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2005 erwarb sich der Regensburger Putzunternehmer und Runtinger-Preisträger Karlheinz Götz an der Universität Oviedo einen Doktor-Titel. Doch nicht nur der Promotionsort kommt einem bei näherer Betrachtung spanisch vor. Nachtrag: Am Mittwoch erhielt Götz übrigens das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Mit dem Doktortitel einen Lebenstraum erfüllt: der Unternehmer Karlheinz Götz (rechts, bei der Verleihung der Runtinger-Medaille der Stadt Regensburg). Foto: Archiv/ Liese

Mit dem Doktortitel einen Lebenstraum erfüllt: der Unternehmer Karlheinz Götz (rechts, bei der Verleihung der Runtinger-Medaille der Stadt Regensburg). Foto: Archiv/ Liese

Als der Regensburger Stadtrat im Herbst 2013 den Preisträger für die nicht allzu bedeutsame Runtinger-Medaille beschloss, waren nicht alle damit einverstanden. Gewiss sind solche Unstimmigkeiten nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal vorgekommen. Üblicherweise kräht kein Hahn danach.

Es sei denn, der Widerspruch zielt auf eine Person, die derart polarisiert, wie der Putzunternehmer Karlheinz Götz es tut. Da entrüsten sich die Befürworter und Gegner. Eine untertänige Lokaljournalistin hält die Fahne des Unternehmers Götz hoch, am liebsten würde sie die Zustimmungsverweigerer der Stadt verweisen.

Weil Dr. Karlheinz Götz seine Doktorwürde 2005, als er als Chef einer mittelständischen Holding AG eigentlich vollends ausgefüllt gewesen sein dürfte, nebenbei erworben haben soll, ist es an der Zeit, seine Dissertation kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Promotion gerne – aber wie?

Die Kriterien, die üblicherweise an eine Dissertation gelegt werden, sind spätestens seit dem Scheitern und Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg gemeinhin bekannt. Es müssen Forschungslücken zunächst benannt und dann mit eigenen wissenschaftlichen Leistungen geschlossen werden. Der dafür notwendige Aufwand kann stark variieren, in historischen Fakultäten beispielsweise ist ein Doktortitel kaum unter einem dreijährigen Fulltime-Job zu erreichen. In anderen Fachbereichen oder im Ausland kann es auch schneller gehen – vom schnöden Titelkauf ganz zu schweigen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Möchtegern-Doktores etwa an österreichische oder osteuropäische Universitäten wechselten, weil sie hierzulande die Voraussetzung für eine Promotion nicht erfüllen konnten. Auch Karlheinz Götz hätte als studierter Volksschulpädagoge in Deutschland wohl nicht promovieren können. Als damals 64jähriger Chef von rund siebzig Tochterfirmen konnte er sich seinen Herzwunsch dennoch auf außergewöhnliche Weise erfüllen, wie die Wirtschaftszeitung im Dezember 2011 zu berichten weiß:

„Er lernte einen Professor von der Universität Oviedo kennen, der ihm anbot, eine Doktorarbeit über die Entwicklung des Schulwesens in der Oberpfalz zu schreiben.“

Welch ein verführerisches Angebot, das nach Sie wollen promovieren – wir regeln das für Sie! klingt. Wer kann so ein Promotions-Schnäppchen ausschlagen? Götz konnte nicht.

Die Umstände kommen einem spanisch vor

Wer in Spanien nach seinem Studium promovieren will, muss zunächst generell Vorbereitungskurse mit mindestens 320 Stunden innerhalb von zwei Jahren absolvieren – so eine GEW-Studie von 2004. Ob Götz sie durchlief, ist nicht bekannt. Jedenfalls erwarb er sich im Juni 2005 den Doktortitel an der Anfang des 17. Jahrhunderts vom Erzbischof Oviedos gegründeten Universität. Sein zeitlich und örtlich ausschweifendes Thema: Die Entwicklung des Schulwesens in der Oberpfalz und in der freien Reichsstadt Regensburg bis 1810 sowie in Salzburg bis 1816.

diss2Das deutschsprachige Werk liegt nicht in Druckform und nur im Eigenverlag ohne ISBN-Nummer vor. Es wurde – wohl ohne Veränderungen – von einer Dolmetscherin ins Spanische übersetzt und von Frau Prof. Dr. María del Rosario Piñeiro Peleteiro als Dissertation angenommen. Seine Doktormutter lehrte bis 2005 Didaktik des Geographie-Unterrichts und Geschichte von Oviedo. Dass die spanische Professorin einschlägige Kenntnisse vom Oberpfälzer, Regensburger bzw. Salzburger Schulwesen haben könnte, ist nicht anzunehmen. In der Götzschen Literaturliste gibt es dafür jedenfalls keinerlei Hinweise, irgendwelche Werke der Doktormutter tauchen darin nicht auf.

Wer sich mit der extraordinären Doktorarbeit von Götz befasst, ist schon nach einer kurzen Überblickslektüre zu einer Entscheidung gezwungen. Soll man sie mit unwirschem Kopfschütteln weglegen oder doch irgendwie ernstnehmen? Nicht zuletzt weil Götz neulich mit der Runtinger-Medaille der Stadt Regensburg ausgezeichnet wurde, ist ein gewisses öffentliches Interesse an seiner Arbeit gegeben. Nur, wie kann man eine jenseits aller Konventionen und offensichtlich ohne wissenschaftlichen Anspruch geschriebene Arbeit besprechen? Wie macht es überhaupt Sinn, davon im Einzelnen zu berichten? Bevor gewisse Kapitel und Auffälligkeiten inhaltlich näher analysiert werden, zunächst zu formalen und strukturellen Merkmalen der Arbeit.

Aufgeblähter Satz, leere Seiten, keine eigene Forschung

Schlägt man das Werk auf, sticht einem der großzügige Satz direkt ins Auge. Die Ränder, der Satz und der Zeilenabstand sind so überdimensioniert, dass Götz für den Inhalt einer regulären maschinenschriftlichen Seite etwa zwei Seiten braucht. Äußerst ungewöhnlich sind die zehn gänzlich leergebliebenen Seiten, die trotzdem durchnummeriert wurden. Für sein mickriges und aus unerfindlichen Gründen zweigeteiltes Literaturverzeichnis aus je 32 Werken braucht er sage und schreibe zwölf Seiten. Zieht man das siebenseitige Inhaltsverzeichnis und den teilweise unverständlichen Anhang ab, bleiben von den 303 Seiten noch knapp 250 Textseiten übrig. Würde man diese gemäß den Prüfungsordnungen der hiesigen Universitäten abtippen, wären etwa 110 Seiten zu füllen. Eine ausführlichere Magisterarbeit im Fach Geschichte kann umfangreicher sein. Soweit zu den Größenverhältnissen, die alleine freilich noch nichts über die Qualität aussagen.

Was schon von einer Magisterarbeit erwartet wird, nämlich auch primäre Quellen oder Archivalien heranzuziehen, auszuwerten und zu diskutieren, gilt selbstverständlich auch für eine Dissertation. Götz stellte jedoch für seine Promotion keinerlei erkennbare Archivforschungen und Auswertungen an. Eigenständig untersuchte er keinerlei Primärquellen, wie etwa die Schulordnung der Kuroberpfalz. Bereits aus dieser formalen Betrachtung ergibt sich der Befund, dass Götz über eine bloße Literaturzusammenfassung nicht hinausgekommen ist.

Eine Dissertation ohne Fußnoten

Was ebenso unmittelbar auffällt und nachhaltig irritiert, ist das Fehlen eines Fußnotenapparates. Dieses Vorgehen scheint Götz insofern keinerlei Probleme bereitet zu haben, da er ohnehin jegliche Diskussionen, Querverweise bzw. weiterführende Analysen unterlässt. Wenn Götz zitiert, tut er dies mit Hilfe eines Klammerschemas. Dieses besteht aus einer Ziffer, die für einen im Verzeichnis durchnummerierten Literaturtitel steht, und – nach einem Schrägstrich – einer Seitenzahl für die Textstelle der jeweils herangezogenen Literatur.

Ellenlanges Zitieren und Klammerschema.

Ellenlanges Zitieren und Klammerschema.

Wer nicht aufpasst, gerät durch diese befremdliche Zitierweise leicht ins falsche Literaturverzeichnis, da die Nummern 1 bis 32 zweimal vergeben worden sind. Vermutlich gibt es keine weitere historisch gehaltene Dissertation, die auf einen Fußnotenapparat verzichtet. Schon anhand dieser gravierenden Mängel und der vielfältigen Abweichungen vom üblichen Standard wird deutlich: Die Arbeit von Karlheinz Götz ist alles andere als eine eigenständige wissenschaftliche Dissertation zur Geschichte des Schulwesen.

Ein Vergleich

Wie eine sinnvolle Eingrenzung eines Themas aussieht, hätte Karlheinz Götz an der Dissertation von Reinhard Jakob Schulen in Franken und in der Kuroberpfalz 1250 – 1520 (1994) ablesen können. Jakob beendet seinen Untersuchungsgegenstand sinnvollerweise vor den epochalen Umbrüchen durch die Reformation um 1520 und behandelt wohl begründet nur die Kuroberpfalz und Franken. Da die Arbeit von Jakob den üblichen Konventionen entspricht und thematische Überschneidungen mit der von Götz aufweist, bietet sich ein direkter Vergleich an.

Dass das Heranziehen und Auswerten von Primärquellen wichtig und notwendig für eine historisch gehaltene Arbeit ist, zeigt sich daran, dass Jakob über 150 ungedruckte Quellen aus 40 Archiven anführt. Götz hingegen kann nichts dergleichen anführen. Während Jakob im Literaturverzeichnis über 700 Titel nennt, beschränkt Götz sich auf 64 Werke. Während der Götzsche Anhang zusammenhangslose Würdigungen von römisch-katholischen Geistlichen, Karten und Bilder ohne Nachweis und Bezeichnung beinhaltet, bietet Jakob auf knapp dreißig Seiten unter anderem die Transkription von Quellenmaterial und eigene statistische Auswertungen an. So zum Beispiel die Schulordnung aus dem oberpfälzischen Nabburg von 1448, die Götz gar nicht erwähnt, geschweige denn inhaltlich bearbeitet.

Vergleiche dieser Art könnten haufenweise angestellt werden, würden allerdings immer zu dem Ergebnis führen, dass Götz nicht über das tendenziöse Zusammenfassen und Abschreiben von alter Literatur hinauskommt und neuere Werke fast nicht berücksichtigt. Ohne das Promotionswesen an deutschen Universitäten hier verklären wollen, mit seiner Zusammenfassung von Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hätte Götz sich hierzulande nicht blicken lassen können. Warum die Universität von Oviedo Götz mit dieser Arbeit promoviert hat, dürfte jedenfalls außerwissenschaftliche Gründe gehabt haben. Einzelheiten sind leider unbekannt.

Oberflächliche Bearbeitung mangels Eingrenzung

Das Gelingen einer wissenschaftlichen Arbeit hängt zunächst von einer sinnvollen thematischen und zeitlichen Eingrenzung ab. Wer sein Thema nicht zweckmäßig einschränkt, kann es auch nicht angemessen tief bearbeiten und muss somit an der Oberfläche bleiben. Eine sinnvolle und vor allem an das obengenannte Werk von Jakob anschließende Promotionsarbeit hätte sich womöglich auf das Schulwesen in der Oberpfalz von der Reformation 1520 bis zur Säkularisation 1803 konzentrieren können. Nicht zuletzt wegen der Besonderheit, dass der bayerische Kurfürst Maximilian IV. Joseph gerade die Oberpfälzer Klosterschulen bereits 1799 schließen hat lassen, um die deutschsprachigen Elementarschulen zu fördern. Diese gravierenden Umbrüche im Schulwesen um 1800 sind bislang nur ansatzweise aufgearbeitet worden. Der Dissertation von Karlheinz Götz blieben sie jedoch gänzlich verborgen, obwohl er vage ankündigt hatte, gerade in diesem Bereich Lücken schließen zu wollen.

Bereits in seinem Fundament schludert Götz. So leistet er zum Beispiel für die in rechtlicher, politischer und religiöser Hinsicht hochkomplexe Geschichte der Oberpfalz keinerlei Begriffsbestimmung. Dies ist gleichermaßen laienhaft wie fatal. Denn gerade das Gebiet des heutigen Regierungsbezirks Oberpfalz, das Götz vermutlich meint bearbeitet zu haben, zeichnet sich durch mehrfache lutherische und calvinistische Umbrüche und eine spätere Re-Katholisierung aus, die sich jeweils massiv auf das Schulwesen auswirkten. Diese historischen Eigenheiten tauchen bei Götz nur nebenbei auf, eine angemessene Bearbeitung und analytische Durchdringung fehlt gänzlich.

Wie Götz auf die jedweden sinnvollen Rahmen sprengende Idee kam, im Zuge einer Promotion neben dem Schulwesen in der Oberpfalz auch noch Regensburg und Salzburg „von der Begründung des Christentums“ (so Götz mehrfach) bis 1810/1816 bearbeiten zu können, wird sein Geheimnis bleiben. Eine unter anderem darauf gemünzte schriftliche Anfrage vom Dezember 2013 sowie mehrere Anrufe bei Karlheinz Götz blieben fruchtlos.

Es kann angesichts der bereits angeführten vielfachen Mängel nicht mehr überraschen: Auch nach der Lektüre seiner Abhandlung weiß man nicht, was die vielfach umgebrochene Oberpfalz schulgeschichtlich eigentlich auszeichnet bzw. was sie diesbezüglich mit Salzburg zu tun haben könnte und warum Götz beide Regionen kumulativ zusammen mit der Schulgeschichte Regensburgs behandelt.

Ganz gewiss aber haben seine Betreuer der Universität Oviedo, alle gänzlich verborgen gebliebene Oberpfalz/Regensburg/Salzburg-Experten, die inneren Zusammenhänge vorbehaltlos richtig verstanden und die von Götz vorgelegte Arbeit peinlich genau geprüft.

Literatur aus dem 19. Jahrhundert

Hat Götz bereits in der ausufernden Themenwahl eine unbegründete und unhaltbare Entscheidung getroffen, leistet er sich bei der Auswahl der Literatur eine weitere Extravaganz. Eine Untersuchung des ersten Teils des Literaturverzeichnisses, der sich auf die Oberpfalz und Regensburg bezieht, zeigt ein bezeichnendes Desinteresse gegenüber neuerer Literatur an. Von den 32 angeführten Titeln sind 17 älter als hundert Jahre, neun Werke sind älter als fünfzig und nur die restlichen sechs erschienen nach 1955.

Trotz seiner offensichtlichen Vorliebe für ältere Literatur ignoriert Götz hervorragende ältere Werke im Grunde. So zum Beispiel die wohl umfangreichste Forschungsarbeit zur Regensburger Schulgeschichte. Sie stammt von Christian Heinrich Kleinstäuber, trägt den Titel Ausführliche Geschichte der Studien-Anstalten in Regensburg. 1538-1880.

Das insgesamt mehr als 600 Seiten umfassende Werk wurde unter fünf Einzeltiteln in den „Verhandlungen der Historischen Vereins Regensburgs“ in Bd. 35 (1880) bis Bd. 39 (1885) publiziert. Kleinstäuber erforschte auch die Geschichte des evangelischen reichsstädtischen Gymnasii poetici, die zwei ersten Teile seiner Arbeit handeln davon. Götz indes verschweigt in seinen Ausführungen zum Poeticum, die quellenreiche Grundlagenforschung Kleinstäubers, obwohl er offensichtlich damit gearbeitet hat, ja wie alle anderen arbeiten musste. Im Götzschen Literaturverzeichnis wird Kleinstäuber verschleiernd nur einmal undifferenziert als Gesamtwerk angeführt.

Ein weiterer durchgängiger Unfug: Wenn Götz sich herablässt und sich direkt auf ein bestimmtes Handbuch (Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens) bezieht, nennt er entgegen jeder wissenschaftlichen Konvention nur den Band und nicht den jeweiligen Autor des Sammelwerks. So erwähnt er zum Beispiel den Handbuchautor Rudolf Endres und seine Forschungsergebnisse im Haupttext, ohne ihn ins Literaturverzeichnis aufzunehmen. Hier mangelt es offenbar erneut an Grundfertigkeiten einer wissenschaftlichen Arbeits- bzw. Zitierweise.

Bilanziert man die Häufigkeit, mit der Götz aus den diversen Literaturtiteln zitiert, zeigt sich eine Vorliebe für sehr alte und eine gewisse Abneigung gegenüber der neueren Literatur. In Bezug auf Oberpfalz/Regensburg wird zuallermeist aus Arbeiten des 19. Jahrhunderts zitiert, aus Werken der nach 1955 erschienenen Sechser-Gruppe jedoch keine zehn Mal.

Aus einem Literaturtitel konnte Götz allerdings gar nicht zitieren. Denn einen von ihm aufgeführten Band 11 des Handbuchs der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens (1993) gibt es schlichtweg nicht.

Auffälligkeiten und keine Quellenangaben

Wie despektierlich Götz mit neuerer Forschungsliteratur umgeht, zeigt sich eindrücklich an dem schon erwähnten Werk von Reinhard Jakob Schulen in Franken und in der Kuroberpfalz 1250 – 1520 (1994). Obwohl Götz darin thematisch gesehen mit der Kuroberpfalz sogar einige hundert Jahre Überschneidung und gute Forschungen vorgefunden hätte, ignoriert er das Werk von Jakob weitestgehend. Götz schlachtet diese Arbeit im Gegenteil verdrehend aus. Er zitiert ihn mit der Feststellung von Forschungslücken und ignoriert anschließend, dass diese zum Teil von Jakob geschlossen wurden.

Auch bei Jakob gilt: Götz klaut statt zu zitieren.

Das Werk von Reinhard Jakob ignoriert Götz weitgehend und verdreht stattdessen seine Aussagen.

An anderer Stelle entnimmt Götz bei Jakob eine zeitliche Zusammenstellung von Erstnennungen von Schulen (S. 37). Beide Übernahmen blieben ohne korrekte Quellenangabe, Jakobs Werk wird im Literaturverzeichnis schlicht nicht genannt. Ob dies nur aus respektloser Bequemlichkeit oder auch zur Verschleierung von Plagiaten geschah, könnte durch eine aufwändige Textanalyse geklärt werden.

Plagiieren mit System

Wer halbwegs im kritischen Lesen von wissenschaftlicher Literatur geübt ist, stellt bald fest, dass Götz auffällig oft dahin plaudert, ohne irgendwelche Quellen anzugeben. Zum Teil über Seiten hinweg. Auch Gegenstücke davon sind oft vertreten: seitenlange Zitate aus älterer Literatur, deren Inhalt nicht durch eigenständige Zusammenfassung vorgetragen wurde. Oder das seitenlange Zitieren (S. 142 – 146) eines Schulplans von 1806. Anstatt die entsprechende Primärquelle zu untersuchen und korrekt anzugeben, zitiert sie Götz formal falsch aus einem Werk von 1913.

Wenn Götz zum Beispiel das Kapitel „Die Schulstadt Amberg“ in ihrer überaus ereignisreichen Zeit von der Reformation bis zur Gegenreformation grob oberflächlich abhandelt und dabei nur einmal – und das sinnentstellend! – aus dem verdienstvollen, von Max Liedtke herausgegebenen vierbändigen Handbuch des Bildungswesens zitiert, drängt sich spätestens die Frage auf, woraus er die historischen Kenntnisse für seine Angaben eigentlich schöpft. Dies zu ermitteln, ist im Grunde nicht kompliziert, allerdings ist dafür ein aufwändiger Abgleich der einschlägigen Literatur vonnöten.

Einmal fündig geworden, ist es ein Leichtes, Götz kapitelweise des systematischen Plagiierens zu überführen. So z.B. in „Das lateinische und deutsche Schulwesen“ (S. 39 – 46) und „Die Schulstadt Amberg“ (S. 46 – 49), für die er sich schamlos im Handbuch bei den Autoren Margarete Oldenburg und Karl Ernst Maier („Deutsches und Lateinisches Schulwesen“, 1991, S. 436 – 446) bedient. Götz erweckt durch diese Vorgehensweise sogar den Eindruck, eigenständig Archivalien des 16. Jahrhunderts gesichtet zu haben, indem er plagiierend schreibt:

„Die Bezeichnung Gymnasium ist in den Akten nicht festzustellen“.

Offensichtliche Plagiate.

Offensichtliche Plagiate.

Im Handbuch heißt es:

„Tatsächlich taucht die Bezeichnung Gymnasium für diese Lehranstalt nicht in den Akten auf.“ (S. 442)

Das Kapitel „Das Gymnasium Poeticum“, seit Beginn des 16. Jahrhunderts das Prunkstück der evangelischen Reichsstadt Regensburg, glaubt Götz, ohne irgendeinen Verweis abhandeln zu können (S. 105 – 108). Er schreibt es ohne einen einzigen Quellenbeleg, wie ein Überflieger hin. Woher Götz sein „Wissen“ nahm?

Da der aktuelle Forschungsstand zum Gymnasium Poeticum ebenfalls im Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens(1991) nachzulesen ist, fiel es nicht sonderlich schwer, die von Götz schamlos ausgebeutete Quelle ausfindig zu machen. Es handelt sich um den Beitrag „Das Regensburger Gymnasium Poeticum“ des in Regensburg geborenen Historikers, Geographen und Didaktikers Walter Fürnrohr. Götz plagiiert auch diesen Aufsatz unverkennbar. Es finden sich bei ihm mehrere leicht umgestellte Sätze und prägnante Formulierungen aus dem Werk Fürnrohrs, ohne irgendeinen Hinweis auf die vorgenommene Übernahme. Um nur ein Beispiel anzuführen, bei Götz auf Seite 103 heißt es:

„Darüber hinaus durften die Lehrer einzelne Schüler als Privatschüler »in der Schulbehausung« in Kost und Wohnung sowie zur speziellen Unterweisung und Erziehung aufnehmen.“

Im Original von Fürnrohr hingegen heißt es auf Seite 461:

„Darüber hinaus durften sie einzelne Schüler als Privatschüler »in der Schulbehausung« in Kost und Wohnung sowie zu besonderer Unterrichtung und Erziehung aufnehmen.“

Wo Götz bei Fürnrohr abgeschrieben hat - eine Auswahl.

Wo Götz bei Fürnrohr abgeschrieben hat – eine Auswahl.

Die Systematik, mit der Götz bei anderen Autoren abkupfert, sollte durch die angeführten Beispiele deutlich geworden sein. Weitere Analysen und Literaturvergleiche dürften diese Recherche bestätigen.

Eine „untergejubelte“ Dissertation

Auf die Doktorarbeit von Götz angesprochen, zeigte sich Walter Fürnrohr zunächst erfreut, dass sein Handbuchaufsatz von anderen Autoren berücksichtigt wird. Nach einer ersten Sichtung ließ der emeritierte Professor der Uni Erlangen-Nürnberg jedoch kaum ein gutes Haar an der Dissertation von Götz. Ihre unangemessene thematische Eingrenzung könne als Musterbeispiel für die Notwendigkeit wissenschaftlicher Differenzierung bei Promotionen gelten. Denn die Schulgeschichte der Oberpfalz um 1500 bis nach dem Dreißigjährigen Krieg wäre ein Kapitel für sich gewesen, die thematische Verklammerung der Oberpfalz mit Regensburg und Salzburg gäbe jedoch „einige Rätsel auf“.

Die Götzsche Zitierweise an sich bewertet Fürnrohr als „skandalös“. Aus Handbüchern zu zitieren sei zwar üblich, dies müsse aber gekennzeichnet werden. Götz hingegen, so Fürnrohr erbost, „übernimmt reichlich, verfremdet die Texte durch minimale Veränderungen, macht nicht deutlich, wo diese Übernahmen beginnen, wo sie endigen und vom wem sie (in der Sache) stammen und wo sie zu finden sind.“ Götz nenne ihn, Fürnrohr, als Handbuchautor nicht, „obgleich der Wortlaut S.100ff nahezu gleich“ sei.

Fürnrohr vermutet, dass die Professorin für Didaktik in Oviedo das schulgeschichtliche Thema der Arbeit von Götz nicht gestellt habe, sondern sie es sich „unterjubeln“ ließ.

Schlechter als das Original

Wenn man dessen ungeachtet die Dissertation von Götz – die Entwicklung des institutionellen Bildungswesens Regensburgs angemessen darzustellen – noch einmal ernst nimmt und den Umfang seines Poeticum-Beitrags mit dem von Fürnrohr vergleicht, ergibt sich ein weiteres vernichtendes Resultat: Fürnrohrs Beitrag im Handbuch ist etwa fünfmal so umfangreich und entsprechend fundierter als das flache Plagiat, das Götz als eigene neue Forschungsleistung ablieferte. Dieser Befund wiederholt sich bei Vergleichen mit anderen einschlägigen Aufsätzen des Sammelbands. Die Götzsche Dissertation fällt inhaltlich und in der Bearbeitungstiefe weit hinter den Standard des von ihm plagiierten Handbuchs zurück.

Was denkt sich wohl ein Herr im fortgeschrittenen Alter, dem ein Doktorgrad trotz fehlender wissenschaftlicher Praxis ein Herzenswunsch ist? Einer, der eine Dissertation verfassen bzw. sich mit einem Titel schmücken will, aber offenbar nicht bereit dazu ist, die üblichen Regeln einzuhalten und die notwendige Arbeits- und Lebenszeit dafür herzugeben? Alte Literatur auf die Schnelle zusammenzufassen, ein aktuelles Handbuch zu plagiieren, das Werk bis zur Unkenntlichkeit und Unbrauchbarkeit aufblähen und das Ganze einer offenbar unkundigen Professorin vorzulegen, dies scheint der Weg der Realisierung dieses „Herzenswunsches“ gewesen zu sein. Eigenartig und befremdlich bleibt, wie Götz sich acht Jahre ungeschoren mit seinem Titel Dr. phil. unhinterfragt brüsten konnte.

Ein Humanist „erledigt“ sich selbst

Je länger man sich mit der Dissertation von Karlheinz Götz beschäftigt, desto stärker drängt sich die Frage auf, wieso er sich traute, diese impertinente und kaum kaschierte Ausbeutung von anderen Autoren vorzunehmen. Könnte dies mit dem beruflichen Selbstverständnis des Unternehmers Götz zusammenhängen?

Der promovierte Gebäudereiniger Karlheinz Götz wurde in Regensburg vor allem für sein angebliches Schaffen von neuen Arbeitsplätzen mit der Runtinger-Medaille ausgezeichnet. Doch Krankenhäuser und Universitäten zu putzen oder Immobilien zu verwalten, ist eine gesellschaftlich notwendige Arbeit, die auch ohne einen Karlheinz Götz anfällt und erledigt wird. Zunächst verwaltet Götz seine Arbeitskräfte lediglich, leider nicht immer rechtmäßig und zu ihrer Zufriedenheit. Er beutet sie vielmehr zu seinem Vorteil aus. Götz steht hierbei in Konkurrenz zu anderen Unternehmern, bei denen er im Erfolgsfall bestehende Arbeitsplätze vernichtet – aufs Ganze gesehen schafft er demzufolge keine neuen.

Karlheinz Götz stehe „für Sauberkeit, an Gebäuden und in der Gesinnung“, schreibt der MZ-Redakteur Helmut Wanner anhimmelnd. Zudem tritt Götz gerne als Humanist auf, dem sehr viel am Wohl seiner Mitarbeiter liege. Indes, wer sein „Vertrauen missbraucht und glaubt“, ihn ausnutzen zu können, sei für ihn „erledigt“, wie er in einem MZ-Gespräch deutlich machte.

Im wissenschaftlichen Bereich gelten aber andere Regeln und Gesetze als in der Reinigungsbranche. Hier ist es gesellschaftlich nicht wirklich anerkannt, die Arbeit Anderer zum eigenen Vorteil auszubeuten. Handbuchautoren schamlos auszunutzen und zu plagiieren, ist verpönt und wird nicht selten geahndet. Götz hat den wissenschaftlichen Kanon mit seiner Vorgehensweise gravierend verletzt. Er hat weder Doktorwürde noch Auszeichnung verdient.

Doktor Karlheinz Götz hat sich selbst erledigt.

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