B. das Bevölkerungswachstum in Indien und Südostasien und die dortige KohleStromerzeugung, dann ist klar, von welchen Zahlen wir reden.

  • KW

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    Joey, Ihre Einstellung, dass man eh nichts ändern kann (besser: will), weil es überall anders noch viel schlimmer zugehe, ist weitestgehend bekannt. Diese Einstellung wurde in dem Artikel übrigens als einer der “Drachen” thematisiert.

  • joey

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    @KW
    Sie dürfen ja Fahrrad fahren wenn Sie wollen. Aber befehlen Sie es nicht anderen, die das auch teilweise nicht oder nicht sinnvoll können.
    In Berlin wird man sehen, was durch eine grünlinke Politik passiert: Individualmobilität nur für Reiche, die Krankenschwester aus dem Randbezirk oder gar aus Polen kommt einfach nicht mehr. Sie suchen sich anderswo bessere Lebensredite.
    Ach ja: jetzt heißt es dort auch schon “mittelfristig”. Also nur Sprüche zur Hebung der Moral der Moralkeuler für den Wahlkampf.

  • Piedro

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    Moin joey.
    In Berlin fährt bestimmt keine Krankenschwester mit dem Auto zur Arbeit, gleich in welchem Randbezirk sie wohnt. Das kostet entlos Nerven und reichlich Geld. Monatskarte ist billiger, und der Nahverkehr funktioniert bestens. Der Weg zur Arbeit ist für sie das geringere Problem, das größere liegt bei der Miete für die Wohnung. Es wird auch kein polnischer Pendler mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren (wird auch keinem “befohlen”), außer vielleicht in Guben.

    Bei dem Thema geht es nicht mal um Moral, sondern um Vernunft. Was spricht denn bitte gegen einen Ausbau der Öffis, gegen eine neue Struktur des Individualverkehrs, gerade in den Städten? In Münster kann man das sehr gut sehen: gutes Wetter – kaum Parkplätze in Wohngebieten, fast alle fahren Rad. Schlechtes Wetter – jede Menge Parkraum, dafür keine Kamikazeradler vor der Haube.
    In Regensburg: über eine Stunde Fahrt, schlechte Anbindung und Taktung, und teures Geld von einem Ort im Umland nach R., eine Viertelstunde mit dem Auto mit geringeren Kosten (nicht nur Sprit). Sinnvoll ist das nicht.

    Im Ruhrpott: Fahrradhighway zwischen den Städten, immer mehr nutzen den, weil sie schneller am Ziel sind, wegen Staus in den Stoßzeiten, und die Bewegung gesund ist. Wer nicht will muss ja nicht, aber viele begrüßen das und verzichten aufs Auto, was tatsächlich ein Umwelt- und Gesundheitsvorteil ist. Braucht man echt nicht schlechtreden.

    In Wien: überwiegend lebensgefährlich zu radeln, ist auch nicht nötig, wenn man sie die U-Bahn leisten kann, 3-Minuten-Takt zu Stoßzeiten, Anbindungen exquisit. Trotzdem gibt es Strecken, die für Radler ausgebaut wurden und siehe da: sie werden gern genutzt.

    In München: ist schon lange her (weia bin ich alt geworden!), aber nur für dem eigenen Ableben aufgeschlossene Personen zu empfehlen.

    In Kassel: anstrengend ohne Ende, es geht immer nur die halbe Strecke bergab, aber gut für die Waden.

    In Krefeld: super! Zwar nicht wirklich gut ausgebaut, aber es funzt, und manchmal ist man schneller als mit dem Auto.

    Kommt halt immer drauf an. Auch in Regensburg. Deshalb ist alles andere als falsch das Radeln attraktiv zu machen. Deshalb müssen Sie den Biozement ja noch nicht in der Badewanne anrühren und im Leiterwagen transportieren lassen. ;)

  • joey

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    @Piedro
    “wir zwei schon wieder”.-)
    Osteuropäer (z.B. von meinen Baustellen oder die Pflegerin von nebenan) fahren alle 2 WE nach Hause – mit dem Octavia Diesel.
    Der Bauarbeiter hat seine Kühltasche dabei … und der Ingenieur (ich) einen Haufen Meßgeräte, Lampen, Bauhelm, Pläne und Ordner auf dem Rücksitz.
    Viele Leute z.B. im medizinischen Beruf haben Dienst zu irgendwelchen Zeiten oder Bereitschaft zu Hause und müssen in 5-10 Minuten topfit im Uni Klinikum sein. Die können nicht auf den Bus warten…
    Die vielen Kubikmeter Schnitt meiner Sanddornhecke bringe ich nicht auf ein Fahrrad.

    Es gibt leider keinen nachwachsenden Biozement. Fast die gesamte Baubranche ist ein CO2 Emittent erster Klasse. Es gibt weder nachhaltige Fahrradwege (künstl. Bitumen, zementgebundener Unterbau) noch nachhaltige Fahrräder selbst. Aluminium, Reifen und Kabel haben energieintensive Herstellung, was auch für die Regenjacken und Schuhe gilt.

    Wir leben nicht nachhaltig, aber wesentlich nachhaltiger als Milliarden von (nach unseren Maßstäben) prekär wirtschaftenden Menschen von Pakistan bis zu den Philippinen. Dort wird billige und nachhaltige Energie gebraucht, die es leider noch nicht gibt.

    Wir brauchen einfach nur ein paar Jahrhunderte Geduld. Jeder Versuch, die Menschheit schnell zu reformieren endete bisher immer in Katastrophen. Religionen und Kommunisten haben es lang und oft genug versucht – jetzt treten ZDF Moderatoren und am Ende noch die ÖDP als Missionare auf.

  • Piedro

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    @joey
    “wir zwei schon wieder”
    Ist mir, wie immer, eine Freude.

    Ich bin auch nicht auf der Nudelsuppe in die Welt geschwommen. Ich bin in einem Jahr einmal um die Welt gefahren, km-mäßig, um mein Gewerbe zu betreiben. Die Grundstoffe für mein Produkt stammten aus einem Chemiewerk im Ruhrgebiet, abgefüllt in Plastikflaschen. Allerdings zu 98% biologisch abbaubar und mehr als zehnmal so ergiebig und wesentlich wirksamer als alle (sehr giftigen) Alternativprodukte, die erhältlich waren und sind. Die Anfahrt zu “meinen” Märkten betrug zwischen 50 und 600 km. Vom Hotel zu den Messen bin ich auch nicht geradelt. Aber: darum geht es gar nicht, und das wissen Sie selbst, denke ich. Weil keiner verlangt oder auch nur plant, hier Verbote auszusprechen, sondern Alternativen zu entwickeln, technologisch, strukturell, organisatorisch.

    “Wir brauchen einfach nur ein paar Jahrhunderte Geduld.”
    Jau, und für jeden Vegetarier ein goldenes Steakmesser. Die Ignoranz und Fehl-Tätigkeit der letzten Jahrzehnte hat das Zeitfenster nun mal geschlossen. Mit Glück bleiben noch wenige Jahrzehnte um das Schlimmste zu verhindern, aber eher nicht. In Südeuropa hat die Versteppung schon eingesetzt, Anbaugebiete werden bald verloren sein. Andere Teile des Kontinents werden von Unwettern, Trockenheit, Kälteeinbrüchen in verfrühte Vegetationsphasen etc gebeutelt. Und wenn man dann den Blick auf den Globus weitet wird es richtig übel. Meeresströmungen ändern sich bereits durch das Abschmelzen des Polarkreises, ohne Golfstrom wird es bei uns ziemlich ungemütlich. Über dem Äquator erhitzt sich das Meerwasser derart, dass warme Luft in hohe Regionen aufsteigt und sich nach Norden und Süden ausbreitet, das Resultat sind Stürme und anhaltender Starkregen. Wasserknappheit, Umweltgifte, soziale Verwerfungen, verlorene Lebensräume… Das wird so oder so schon richtig deftig. Da bleibt nur noch jetzt oder nie. Und ja, Herr joey, D-Land allein wird da nicht viel ausrichten können, das geht nur global. Also lassen wir jene den Anfang machen, von denen das am wenigsten zu erwarten ist? Eher nicht.
    In den letzten Jahrzehnten hat sich ja schon viel getan, technologisch und im Bewusstsein. In meiner Jugend wurden die “Körnerfresser” noch ausgelacht, heute kauft Mama Bioprodukte im Supermarkt. Der Strom kommt nach wie vor aus der Steckdose, aber im Idealfall nicht mehr vom AKW. Wir hätten noch viel mehr erreichen können, sehr viel mehr, haben aber darauf verzichtet. Das rächt sich jetzt richtig, ein halbes Jahrhundert Versäumnisse und Konzernpropaganda, egozentrische Wohlstandspolitik und so weiter, da bleiben keine Jahrhunderte mehr zur Besinnung, ob wir sie brauchen oder nicht. Und das liegt nicht an den “Entwicklungsländern”, die holen jetzt gerade mal auf und beanspruchen, was die Industrieländer seit Jahrzehnten als selbstverständlich erachteten.
    Auch wir können keinen konstruktiven Dialog führen, weil Sie, mein Eindruck, den status quo als haltbar erachten. Wir kommen nicht dazu auch nur zu überlegen, welche Einschränkungen und Veränderungen sinnvoll und umsetzbar wären. Das geht nicht, das bleibt, das wird gebraucht, und die erst! Das bringt leider nix.

    “Jeder Versuch, die Menschheit schnell zu reformieren endete bisher immer in Katastrophen.”
    Das läuft jetzt eh anders: Katastrophen “reformieren” die Menschheit. Nicht nur die Grundlage unseres Wohlstands, die globale Lebensgrundlage wird zerstört. Da müssten wir uns keinen Kopf mehr über Zement, Transport, Transport oder gar so abstrakte Konzepte wie Gerechtigkeit oder Humanität machen. Das hat sich in Kürze erledigt, dann gilt das Faustrecht. Militärisch starke Gruppen werden noch eine Weile Vorteile genießen, Wasserkriege für sich entscheiden, Ressourcen sichern und so. Aber das wird auch nicht nachhaltig sein. Wir haben die Barbarei nie ganz aufgegeben, wie ein Blick auf Bergbau, Handel, Produktion u.a. zeigt. Wir konnten schon immer damit leben, das Abermillionen Menschen im Elend verrecken. Mit ein paar Milliarden Elendstoten werden wir auch leben können. Im Waldviertel in Österreich fuhr mal ein Auto mit Spruch auf der Heckscheibe rum: Lieber Gott wir danken Dir, dass die Neger hungern und nicht wir. Das trifft es. So, wie wir uns damit abfinden, dass tausende Menschen im Mittelmeer ersaufen oder in der Sahara verrecken, wird es bald normal sein, dass EU-Drohnen, die für “urbane Konflikte” entwickelt wurden, in der “Wertegemeinschaft” die protestierenden und fordernden Massen zusammenschießen. Geliefert wie bestellt. Wir beide werden das vermutlich nicht mehr erleben. Die Gnade der frühen Geburt, ob unsere Nachkommen uns verfluchen kann uns wurscht sein, und den Maden, die uns fressen, auch. Deren Wertegemeinschaft ist glaubwürdiger als die menschlichen.

  • joey

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    @Piedro
    Huch, jetzt wirds aber apokalyptisch.
    Nichts blieb jemals wie es war.
    Ja, ich leugne brauchbare Drohnen seitens der EU Staaten.

    Soeben hat Carolin Ehmcke bei den Grünen behauptet, Kritik an den KlimaforscherInnen sei sowas wie die Judenverfolgung der Nazis. Es laufen eben einige Hirne heiß vor lauter Gletscherschmelze. Vielleicht schießen ja bald die Grünen in die Menge…

  • Piedro

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    Moin joey.
    “Huch, jetzt wirds aber apokalyptisch.”
    Tja. Wird es wohl.
    “Nichts blieb jemals wie es war.”
    Außer Bayern München.
    “Ja, ich leugne brauchbare Drohnen seitens der EU Staaten.”
    Nun, entwickelt wurden sie, speziell für den Einsatz bei “zu erwartenden Unruhen im urbanen Raum”. Wurde vor etwa 20 Jahren beschlossen. Zur Beobachtung und Bewaffnung. Ob sie gebaut werden, ob sie funktionieren, da wissen Russen, Chinesen, Amis und Dänen vielleicht mehr als wir.
    “…Kritik an den KlimaforscherInnen sei sowas wie die Judenverfolgung der Nazis.”
    So steht’s in der Blöd-Zeitungsschlagzeile. Das Zitat lautet: „Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen und die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“ Finde den Unterschied zur Gleichsetzung mit Judenverfolgung in Nazideutschland.
    “Vielleicht schießen ja bald die Grünen in die Menge…”
    Aber sicher doch. Mit Selleriekugeln und veganem Tränengas.

  • Jakob Friedl

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    Einladung zum FFF „Malkampf für das Klima“: Kommt ins Ribisl-Haus im Minoritenweg 23 und malt mit Lackresten auf werthaltigem und stabilem Recyclingmaterial ortsspezifische Plakate und Großaufsteller, die ab jetzt in der Stadt Regensburg und im Landkreis aufgestellt werden können. FFF Malkampfatelier in der Grünen Flora: 0176 97 87 97 27 Demnächst mehr unter: https://malkampf.de/

  • Julian86

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    Um im nationalen Rahmen diese laufende Dekade für eine Nachhaltigkeits-Umkehr wirklich zu nutzen (last chance laut IPCC), erscheint es unverzichtbar, die UNION in die Opposition zu schicken. Denn mit ihr und dem Herrn Laschet mag ein lausiges Weiter-so die überfällige Politik-Wende verhindern. Ein Blick auf das seit wohl 2008 von der CSU-geführte Verkehrsministerium mag genügen.

    Ja, der obige Hinweis auf Becks “Risikogesellschaft” möge dazu führen, dass alle Stadträte dessen weitsichtige Ausführungen studieren. Damit sie auch wissen, was sie (nicht) tun!

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drin