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Plädoyers im Prozess gegen Christian F.

Maria Baumer: Heimtückischer Mord oder „blöder Unfall“?

In einer neunstündigen Marathonsitzung wurden am Dienstag die Plädoyers beim Mordprozess um den Tod von Maria Baumer gehalten. Die Verteidigung fordert Freispruch, Staatsanwaltschaft und Nebenklage lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld.

Ein konfilktscheuer Narzisst mit pädophilen Neigungen ist Christian F. laut psychiatrischem Gutachten. Ob er auch ein Mörder ist, entscheidet das Gericht am 6. Oktober. Foto: om

„Ich kann die Öffentlichkeit nicht für den Angeklagten gewinnen, weil jeder sagt, das ist das letzte Dreckschwein.“ Rechtsanwalt Michael Euler wird deutlich, manchmal schweift er ab und nicht immer wird klar, worauf er damit hinaus will. Und insbesondere Nebenklagevertreterin Ricarda Lang geht manches dabei zu weit. Sie bezeichnet Eulers Plädoyer am Rande des Prozesses als „unwürdig und einem Strafprozess nicht angemessen.“

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„Strafrechtlich ist das gar nichts.“

In der neunstündigen Marathonsitzung, die die 2. Strafkammer des Landgerichts Regensburg am Dienstag absolviert – das psychiatrische Gutachten des Angeklagten wird abgehandelt, ebenso die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung – fordert Euler für Christian F. einen Freispruch. Der Tod von Maria Baumer sei nicht mehr gewesen als „ein blöder Unfall“.

Dass sein Mandant ihre Leiche am 26. Mai 2012 anschließend im Wald vergrub und deren Angehörige mit der Geschichte von Marias Verschwinden manipulierte – dafür Anrufe erfand, eine falsche Facebook-Nachricht und einen ebensolchen Brief schrieb, dass er den trauernden Verlobten mimte bis hin zu einem Fernsehauftritt bei „Aktenzeichen xy ungelöst“ – das sei zwar „eine Riesensauerei, moralisch unterste Schublade“, aber: „Man muss sich freimachen von der Vorstellung, dass so jemand ins Gefängnis gehört. Strafrechtlich ist das gar nichts.“

Staatsanwalt: „Christian F. ist ein pathologischer Lügner.“

Staatsanwalt Thomas Rauscher: „Von seiner Verzweiflung hat sich der Angeklagte schnell erholt.“ Foto: Archiv/om

Staatsanwalt Thomas Rauscher hat zuvor eine lebenslange Haftstrafe wegen heimtückischen Mordes für Christian F. gefordert. Er habe die völlig arglose Maria Baumer vergiftet, ohne dass sie überhaupt davon wusste, dass die Beziehung für ihn gescheitert war. „Sie hatte keine Chance.“ Insbesondere wegen des Nachtatverhaltens von Christian F. müsse das Gericht auch die besondere Schwere der Schuld feststellen, fordert Rauscher. Eine ansonsten mögliche vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren wäre damit ausgeschlossen.

Der Angeklagte sei ein „pathologischer Lügner“ und „zutiefst manipulativ“, so Rauscher. Deshalb sei die Einlassung, die Christian F. abgegeben habe, auch nicht brauchbar.

Über Rechtsanwalt Euler hatte der 35jährige kurz vor dem Ende der Beweisaufnahme eingeräumt, was ohnehin kaum noch zu bestreiten war: Dass er die Leiche seiner Verlobten im Wald vergraben und anschließend deren Verschwinden inszeniert hatte. Den tödlichen Medikamentencocktail – Lorazepam und Tramadol – soll Baumer nach dieser Version selbst eingenommen haben – wegen depressiver Stimmungsschwankungen und starker Rückenschmerzen. Weil er die Medikamente bei seiner Arbeitsstelle am Bezirksklinikum geklaut hatte, Angst um seine Arbeitsstelle und sein Medizinstudium gehabt habe, habe er sich in einer Stimmung von „unendlicher Trauer, gepaart mit Verzweiflung“ entschlossen, Baumers Leichnam verschwinden zu lassen.

„Löchrig wie ein Schweizer Käse“

Für Rauscher ist diese Erklärung „löchrig wie ein Schweizer Käse“. Sie habe einzig und allein den Zweck, den Blick auf die Indizien zu verschleiern. Und deren Gesamtheit lasse keinen anderen Schluss zu als heimtückischen Mord. Andere Szenarien wie Suizid, Körperverletzung mit Todesfolge oder die vom Angeklagten behauptete Unfallversion seien ausgeschlossen. Christian F. habe frei sein wollen für eine Beziehung mit seiner früheren Patientin Valerie S.

Weil er wegen seines Narzissmus, das ergibt sich aus dem ansonsten kaum erhellenden psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Susanne Lausch, nicht fähig sei, Konflikte offen auszutragen, habe er Maria Baumer ermordet anstatt die Beziehung mit ihr zu beenden. „Er kann ganz offensichtlich nicht offen Schluss machen. Er ringt um den bürgerlichen Schein.“

Dann listet Rauscher die verschiedenen Indizien auf – insgesamt 19 Punkte werden es am Ende sein. Den Nachweis der Medikamente in den sterblichen Überresten Maria Baumers, der Branntkalk, mit dem Christian F. sie überschüttet hatte und die Tatsache, dass auch Reste von Branntkalk in seinem Pkw gefunden wurden. Haare neben der Leiche, die laut DNA-Analysen mit hoher Wahrscheinlichkeit F. zuzuordnen sind. Der Spaten, der neben dem Grab gefunden wurde. F.s Google-Suchen („der perfekte Mord“, „Guillotine-Würgegriff“, „perfektes Mordgift“, „Lorazepam tödliche Dosis“etc.), die über Löschprotokolle ebenso nachgewiesen werden konnten wie die gefälschte Facebook-Nachricht, die F. sich selbst von Baumers Konto schrieb („Mein Schatz. Es tut weh. Verzeih mir, aber ich kann nicht anders.“). Einen fingierten Brief mit angedeuteten Suizid-Absichten.

Christian F. war von Valerie S. besessen

Der Staatsanwalt beschreibt die Obsession von Christian F. für seine frühere Patientin Valerie S. Wie und wann er sich – einen Monat vor Baumers Tod – deren Krankenakte besorgte, sich bei einer Verwandten über sie erkundigte. Wie er Fotos und Texte von und über Valerie S. und deren Familie aus dem Internet herunterlud und in verschiedenen Ordnern am PC sammelte. Wie F. sein späteres Stalking-Opfer über ein akribisch angelegtes Pseudonym aushorchte und zu manipulieren versuchte.

Wie er – keine drei Stunden nachdem er seine Verlobte tot im Bett gefunden haben will – eine Musik-CD für Valerie S. auf einen Datenstick herunterlud. Wie er tags darauf seine Ordner zu Valerie S. neu organisierte. Wie er sie wenige Tage später besuchte, ihr Nachrichten schrieb und sie auf ein von ihm eigens für sie angelegtes Tumblr-Blog hinwies. Wie er sich wenige Tage nach Maria Baumers Tod für ein Studium in Berlin bewarb, nachdem er erfahren hatte, dass Valerie S. womöglich dorthin ziehen wird. „Da hat er sich wirklich schnell erholt“, sagt Rauscher mit Blick auf die vom Angeklagten behauptete Verzweiflung über den Tod seiner Verlobten.

Staatsanwalt mit Lob und Selbstkritik

Immer wieder rückt Rauscher die akribischen Ermittlungen der Kripo in den Fokus, die nötig waren, um die Manipulationsversuche des Angeklagten aufzudecken. Etwa beim Spaten, wo erst eine Fahrt von Kripobeamten zum Hersteller nach Italien den Beleg brachte, dass es sich um denselben handelte, den der Angeklagte wenige Tage vor Baumers Tod in einem Baumarkt gekauft hatte. Zuvor hatte nach Rauschers Überzeugung ein Bruder des Angeklagten einen (nahezu) baugleichen Spaten auf dem Dachboden von Christian F. platziert, um diese Tatsache zu verschleiern.

Er habe nie mit einer besseren Ermittlungsgruppe zusammengearbeitet, sagt Rauscher an einer Stelle. Er übt aber auch Kritik an seiner eigenen Behörde. Damit, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Christian F. 2018 eingestellt habe, sei er „nie d‘accord“ gewesen. Auch auf diese Entscheidung sei es zurückzuführen, dass Baumers Angehörige zwei Jahre länger „leiden mussten“.

„Das hat das Leiden unserer Mandanten vertieft.“

Dieser Kritik an der Staatsanwaltschaft schließt sich Ricarda Lang, sie vertritt Baumers Angehörige, ausdrücklich und weitaus deutlicher an. Rauscher nimmt sie dabei ausdrücklich aus. Dieser sei ein „überaus penibler und detaillierter Staatsanwalt, der keinen Aufwand und Mühen gescheut“ habe. Ganz anders wertet Lang das Verhalten der Behörde im Vorfeld des Prozesses. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2018 sei „contra legem“ (gesetzeswidrig) gewesen. „Das hat das Leiden unserer Mandanten vertieft.“ Erst eine Weisung der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg habe dieses Verhalten beendet.

Ansonsten schließt sich Lang Staatsanwalt Rauscher in vollem Umfang an. Suizid oder fahrlässige Tötung könne ebenso ausgeschlossen werden wie die Unfallversion des Angeklagten. Maria Baumer habe nach Aussage aller vernommenen Zeugen einen vorsichtigen Umgang mit Medikamenten gepflegt. Für alles andere gebe es keine Anhaltspunkte. Auch Lang beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Die Tragödie für die Angehörigen sei „durch den Angeklagten und dessen Zynismus noch vertieft“ worden.

Verteidiger kritisiert Gericht, Staatsanwaltschaft und Medien

Strafverteidiger Euler, der kurz nach 15 Uhr mit seinem Plädoyer beginnt, holt weit aus. Er übt Kritik daran, dass sämtliche Plädoyers an einem Tag gehalten werden müssen – inklusive Anfahrt habe er bereits seit über zehn Stunden gearbeitet. Er rügt, dass Staatsanwalt Rauscher die Einlassung seines Mandanten als „Märchenstunde des Verteidigers Euler“ bezeichnet hat. Damit werde ihm unterstellt, dass er diese Einlassung erfunden habe – das bewege sich am Rande der üblen Nachrede. Und immer wieder klingt auch Kritik an den Medien durch, die solche Steilvorlagen der Staatsanwaltschaft dankbar aufgenommen hätten. Es sei nicht schön, was man dort und in den Kommentaren lesen müsse.

Weitschweifiges Plädoyer: Rechtsanwalt Michael Euler.

Tatsächlich habe er es mit einem Mandanten zu tun gehabt, der die Vorwürfe von Anfang an bestritten habe. Doch im Zuge der Beweisaufnahme sei das – zumindest was das Vergraben von Baumers Leichnam betreffe – „irgendwann ein bisschen schwierig zu glauben“ gewesen. Er habe deshalb ein intensives 20minütiges Gespräch mit Christian F. geführt. Und die Erklärung, die er schließlich abgegeben habe, sei „das, was Christian F. uns so gesagt hat“. Zwar dürfe das Schweigen eines Angeklagten nicht gegen ihn verwendet werden, aber es gebe eben auch Schöffen, die dadurch beeinflusst würden, nach dem Motto: „Wenn er es nicht war, warum sagt er es nicht.“ Deshalb habe man sich zu der Einlassung entschieden.

„Einen Fehler begangen – da kam er nicht mehr raus.“

Sein Mandant habe zu einem relativ frühen Zeitpunkt einen Fehler begangen, als er sich entschloss, den Unfalltod seiner Verlobten zu verschleiern. „Da kam er nicht mehr raus.“ Und auch wenn es für einen juristischen Laien schwer nachzuvollziehen sei: „Strafrechtlich ist das alles nichts.“

Die Staatsanwaltschaft habe „viel Dreck“ geworfen, in der Hoffnung, dass irgendwas schon hängenbleiben werde, aber was tatsächlich fehle sei ein belegbares Motiv. Auch dass sein Mandant „allen möglichen Scheiß gebaut“ und ein Verhalten „an Dämlichkeit nicht zu überbieten“ gewesen sei, spreche gegen einen geplanten Mord. „Ein abgebrühter Täter hätte den Spaten verschwinden lassen“, so Euler. Ein abgebrühter Täter hätte keine Anrufe, die es nicht gab, erfunden. Und ein perfekter Mord wäre es wohl eher gewesen, wenn Christian F. einfach den Krankenwagen gerufen, die noch vorhandenen Medikamenten-Blister verschwinden lassen und anschließend – falls die Substanzen im Blut Baumers festgestellt worden wären – gesagt hätte, er wisse nicht, woher diese stammen, argumentiert Euler.

Erklärungen für Google-Suchen

Die von Rauscher aufgezählten Indizien zieht der Frankfurter Strafverteidiger durchweg in Zweifel. Die Google-Suchen seien mit kriminalistischem oder medizinischem Interesse zu erklären und jener zum „Würgegriff“ oder „Guillotine-Würgegriff“ damit, dass Angehörige Baumers Judo betrieben hätten und sein Mandant das wohl deshalb mal eingetippt habe. Es sei aber auch schwierig, sich zu erinnern, woran man vor acht Jahren bei einer Google-Suche gedacht habe. Außerdem könnte man doch andere Suchen erwarten bei einem geplanten Mord. Aber nach „Leiche beseitigen“ oder dergleichen sei nicht gesucht worden. Auch kaufe man keinen Spaten per EC-Karte, wenn man vorhabe, damit eine Leiche zu vergraben.

Die psychische Situation von Maria Baumer zum Zeitpunkt ihres Todes sei „relativ desolat“ gewesen, so Euler. Neuer Job, Stress als neugewählte Landesvorsitzende der KLJB, schwere Regelbeschwerden, Stress wegen der bevorstehenden Hochzeit: Baumer sei depressiv gewesen, so sein Fazit. Da habe sie eben Tabletten genommen. Das könne man zumindest nicht mit Sicherheit ausschließen. Und dass Christian F. den Tod seiner Verlobten verschleiert habe, habe auch nicht zwangsläufig mit Mord zu tun. Das passe einfach zu seiner Erklärung.

Zwischen Avancen, Untreue und Junggesellenabschied

Ja, dass sein Mandant – noch während Baumers Leiche in der Wohnung lag – ein Musikalbum für Valerie S. heruntergeladen habe, das sei schon „ein bisschen schwierig nachzuvollziehen“. Aber es gehe eben jeder anders mit so einer Situation um. „Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll er in der Ecke sitzen und Trübsal blasen.“ Aber, so Euler, „irgendwie muss es ja weitergehen.“

Christian F. sei eben „ein bisschen verschossen“ gewesen in Valerie S. Natürlich komme es „im christlichen Bayern“ nicht gut, wenn man so etwas tue und kurz vor der Hochzeit stehe, aber: „Es findet doch jeder schön, wenn einem Avancen gemacht werden.“ Und die Bandbreite dessen, was man als Untreue definiere, sei breit. Da gehe jeder anders damit um. Und nicht umsonst komme es bei Junggesellenabschieden häufiger dazu, dass man mit einer anderen im Bett lande. Die Manipulation, das Aushorchen von Valerie S. via Pseudonym, das spätere Stalking und die Betäubung mit demselben Medikament, das zum Tod von Maria Baumer geführt hatte, blendet der Strafverteidiger dabei aus.

„Vielleicht in die Hölle, aber nicht ins Gefängnis“

Die Beweisaufnahme habe nichts ergeben, was Christian F.s Erklärung hätte entkräften können, ist Euler überzeugt. Und dass die Erklärung erst so spät abgegeben worden sei, habe einerseits damit zu tun, dass die Verteidigung diese sorgfältig abgewogen habe, andererseits habe man verhindern wollen, dass Zeugen dadurch beeinflusst würden. Diese Gefahr bestehe ja immer, wenn das Bild, dass sich ein Zeuge bereits gemacht habe durch eine solche Erklärung plötzlich ins Wanken gebracht werde.

Aber vielleicht habe sein Mandant ja auch bei der Erklärung gelogen. Vielleicht habe er ja einen Fetisch, die „Besamung schlafender Personen“ (das psychiatrische Gutachten verneint dies), und vielleicht habe er ja Maria Baumer betäuben wollen, nicht wissend, dass sie Tramadol genommen hatte und sie sei daran gestorben. Dann käme Körperverletzung mit Todesfolge als Tatvorwurf in Betracht. „Da würde auch alles passen“, so Euler.

Das Hauptproblem in diesem Verfahren sei eben, dass man einen Angeklagten habe, der bereits wegen sexuellen Missbrauchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden sei und der die Angehörigen jahrelang belogen habe. Ja, das sei eine Sauerei. „Dafür kommt man vielleicht in die Hölle, aber nicht ins Gefängnis.“

Konflikt innerhalb der Verteidigung

Weniger blumig fällt das Plädoyer von Pflichtverteidiger Michael Haizmann aus. Er hat das Mandat vor sieben Jahren, anlässlich der ersten Verhaftung von Christian F. übernommen. Es ist kein streng gehütetes Geheimnis, dass er über die Einlassung, die F. über Wahlverteidiger Euler abgegeben hat, nicht glücklich war. Und einen kleinen Seitehiebb für den Kollegen gibt es auch, als Haizmann erwähnt, dass die von Euler gewählte Formulierung, derzufolge Christian F. bei Valerie S. „seinen Marktwert testen“ wollte, „nicht besonders glücklich gewesen“ sei.

Auch dass man wohl eine andere Verteidigungsstrategie gewählt hätte, wenn F. sich früher geäußert hätte, klingt durch. Er habe sich immer schützend vor seinen Mandant gestellt, gerade auch vor dem Hintergrund, dass bei den Ermittlungen Dinge passiert seien, „die nicht ok waren“ und dass diese vonseiten der Kripo den „Charakter einer Hetzjagd“ gehabt hätten. Er müsse damit leben, dass er von Christian F. lange belogen worden sei. „Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.“

„Ein Beschuldigter darf lügen.“

In der Gesamtschau der Indizien komme er aber zu dem Schluss, dass der Mordvorwuf nicht zu belegen sei. „Zu jedem Indiz gibt es ein Aber.“ Auch gebe es kein tragfähiges Motiv. Christian F. habe als ein „vulnerabler Narzisst“ (so das psychiatrische Gutachten) bei Valerie S. nach Anerkennung gesucht, fishing for compliments betrieben. Dazu passe auch die Verwendung eines Pseudonyms. Dass er eine Beziehung mit ihr habe eingehen wollen, glaubt Haizmann nicht. Immerhin habe er Maria Baumer gegenüber Valerie S. als „Frau seines Lebens“ bezeichnet. Und sämtliche Zeugen hätten die Beziehung der beiden als harmonisch beschrieben.

Nicht glücklich mit der Einlassung von Christian F.: Pflichtverteidiger Haizmann. Foto: Archiv/as

Ganz grundsätzlich wisse man nicht, wie die 26jährige zu Tode gekommen sei. Man wisse nicht, welche Mengen der festgestellten Medikamente sie im Blut gehabt habe. „Und wenn man das nicht klären kann, darf man auch nichts unterstellen.“

Die besondere Schwere der Schuld, die Staatsanwalt Rauscher insbesondere mit dem manipulativen Verhalten des Angeklagten nach Baumers Tod begründet, sieht Haizmann nicht gegeben. Christian F. habe zwar „ein Konstrukt aus Lügen aufgebaut“, um das Verschwinden seiner Verlobten plausibel zu machen, aber Lügen sei ein probates und auch zulässiges Mittel für einen Beschuldigten, selbst, wenn dieser unschuldig sei.

Urteil am 6. Oktober

Auch Christian F. meldet sich am Ende nun erstmals mit ein paar Sätzen mit brüchiger Stimme zu Wort: „Ich will es kurz halten. Ich schließe mich meinen Verteidigern an. Ich weiß, dass ich mich dafür nicht entschuldigen kann. Aber ich bereue, was ich getan habe, all die Lügen, die ich bis zum letzten Kontakt aufrecht erhalten habe.“ Er wolle sich bei den Angehörigen seiner Verlobten, aber auch bei seiner Familie, vor allem seiner Mutter, entschuldigen.

Damit endet die Sitzung um kurz nach 18 Uhr. Das Urteil soll am 6. Oktober verkündet werden.

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Kommentare (14)

  • trantüte

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    Es ist mehr als verwunderlich was Euler und Haizmann da von sich geben. sehr sehr verwunderlich auch das Gutachten des Psychologen und der Psychiaterien: wenn eine Person zu solchen Straftaten (siehe Vorstrafen) fähig ist und 8 jahr lang alle belügt und betrügt und jede Nacht ruhig schlafen kann, dann ist er KRANK und müsste für immer weg (Behandlung oder Gefängnis). Was soll dieser denn machen, wenn er freigesprochen werden sollte? Glaubt irgendwer, daß er solch gruseligen Sachen (wie mit den Jungs und VS) nicht wieder macht und die ganze Welt weiter belügt

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  • Robert

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    RA Euler behauptet jenseits aller Realität und m.E. mit viel Verachtung für das Gewaltopfer V.S:
    „Es findet doch jede schön, wenn einem Avancen gemacht werden.“

    Euler bleibt so seiner, in meinen Augen, niederträchtigen Vorgehensweise treu und produziert sich im laufenden Mordprozess erneut auf Kosten der Frau, der Christian F. Gewalt angetan hat. Damals gestand F. seine Gewalttaten gegen V.S., er wurde seinerzeit rechtskräftig verurteilt. Ich finde Eulers Rede von Avancen einfach unglaublich und absolut widerwärtig – so gesehen passt er gut zu seinem Mandaten.

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  • Bjoern Pe

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    Ich bin kein Richter. Und auch kein Schöffe.
    Aber ich habe ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden.
    So viele Zufälle und erklärbare Indizien glaube ich schlicht nicht.
    Wir werden nie erfahren, was Maria Baumer wirklich widerfahren ist, und keine noch so geartete Strafe macht sie wieder lebendig.
    Jedoch hört sich die Version des Staatsanwaltes für mich sehr viel schlüssiger an, als die der Verteidigung.
    Und das “Nachtatverhalten”, also das herunter laden von Musik für eine neue, während die Partnerin tot in der Wohnung liegt ist für mich für einen unschuldigen unvorstellbar!
    Wäre meine Frau in unserer Wohnung verstorben, egal an was, ich hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, aus verzweifelter Hoffnung ich bekäme sie zurück.
    Ein Freispruch würde mein Rechtsempfinden empfindlich und nachhaltig schädigen!

    Egal wie es ausgeht: Möge die Familie von Maria Baumer inneren Frieden finden.

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  • Stefan Aigner

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    @Robert

    Mein Fehler, auch wenn es nicht sehr viel ändert. Das Zitat lautet: „Es findet doch jedeR schön, wenn einem Avancen gemacht werden.“

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  • Hthik

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    @30. September 2020 um 15:50

    Ein Anwalt hat die Pflicht, das Beste für seinen Mandanten rauszuholen. Wenn er sich damit selbst als Sexist darstellt, dann geht das an die Grenze des Möglichen, ist aber erlaubt. Nur wenn er selbst Sexist ist, greift das Argument “Ich kann den Angeklagten da gut verstehen, so denkt der, dass erklärt seine merkwürdigen Handlungen, er ist deswegen aber genausowenig Mörder wie ich”

    Was er sich hätte sparen können, war, die Zeugen aufzubieten, was für ein netter Kerl der Angeklagte ist. Dazu müsste der ein unbeschriebenes Blatt sein, so dass sich die Frage “Ist das ein Psychopath, der sich gut verstellt, oder wirklich ein netter Kerl” überhaupt stellt. Das ist bei der Vorgeschichte aber kaum der Fall.

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  • R.G.

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    Der Fall Maria Baumer stellt neben der Klärung der individuellen Schuld die Frage, wie weit ein möglicher Einfluss von Burschenschaften, Bünden oder Netzwerken in Bayern grundsätzlich reichen könnte. Bis in Ermittlungsbehörden und Gerichte?
    Ein Urteil, das so auch einen mittellosen Menschen treffen würde, kann von der Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden und Gerichte wieder überzeugen.

    Ich schickte Herrn Aigner zu einem frühen Zeitpunkt Links mit mich erschütternden Inhalten aus einem Forum, in dem sich sowohl ein User, der sich als C.F. ausgab, ein ihn verstärkender engerer Kreis, als auch ein Privatdetektiv aufhielt. Der Prozess brachte nichts ans Licht, was nicht schon aus den Postings zu erahnen gewesen wäre, eher ist es weniger.
    Die Staatsanwaltschaft hätte wahrscheinlich zum Nachtatverhalten den schaurigen Auftritt am Verscharrungsort und einige ungünstige halböffentliche Äußerungen zählen können, sie verzichtete auf jegliche darauf gewiss folgende Stimmungserzeugung und konzentrierte sich statt dessen auf die klassischen Hinweise.
    Einige Menschen haben dazu beigetragen, dass die Ermittler endlich in ihrer Arbeit nicht mehr wie gebremst wurden, Frau V. S. die den sie befragenden Polizisten vertrauensvoll berichtete,;
    Nebenanklagevertreterin Ricarda Lang mt ihrer Bitte an den Generalstaatsanwalt; die Schwammerlsucher, einige wenige Redakteure.
    (Ich sähe eine eventuelle Belohnung gerne zwischen V.S. und den Schwammerlsuchern aufgeteilt).

    Offene Fragen:
    1.) Verteidiger Euler führte an, es bruchte große Mengen Wasser, wenn C.F. seine tote Verlobte mit Kalk zersetzen hätte wollen. Ich verweise auf die Möglichkeit einer Kalk-Kaltlöschung, bei der man mit geringen Wassermengen auskommt. Zu der Technik hätte man wohl noch eine Schaufel oder einen Rechen mitgenommen, und so könnte das Vergessen des Spatens leicht passieren.
    2.) Beim Plädoyer des Staatswanwalts war vom Pornokonsum des Angeklagten die Rede, 20% wären ???? Themen gewesen.
    Das wäre doch sehr wichtig, es nachzulesen. Steht da etwa “delirante”? Im Live Ticker las ich zuerst “deliante”, es wurde auf “dilettante” ausgebessert. Ich meine, das wäre sehr erhellend, hier noch zu präzisieren.
    Grundlos wird Verteiger Euler die Worte “Besamung Schlafender” ja nicht eingebracht haben, das muss auf etwas fußen.

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  • Stefan Aigner

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    @RG

    Das Wort war „deviant“ (abnormal).

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  • R.G.

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    @Stefan Aigner
    Dankeschön für die schnelle Klärung.
    Das Wort “abormal” war es also.

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  • Veilchen

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    Die herablassende und völlig entwürdigende Sprache des Rechtsanwalts _Euler grenzt schon fast an Beleidigung. Egal wie Maria B. zu tode gekommen ist (versehentlich oder absichtlich zu viel Medikamente genommen, versehentlich oder absichtlich zu viele Medikamente verabreicht bekommen, Herzinfarkt u.s.w.) handelt es sich dabei um einen äußerst tragischen Unfall, ein äußerst tragisches Unglück. “Blöd” kann kann hier nur mit einer anderen Person im Saal verknüpft werden.

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  • R.G.

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    Spätestens nach der Einlassung des Angeklagten und der Bekanntwerdung der Suchbegriffe bis hin zu “Besamung Schlafender” hatte ich erwartet, dass einige ausgewiesene Anhänger Wolbergs sich ehrlich und entsetzt entschuldigen würden, weil sie den Politiker in einem mir damals schon unsäglichen Vergleich wiederholt als gleichermaßen unschuldig verfolgt hingestellt hatten wie den Angeklagten im Fall Maria Baumer.
    Musste das wirklich sein, dass man, nur um eine Verschwörung behaupten zu können, zwei völlig unterschiedliche Causen miteinander verbindet? Ich bin absolut kein Anhänger des vorigen Oberbürgermeisters, aber das hat er nicht verdient, so ein verqueres Fanverhalten zu seinem letztlichen Nachteil. Herr Wolbergs, ich entschuldige mich bei Ihnen stellvertretend.

    Zu Rechtsanwalt Euler möchte ich sagen, seine Wortwahl finde ich unsäglich, dennoch steht auf seiner Plusseite, seinen Mandanten dazu gebracht zu haben, wenigstens die Einlassung verlesen zu lassen. Damit zeigt er doch, dass er für C.F. engagiert tätig war.Ich glaube für den Anwalt sogar, dass er vom Unschulds-Charme des Angeklagten lange Zeit angetan war.
    Es wirkte für mich insgesamt, als hätte der Verteidiger wenig Handlungsspielraum erhalten.

    Es hilft es den Angehörigen, so schauerlich es ist, nun wenigstens ungefähr zu wissen und nicht nur sicher zu ahnen, was am Tag nach Marias Tod mit ihr geschah.

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  • Mr. T.

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    R.G., in Ihrem reichen Schatz an Erfahrungen, Begegnungen und Anekdoten verwischen gelegentlich Fiktion und Wirklichkeit. Das war die Unschuld von Mollath, mit der Wolbergd in Bezug gesetzt wurde.

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  • R.G.

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    Herr
    M.T.
    Sie dürfen gerne ein wenig gemein gegen mich schreiben, wenn Sie sich dadurch besser fühlen.
    Ich weiß ganz sicher, wer die Vergleiche zwischen den zwei so unterschiedlichen Fällen zog.

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  • Lutherer

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    Vergleiche sind ob individueller Schuld immer doof. Die Verbindung der beiden Fälle kommt von einer Aussage im Wolbergsprozess: dabei soll ein Polizist laut eines Zeugen am Stammtisch gesagt haben: erst schnappen wir uns den Mörder von Baumer, dann den Wolbergs.

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  • R.G.

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    @Lutherer
    Nö, das wäre nur eine Reihenfolge von Tätigkeiten.

    Ich meinte die unsäglichen Vergleiche, wonach man es bei beiden Fällen politisch motiviert sah, dass – angeblich grundlos – überhaupt ermittelt worden sei.

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