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Wie kann es sein, dass ein Schwarzfahrer, der dem Kontrolleur einen Faustschlag versetzt elf Jahre in der Psychiatrie verschwindet? Wie kann es sein, dass eine Regensburgerin statt sechs Monaten Haft wegen Körperverletzung mittlerweile über sechs Jahre in der Forensik eingesperrt ist – ohne Aussicht auf Entlassung. Und wie kann es sein, dass das nichts Ungewöhnliches ist, sondern völlig rechtens zu sein scheint? Drei Juristen waren sich am Montagabend einig: Das Unterbringungsrecht muss dringend reformiert werden.

"Mehr als die Hälfte gehört nicht in die Psychiatrie", sagt Richter Tonio Walter. Foto: as

“Mehr als die Hälfte gehört nicht in die Psychiatrie”, sagt Richter Tonio Walter. Foto: as

Es ist eine sachlich und ruhig vorgetragene, aber auch deutliche Kritik, die Professor Tonio Walter am Montagabend an der Universität Regensburg formuliert. „Quo vadis? Innen- und Rechtspolitik“, fragt die Juso-Hochschulgruppe und hat sich drei nicht eben unbekannte Juristen eingeladen, um miteinander zu diskutieren: Neben Walter sitzen MdL Franz Schindler und der Regensburger Strafrechtler Dr. Jan Bockemühl am Podium. Und während das Trio bei anderen Themen (die im Rahmen dieses Artikels keine Rolle spielen) rege diskutiert, ist man sich beim Unterbringungsrecht einig: Eine Reform ist überfällig, oder, wie es Bockemühl ausdrückt: „Das System muss wieder rechtsstaatlicher werden.“

Unterbringungsdauer immer länger

Seit Jahren steigt die Zahl von Personen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind. Waren es 1996 noch 3.000 Personen, die dort per gerichtlicher Anordnung landeten, so lag die Zahl im Jahr 2012 bei 6.750. Mit der objektiven Entwicklung der schweren Kriminalität hat das nichts zu tun. Diese ist, da ist sich das Podium einig, seit Jahren rückläufig.

Laut Franz Schindler ist die Zahl der Unterbringungsanordnungen in den letzten Jahren sogar gesunken. Was allerdings stetig steigt ist die Verweildauer der Patienten oder Straftäter – ja was denn eigentlich?

Das Unterbringungsrecht ist, so Tonio Walter, ein Fremdkörper im Strafgesetzbuch. Die Betroffenen sind nämlich allenfalls eingeschränkt schuldfähig – insofern gehe es eben gerade nicht um Strafe oder Vergeltung. Im Vordergrund steht der Gedanke auf Resozialisierung, auf Heilung einerseits und der Schutz der Gesellschaft andererseits.

„Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird nicht ernst genommen“

Wer bei einer Straftat aufgrund eines psychischen Defekts nur eingeschränkt oder nicht schuldfähig ist und bei wem zu erwarten ist, dass er weitere erhebliche Straftaten begehen könnte, der kann per richterlicher Anordnung nach §63 im Maßregelvollzug untergebracht werden, in der geschlossenen Psychiatrie.

„Eine erhebliche Straftat ist in der Praxis ziemlich wenig“, sagt Tonio Walter, selbst Richter am Oberlandesgericht Nürnberg. Laut gängiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handle es sich dabei um Taten, die „in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen“. Ein schwammiger Begriff.

Treffen all diese Voraussetzungen zu, kann der Betroffene zeitlich unbegrenzt in der Psychiatrie landen. „Und wer einmal dort ist, kommt oft nur schwer wieder heraus“, sagt Walter. Zwar gelte eigentlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, „aber daran hat man es fast nie scheitern lassen“.

Die Regensburgerin Ilona Haslbauer etwa, über deren Fall wir mehrfach berichtet haben, sitzt seit mittlerweile fast sieben Jahren in der Forensik – für ein Delikt, das unter normalen Umständen eine halbjährige Haftstrafe nach sich gezogen hätte. Walter erwähnt das Beispiel eines Schwarzfahrers, der dem Kontrolleur einen Faustschlag versetzte und elf Jahre in der Psychiatrie verschwand.

„Wir werden uns damit abfinden müssen, dass es keine 100prozentige Sicherheit geben kann.“

"Sicherheitswahn auf Kosten des Rechtsstaats." Dr. Jan Bockemühl.

“Sicherheitswahn auf Kosten des Rechtsstaats.” Dr. Jan Bockemühl.

„Es ist bekannt, dass über die Hälfte der Untergebrachten in der Psychiatrie da nicht hingehört“, sagt Walter, ohne dies näher zu erläutern. Für ihn ist eine regelmäßigere Überprüfung der Gründe für die Unterbringung ein wichtiger Schritt bei einer Reform des Unterbringungsrechts. Auch müssten die Anforderungen, um eine Fortdauer der Unterbringung anzuordnen mit der Zeit immer höher werden und nicht über all die Jahre gleich bleiben. Generell dürfe die maximale Unterbringungsdauer nicht über der maximalen Haftstrafe liegen, die einem psychisch gesunder Straftäter für dieselbe Tat drohen würde.

Strafverteidiger Bockemühl geht hier sogar noch einen Schritt weiter. Wenn man bedenke, dass der maximale Strafrahmen bei psychisch gesunden Tätern so gut wie nie ausgeschöpft werde, müsse man hier sogar noch unter das Höchstmaß gehen. „Es kann nicht sein, dass der psychisch Kranke gegenüber dem gesunden Straftäter noch benachteiligt wird.“

Alle drei, Bockemühl, Schindler und Walter, mahnen zu einer neuen Kultur in der Rechtsprechung im Speziellen, aber auch der Gesellschaft im Allgemeinen. Sachverständige müssten sich wieder häufiger trauen, für eine Entlassung zu plädieren. Richter dürften sich nicht ständig hinter Sachverständigen verschanzen. Die einzige Chance, Dauer und Zahl der Unterbringungen zu verringern, so Walter, „ist es, denen eine Chance zu geben, die in der Psychiatrie sitzen“. Natürlich gebe es immer ein gewisses Risiko, aber, das ergänzt Bockemühl: „Wir werden uns damit abfinden müssen, dass es keine 100prozentige Sicherheit geben kann.“ Dieser Sicherheitswahn gehe letztlich auf Kosten des Rechtsstaats.

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