18 Stimmen an der Demütigung vorbei
Eine miese Wahlbeteiligung. Ein historisches Tief für die CSU. Ein Erdrutschsieg für die SPD. Und ein bestens gelaunter Oberbürgermeister. Der Wahlabend in Regensburg.
Nahm es mit Fassung: Christian Schlegl.
„Ich habe immer gute Laune. Da können sie jeden fragen.“ Sicher. Landauf, landab ist Oberbürgermeister Hans Schaidinger als ein richtiges Gaudifünferl bekannt. Und wenn sein Ziehsohn es mit knapper Not noch in die Stichwahl schafft – ja dann scheint die Laune gleich nochmal so gut. 18 Stimmen sind es, die Christian Schlegl eine totale Demütigung ersparen. 18 Stimmen, die Joachim Wolbergs zu einer absoluten Mehrheit fehlen.
Wegen 18 Stimmen treten sie in 14 Tagen erneut gegeneinander an: Christian Schlegl und Joachim Wolbergs. Foto: Staudinger
Als Schaidinger – sehr wohlgestimmt – um kurz vor Mitternacht die städtische Wahlparty verlässt ist auch klar, dass die CSU eine historische Niederlage erlebt hat und entgegen aller Erwartungen nicht mehr die stärkste Fraktion im Stadtrat stellen wird. Das war in Regensburg das letzte Mal vor 42 Jahren der Fall. Das vorläufige CSU-Ergebnis von knapp unter 33 Prozent (16 Stadträte) ist das zweitschlechteste der Nachkriegsgeschichte. Nur 1960 lag die Partei noch knapp darunter. Und betrachtet man, wie die CSU-Liste von den Wählerinnen und Wählern durcheinandergewirbelt wurde, bleibt festzuhalten, dass insbesondere das Rieger-Lager und die JU abgestraft wurden. Hermann Vanino verliert fünf Plätze, ähnlich ergeht es Armin Gugau, Michael Lehner, auf Platz 4 gestartet, schafft es noch mit knapper Not als 15. in den Stadtrat. Der stellvertretende Kreisvorsitzende Tobias Fritz wird am weitesten nach hinten durchgereicht – vom Startplatz 14 landet er auf 33.
Gaben am Wahlabend das Waldort&Statler-Duo: Norbert Hartl und Hans Schaidinger. Foto: Staudinger
Im Gegenzug machen alte Schaidingergetreue wie Josef Troidl (von Platz 30 auf 5), Erich Tahedl (24 auf 9) und Brigitte Schlee (von 18 auf 12) zum Teil gewaltige Sprünge nach vorne. Franz Rieger hält zwar Platz zwei, hat aber – was die absoluten Zahlen anbelangt – weniger Stimmen bekommen als die ersten vier Stadträte auf der SPD-Liste.
Erste Hochrechnungen trudeln ein: Jubel unter den SPD-Anhängern. Foto: Staudinger
Durchalteparolen sind es, mit denen Christian Schlegl aufwartet, als er um kurz nach 19 Uhr im Leeren Beutel eintrifft. Kurz zuvor ist bereits Joachim Wolbergs unter Beifallsstürmen angekommen. Und nun versuchen es die CSU-Anhänger den SPDlern gleich zu tun und klatschen unter „Christian, Christian“-Rufen rhythmisch in die Hände, während der ein Interview nach dem anderen gibt. Als die hämischen „Loser“-Rufe aus dem Hintergrund etwas zu laut werden, muss ein knapp gescheiterter CSU-Kandidat zurückgehalten werden, damit er nicht auf einen der Spötter losgeht.
Applaus der Verzweifelten: Die CSU-Anhängerschaft begrüßt Christian Schlegl. Foto: Staudinger
Und während Christian Schlegl vergleichsweise gefasst davon spricht, dass er mit „voller Kraft“, und „vollem Akku“ „gemeinsam“ kämpfen wolle, beginnen im Hintergrund erste Zersetzungserscheinungen. Schlegl habe auf die falschen Berater gesetzt, hört man häufiger aus dem Lager der „Bürger für Regensburg“. Immer wieder fallen die Namen von Rieger, Vanino und Veranstalter Peter Kittel, wenn es um die vermeintlich Schuldigen geht. Von „falschen Leuten auf der Liste“ ist häufiger die Rede. Doch auch die fehlende Unterstützung Schaidingers für Schlegl wird von verschiedenen Seiten moniert.
Übernahm vor allem in den letzten Wochen das Ruder im Wahlkampfteam von Schlegl: der Veranstalter Peter Kittel (li. neben Stadtrat Josef Zimmermann). Foto: Herbert Baumgärtner
Im Gegensatz zur letzten Kommunalwahl können die kleinen Parteien nicht von den Verlusten der CSU profitieren. Alle verlieren selbst ebenfalls Stimmen. Für Erheiterung sorgt CSB-Kandidat Christian Janele mit der Bemerkung, dass die CSU auf den falschen Kandidaten gesetzt habe. Er wäre der bessere gewesen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Janele noch nicht, dass er den Sprung in den Stadtrat nicht schaffen wird. Ex-ÖDPler Dr. Eberhard Dünninger rollt von Platz 4 das Feld von hinten auf und wird einziger CSB-Stadtrat. Bereits vor Schließung der Wahllokale ist der CSB-Vorsitzende André Schreiber „mit sofortiger Wirkung“ aus dem Verein ausgetreten. Ebenso Martina Dräxlmaier. Tags darauf verlässt mit dem Kassier Rudolf Schmitzer ein weiteres Vorstandsmitglied die CSB. „Ich bin äußerst glücklich, dass man sich allein mit Geld und vielen Plakaten nicht das Vertrauen der Regensburger erschleichen kann“, sagt ein zufrieden lächelnder Schreiber am Wahlabend. Er scheint dabei sowohl die CSB wie auch die CSU zu meinen.
Herr und Frau Janele. Kein Platz im Stadtrat. Foto: Staudinger
Bei den Piraten findet OB-Kandidatin Tina Lorenz ihr Ergebnis „geil“. Sie hat die auf Listenplatz 1 gesetzte Ewa Tuora-Schwierskott überholt und wird einzige Piratin im neugewählten Stadtrat sein.
“Geil!” Tina Lorenz wird einzige Stadträtin der Piraten. Foto: Staudinger
Enttäuschung dagegen bei den Linken. Mit betretener Miene studiert OB-Kandidat Richard Spieß die Wahlergebnisse. Zwar sind er und Irmgard Freihoffer auch im neuen Stadtrat vertreten, doch das Ziel, Fraktionsstärke zu erreichen, ist gescheitert. Man hat sogar noch gut ein Prozent verloren. „Da frage ich mich, wofür ich all die Jahre gearbeitet habe. Mehr geht einfach nicht“, so Spieß.
Herbe Enttäuschung: Richard Spieß. Foto: Staudinger
Der FDP ergeht es noch schlimmer. Den ganzen Abend muss Horst Meierhofer bangen, ob er nun allein oder zusammen mit Gabriele Opitz im Stadtrat sitzen wird (am Ende sieht es ganz danach aus), aber unglücklich wirkt er nicht.
Die Freien Wähler fallen von fünf auf drei Stadträte zurück. Ludwig Artinger, Kerstin Radler und Urgestein Günther Riepl sind die Glücklichen. „Respekt“, sagt Artinger in Richtung Wolbergs. Unglücklich wirkt er nicht. Seine Fraktion ist eine derjenigen, die als potentielle Partner für die SPD in Frage kämen, sofern diese nicht erneut auf eine große Koalition setzen, sondern es mit zwei Kleinen versuchen wollen würde.
Drittstärkste Fraktion im Stadtrat, aber trotzdem verloren: die Grünen (Im Bild: Kandidatin Judith Werner, Stadtrat Jürgen Huber und Jürgen Mistol). Foto: Staudinger
In einer ähnlichen Position befinden sich die Grünen – trotz Verlusten die drittstärkste Fraktion im Stadtrat und – überraschenderweise – die ÖDP. Trotz leichter Verluste hat man unter Führung von Benedikt Suttner die drei Stadtratsmandate gehalten. „Noch ist nix fix“, sagt er am Wahlabend nur.
SPD-Fraktionschef Norbert Hartl ist am Wahlabend kein Kommentar zu einem möglichen Partner zu entlocken. Darüber könne man erst nach der Stichwahl reden. Dass eine Zusammenarbeit mit den Kleinen aber insbesondere an seiner Person scheitern könnte, ist kein Geheimnis.
Mehr als der Hälfte der Regensburger scheint es übrigens gleichgültig zu sein, wer in ihrer Stadt das Sagen hat. Trotz der Gigantomanie der großen Parteien, die mit sechsstelligen Wahlkampfetats in den letzten Wochen und Monaten ein Plakat- und Anzeigenfeuerwerk entfachten, ist die Wahlbeteiligung erneut unter 50 Prozent geblieben.