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Gutachter fordern Umdenken bei städtischer Geschichtspolitik

„In fast grotesker Weise am Kern der Sache vorbei“

Das Gutachten zum Colosseum ist da. Und die Empfehlungen sind mehr als deutlich. Die Experten mahnen bei der Stadt an, sich endlich mit ihrer neueren Geschichte zu beschäftigen. Ein Ort dafür könne das Museum für bayerische Geschichte sein. Die Bodenplatte vor der ehemaligen KZ-Außenstelle in Stadtamhof sei „verschleiernd“ und gehe „in fast grotesker Weise am Kern der Sache vorbei“.

Soll dringend entfernt werden: Die Bodenplatte vor dem KZ-Außenlager Colosseum.

Soll dringend entfernt werden: Die Bodenplatte vor dem KZ-Außenlager Colosseum.

Es hat ein bisschen gedauert, bis das Gutachten auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Bereits seit Februar liegt dem Regensburger Kulturreferat eine Expertise zur ehemaligen KZ-Außenstelle Colosseum in Stadtamhof vor. Seit wenigen Tagen ist das 34seitige Papier nun auf den Internetseiten der Stadt abrufbar. Mitte Mai soll es im Kulturausschuss diskutiert werden. Auch wenn es im Ton moderat bleibt, klingt die Kritik deutlich durch.

Seit Jahrzehnten wird gestritten

Folgt man aber den Empfehlungen, die Ulrich Fritz (Stiftung Bayerische Gedenkstätten), Dr. Jörg Skriebeleit (KZ-Gedenkstätte Flossenbürg) und Professor Dr. Mark Spoerer (Universität Regensburg) geben, könnte dies den Abschluss einer Jahrzehnte währenden Debatte um ein angemessenes Andenken für die rund 400 Gefangenen und – laut Gutachten – mindestens 53 Toten im Colosseum bilden (Mehr darüber).

Dieses Andenken gestaltete sich schon immer schwierig.

Fordert einen anderen Umgang der Stadt mit ihrer neueren Geschichte: Dr. Jörg Skribeleit von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Archiv

Fordert einen anderen Umgang der Stadt mit ihrer neueren Geschichte: Dr. Jörg Skribeleit von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Archiv

Eine Gedenkstätte, die den Regensburgern nach dem Krieg mehr oder weniger zwangsweise auf dem Zentralfriedhof verordnet wurde, verschwand Mitte der 50er. Das Thema geriet in Vergessenheit. Einer Schulklasse griff die Geschichte 1982 im Rahmen einer gemeinsamen Abschlussarbeit wieder auf und holte damit sogar einen Geldpreis des Bundespräsidenten. Eine Geldspende der Schüler für eine Tafel verflüchtigte sich irgendwo in den Weiten des städtischen Haushalts.

„Das Auffälligste an Denkmälern ist, dass man sie nicht sieht“

Einem Regierungsintermezzo von SPD-Oberbürgermeisterin Christa Meier ist es zu verdanken, dass in den 90ern ein Gedenkstein aufgestellt wurde. Dieser wird in dem Gutachten durchaus gewürdigt, allerdings als „ungenügend“ bezeichnet, da er keinerlei Informationen biete und auch keinen Bezug zum Gebäude habe. „Er steht paradigmatisch für Robert Musils Diktum: ‘Das Auffälligste an Denkmälern ist, dass man sie nicht sieht’“, heißt es im Gutachten.

Unter Christa Meier aufgestellt: ein Gedenkstein zu Ehren der Opfer. Foto: Archiv

Unter Christa Meier aufgestellt: ein Gedenkstein zu Ehren der Opfer. Foto: Archiv

Wie mehrfach berichtet, scheiterte das Anliegen, eine darüberhinausgehende Gedenktafel am Gebäude anzubringen, am Widerstand des Eigentümers: Develey-Boss und CSU-Politiker Michael Durach.

Der Text der daraufhin klammheimlich von städtischer Seite verlegten Bodenplatte gehe in „fast grotesker Weise am Kern der Sache vorbei“, konstatiert das Gutachten. „Dass vor dem Haus Häftlinge zum Appell antreten mussten verschleiert, dass im Haus Häftlinge an Auszehrung und Misshandlung starben.“ Tatsächlich weise das Colosseum selbst für eine KZ-Außenstelle eine außerordentlich hohe Todesrate auf. Das Gutachten empfiehlt dringend die Entfernung der Platte und eine komplette Umgestaltung des Platzes unter Mitarbeit von Experten.

„Stadtgeschichte insgesamt darstellen“

Obwohl sich der im Frühjahr 2012 erteilte Auftrag des Stadtrats an die Gutachter nur auf das Thema Colosseum beschränkt hatte, geht das Forscher-Trio aber noch darüber hinaus. Die Debatte ums Colosseum sei nämlich nur exemplarisch für die Kritik am Umgang Regensburgs mit seiner neueren Geschichte. Hierfür gebe es in der Stadt „keine öffentliche Präsentation“. Offizielle Ausstellungen etwa im Historischen Museum oder dem Welterbe-Besucherzentrum endeten de facto im Spätmittelalter. Ein Kritikpunkt, der nicht neu ist.

Das Colosseum in Stadtamhof: nur exemplarisch für die städtische Geschichtspolitik. Foto: Archiv/ Mirwald

Das Colosseum in Stadtamhof: nur exemplarisch für die städtische Geschichtspolitik. Foto: Archiv/ Mirwald

Wichtige Themen „wie Säkularisation, Mediatisierung, Eisenbahn, Industrialisierung, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und Bundesrepublik“ seien „im städtischen Erinnern überhaupt nicht präsent“. „Weshalb Regensburg seit einigen Jahrzehnten einen überdurchschnittlichen Aufstieg erlebt, wird in keiner Weise historisch thematisiert.“

Themen wie Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion, Verfolgung und Terror, Widerstand und dessen Unterdrückung oder Messerschmitt und das KZ-System gingen in ihrer Bedeutung über Regensburg hinaus und müssten angemessen aufgearbeitet und präsentiert werden. „Erinnerung braucht Wissen Information“, resümieren die Gutachter.

„Eine geeignete und angemessene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus würde sehr davon profitieren, wenn die Stadt sich dazu durchringen könnte, ihre Stadtgeschichte insgesamt darzustellen.“

Geeigneter Ort: Museum der bayerischen Geschichte

Ein Platz dafür könne etwa das derzeit in Entstehung befindliche „Museum der bayerischen Geschichte“ sein. Ein Vorschlag übrigens, der nicht ganz neu ist und den wir im Rahmen unserer Berichterstattung schon einmal gemacht haben. Die Gutachter bieten ihre Mitarbeit an und raten dazu, das bürgerschaftliche Engagement in alle Überlegungen miteinzubeziehen. Nun ist der Kulturausschuss gefragt. Eines steht schon jetzt fest: In der Amtszeit von Hans Schaidinger wird nichts mehr passieren. Unter seiner Verantwortung wurde dieses Thema konsequent verschleppt.

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