Ein wenig verkniffen schaut Hans Schaidinger doch drein. Der Koalitionsausschuss von CSU und SPD hat am Montagnachmittag zur Pressekonferenz geladen. Was sich bereits kurz nach der Kommunalwahl ankündigte (wir berichteten am 6. Mai) und was seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern pfeifen, wird hier nun offen verkündet: Der Ernst-Reuter-Platz ist Favorit für eine Stadthalle. Das ist das Ergebnis der Prüfung von insgesamt acht Standorten durch die Verwaltung. Für manchen mag dieses Ergebnis erstaunlich sein. War doch der Standort-Vorschlag, den Stadtrat Günther Riepl (Freie Wähler) vor acht Jahren ins Gespräch brachte, stets als ungeeignet – zu klein, zu teuer, schwierig mit der Verkehrsführung etc. – qualifiziert worden. Von der CSU. Von der Verwaltung. Von der SPD. Von Hans Schaidinger. Die erneute Prüfung unter Regie einer neuen Planungsreferentin hat nun ergeben: Nicht nur Platz für eine Stadthalle wäre auf dem Areal, sogar der Bau eines angeschlossenen Hotels ist prinzipiell an diesem Standort möglich. Aber nicht einmal zwingend notwendig: das Hotel Maximilian wäre ja schon da. Für Altstadt und Verkehr scheinen von diesem Standort darüber hinaus durchweg positive Impulse auszugehen. Wer hat sich da früher geirrt? Wie kann das sein? Was hat sich geändert?
„Die Verwaltung hat eine andere Verkehrsführung zugrunde gelegt“, so Schaidinger. Unter anderem soll der Busbahnhof Albertstraße verlegt werden und näher an den Hauptbahnhof heran rücken. Ein Busterminal Hauptbahnhof-Maxstraße soll entstehen.
Die Verwaltung – das ist in diesem Fall Planungsreferentin Christine Schimpfermann. Offenbar wurden ihr bei der neuerlichen Prüfung der Standorte größere Freiheiten eingeräumt als ihrem Vorgänger Günter Stöberl, der im Verbund mit Schaidinger ein vehementer Verfechter des Donaumarkts und nur des Donaumarkts war. „Unter den früheren Annahmen wurde damals alles richtig umgesetzt“, so Schaidingers heutige Argumentation. „Damals wären Rampen notwendig gewesen, um die Verkehrsführung gewährleisten zu können. So etwas geht nicht.“ Oder anders ausgedrückt: Seinerzeit war man offenbar nicht willens oder fähig, eine andere Verkehrsführung in Betracht zu ziehen. So lange die CSU auf den Donaumarkt fixiert war, schied der Ernst-Reuter-Platz kategorisch aus. Nun, da dieses Areal wohl endgültig ad acta gelegt wurde, erweist der Ernst-Reuter-Platz als „beste Variante“ (Schaidinger).
Für wenig sinnvoll hält es nun aber Bürgermeister Joachim Wolbergs, „wieder eine Debatte darüber zu führen, wer der größte Volltrottel ist“, nach dem Motto: Das hat man schon lange gewusst. Viel wichtiger sei es, einen breiten Konsens im Stadtrat anzustreben und zu zeigen: „Die Koalition arbeitet dieses zentrale Thema ab.“ CSU-Fraktionschef Christian Schlegl lobt diese Einigung als „historisches Ereignis“ nach einem Vierteljahrhundert Stadthallen-Streit und sieht im Schwenk der CSU weg vom Donaumarkt hin zum Ernst-Reuter-Platz einen „roten Faden seit Friedrich Viehbacher“. Der einstige CSU-Oberbürgermeister Viehbacher war 1990 abgewählt worden; insbesondere wegen seiner Haltung: Stadthalle am Donaumarkt.
Nächste Woche, Mittwoch, werden die Prüfungsergebnisse im Stadtrat vorgestellt. Dann soll die Verwaltung mit der Detailplanung und der Entwicklung eines Verkehrskonzepts beauftragt werden. „Wir wollen, dass die Stadthalle in vier Jahren steht“, so das erklärte Ziel von Norbert Hartl.
Kosten: “Fünf bis sechs Millionen Euro jährlich”?
Unklar ist noch, welche Kosten der Stadt durch eine Stadthalle entstehen werden. Von 80 bis 90 Millionen Euro ist in der Sitzungsvorlage die Rede. Diese Kosten soll ein Investor übernehmen, von dem die Stadt das Kongresszentrum mietet: ein Private-Public-Partnership-Modell. Schaidinger dazu: „Eine andere Lösung ist praktisch nicht denkbar.“ Sprich: So viel Geld ist schlicht nicht da. SPD-Fraktionschef Norbert Hartl rechnet mit der unverbindlichen Zahl von „fünf bis sechs Millionen Euro“, die jährlich anfallen. Diese Summe müsste die Stadt an anderer Stelle im Verwaltungshaushalt einsparen.
Mit großartigem Widerstand aus der Bevölkerung oder von Seiten der Opposition gegen den neuen Standort rechnet man bei der großen Koalition derzeit offenbar nicht. Wenngleich sich die Grünen vergangene Woche via Presseerklärung bereits über den neuen Stadthallen-Standort „wunderten“. Jürgen Mistol: „Das Hauptargument, das auch aus unserer Sicht immer gegen den Standort sprach, war, dass eine Stadthalle am Ernst-Reuter-Platz wertvolle Parkfläche versiegelt. Sie würde den Alleengürtel als stadtbildprägende Grünfläche über das schon bestehende Maß hinaus zerstören. Wertvoller Baumbestand müsste geopfert werden. Dieses Argument ist für uns Grüne weiterhin von allergrößter Relevanz.“ Tatsächlich wären es 38 Bäume aus dem Allen-Bestand beim ehemaligen Standort des König-Ludwig-Denkmals die gefällt werden müssten. „Da weiß man nie, ob es nicht doch ein Bürgerbegehren gibt“, so Schaidingers Befürchtung. Doch auch für diesen Fall scheint die große Koalition gerüstet zu sein.
Als zweitbesten Standort hat die Prüfung den Unteren Wöhrd ergeben. Lieblingsstandort der Grünen. Der war bislang mit dem Verweis auf hohe Sanierungskosten – Altlasten im Untergrund – als zu teuer und damit eigentlich nicht machbar befunden worden. Doch auch hier durfte die Verwaltung offenbar etwas unvoreingenommener prüfen als bisher. „Wenn man das Gelände der Jugendherberge miteinbezieht, ist keine Sanierung notwendig“, so Norbert Hartl. Hans Schaidinger verdreht die Augen und verlässt die Pressekonferenz als erster.