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Internationaler Frauentag

„Purplize the world“

Warnstreiks und Demonstrationen prägten am Internationalen Frauentag das Bild in Regensburg. Das Rathaus färbte sich lila.

Rund 300 Regensburgerinnen demonstrierten Dienstagabend für eine diversere Gesellschaft und mehr Gleichberechtigung. Foto: mb

Am Ende ist alles politisch, so kann eine zentrale Erkenntnis der Philosophin Hannah Arendt zusammengefasst werden. So auch die Farbwahl. Das zeigt sich schon bei den Farben politischer Parteien. Als Dienstagabend das Theater am Bismarckplatz und das Donaueinkaufszentrum in Lila erstrahlten, sollte folglich auch das eine Botschaft vermitteln. Lila gilt als Farbe der Emanzipation und feministisches Symbol. Im antiken Griechenland bereits sahen die Menschen Lila als Farbe der Liebe, Freiheit und Unabhängigkeit an. In den 1920er und 1970er Jahren stand sie für die Gleichstellung der Geschlechter. Sie soll für Reinheit und Untreue stehen, für Macht und Selbstbewusstsein.

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Um die letzten beiden Begriffe dreht sich seit nunmehr 112 Jahren der Internationale Frauentag – und deshalb erstrahlte Regensburg am Dienstag auch in lila – zumindest punktuell. 1975, dem Internationalen Jahr der Frau, erklärten die Vereinten Nationen den 8. März zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“. Im gleichen Jahr wurde in Mexiko die erste UN-Weltfrauenkonferenz abgehalten und die „UN-Dekade der Frau“ (1976 bis 1985) ausgerufen.

„Feministische Kämpfe sehen wir überall auf der Welt.“

Viele Jahre später gehen auch heuer wieder weltweit Frauen auf die Straße. In Regensburg dominiert Lila am Dienstagabend auch die Demonstration von Eben.Widerspruch. Unter dem Motto „Purplize the world“ (Färbt die Welt lila) zieht das feministische Kollektiv zusammen mit über 300 Regensburgerinnen und Regensburgern vom Ankerzentrum in der Zeißstraße über die Landshuterstraße in die Innenstadt. „Feministische Kämpfe sehen wir überall auf der Welt“, heißt es in einem Aufruf. In Polen würden Frauen für ihr Recht auf Abtreibung streiten, im Iran sich unter dem Hashtag #LetUsTalk Gehör verschaffen und in Südamerika lautstark gegen Femizide, die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, auf die Straße gehen – nicht nur am 8. März.

Der eigene Körper gehe niemanden anderen etwas an und sei keine Einladung für sexistische Sprüche oder Anmachen.

„Smash the patriarchy“, ist es wie in vielen anderen deutschen Städten am Dienstag auch in Regensburg zu lesen. Oder: „My dress is not a yes.“ Selbstbestimmung, das fange eben schon dabei an, dass Frauen anziehen können was sie wollen, ohne sofort blöde Anmachen und sexistische Sprüche erdulden zu müssen oder körperlich angegangen zu werden, heißt es auf der Demo.

Gewalt gegen Frauen – essentieller Bestandteil von Krieg

Dass der Demonstrationszug, der auch vom Frauennotruf und Gewerkschaften unterstützt wird, am Ankerzentrum beginnt, hat mit der oft eklatanten Lage von Frauen in Kriegsgebieten und auf der Flucht zu tun. Laut einer Sprecherin der Regensburger Beratungsstelle Solwodi seien sexuelle und körperliche Gewalt gegen Frauen essentieller Bestandteil von Krieg. Laut der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung finden derzeit 25 Kriege und vier bewaffnete Konflikte weltweit statt.

In anderen Teilen der Erde würden Frauen zudem noch immer Opfer von Menschenhandel oder auch Genitalverstümmelung werden. Viele würden da Zuflucht und Sicherheit in Europa und Deutschland suchen. Beratungsstellen wie Solwodi versuchen, diese Menschen aufzufangen. „Wir vermitteln Rechtshilfe und versuchen Stabilität zu geben“, heißt es zu Beginn der Regensburger Demo. „Doch die Bürokratie hierzulande lässt das oft nicht zu und die Betroffenen nicht zur Ruhe kommen.“

Kita-Streik am Frauentag? „Genau das richtige Datum.“

Ein etwas anderes Themenfeld ist bereits Dienstagvormittag Gegenstand einer 8. März-Aktion. Vor dem Gewerkschaftshaus in der Richard-Wagner-Straße hat die Gewerkschaft ver.di ab 10 Uhr zum Streikfrühstück geladen. Vergangene Woche hat die aktuelle Tarifrunde der Sozialdienst- und Kita-Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber begonnen. Ein erstes Gespräch mit der Arbeitgeberseite letzten Freitag verlief aus Gewerkschafts- und Beschäftigtensicht nicht sehr erfolgreich. Ein Angebot blieb bislang aus und so ruft ver.di am 8. März bundesweit zum Warnstreik auf.

Mehr „Knete für alle” sei ein Anfang, aber allein nicht die Lösung, heißt es Dienstag beim Warnstreik von verdi.

Dass die Münchner Tageszeitung tz vor wenigen Tagen fragte, weshalb der Kita-Streik ausgerechnet am Weltfrauentag stattfinden müsse, zeigt für die Gewerkschaftssekretärin Kathrin Birner (ver.di Oberpfalz) ein völlig falsches Verständnis von der Bedeutung dieses Tages. Es sei genau das richtige Datum, um für die Anliegen der Beschäftigten in den Sozialen Diensten zu kämpfen. Schließlich sind rund 83 Prozent der hier Beschäftigten Frauen. In den Kinderbetreuungseinrichtungen sind es sogar 95 Prozent. Nicht selten müssten die Beschäftigten Familie und Beruf meistern, könnten deshalb meist nur in Teilzeit arbeiten und seien daher besonders von Altersarmut betroffen.

Anstatt die Branche – ähnlich wie die Pflege – aufzuwerten, werde das Arbeitsfeld immer unattraktiver. Mit gravierenden Folgen für die Gesellschaft. Laut aktuellen Erhebungen fehlen bei Kitas im Schnitt pro Einrichtung schon jetzt drei Fachkräfte. Bis 2030 sollen bundesweit 200.000 Stellen unbesetzt bleiben. „Mehr Knete“, wie es eine der Streikenden auf ihrem Schild fordert, sei wichtig heißt es in den Reden am Vormittag. Gerade auch für Angestellte in leitenden Positionen müsse es für die geleistete Mehrarbeit auch eine entsprechende monetäre Wertschätzung geben. Auch wenn die Arbeitgeberseite meine, ohnehin schon Spitzenlöhne zu zahlen, wie Birner unter Buh-Rufen süffisant anmerkt. „Wenn es nach denen geht, ist nie der richtige Zeitpunkt für Lohnforderungen.“

Mehr Geld, mehr Urlaub, mehr Wertschätzung

Eine bessere Bezahlung allein reiche allerdings nicht aus, die Berufe attraktiver zu machen und aufzuwerten. Am Dienstag wird von mehr Urlaubstagen gesprochen, mehr Möglichkeiten, um sich fortzubilden und vor allem auch mehr Entlastung durch mehr Personal. Schon jetzt könne die qualitative Betreuung von Kindern oder auch von Menschen in Behinderteneinrichtungen nicht mehr gewährleistet werden. Die Beschäftigten würden sich (nicht nur) nach zwei Jahren Pandemie vielfach allein gelassen fühlen. Insgesamt arbeiten rund 500 Beschäftigte in den 35 städtischen Betreuungseinrichtungen. 18 mussten aufgrund des Streiks am Dienstag komplett schließen.

„Eins, zwei, drei, vier, Anerkennung fordern wir.“ So rufen es die etwa 150 Beschäftigten verschiedener Sozialdienste und Kitas der Stadt Regensburg dann auf der anschließenden Demonstration durch die Innenstadt. „Fünf, sechs, sieben, acht, das hättet ihr wohl nicht gedacht“, schallt es über den Dachauplatz und gegen die Mauern des Doms. Während in Bayern und den meisten Bundesländern der 8. März eigentlich ein Arbeitstag ist, gilt der 1910 von der deutschen Feministin Clara Zetkin initiierte Internationale Frauentag seit 2019 in Berlin als Feiertag. Mecklenburg-Vorpommern will im kommenden Jahr nachziehen.

Ökonomische Gleichberechtigung gefordert

Schon am vergangenen Samstag hatten sich einige Vertreter von ver.di zusammen mit der Regensburger SPD und deren Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer vor dem Alten Rathaus versammelt. Gemeinsam wolle man die Beschäftigen in der aktuellen Verhandlungsrunde unterstützen und insgesamt die Gleichberechtigung der Frauen voranbringen. Denn die sei vielerorts auch ökonomisch noch längst nicht erfüllt.

Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht, darunter viele Frauen. Laut Solwodi seien Flucht und Krieg für sie oft auch mit sexueller Gewalt verbunden.

Darauf machte am Montag auch der sogenannte Equal Pay Day aufmerksam. Hierbei wird jährlich auf die durchschnittlich noch immer deutlich unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern hingewiesen. Laut den Zahlen des statistischen Bundesamtes haben im vergangen Jahr Frauen in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Mit 19,12 Euro blieb der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen 4,08 Euro unter dem von Männern (23,20 Euro). Selbst bei gleichen Qualifikationen zeigt sich laut dem Bundesamt eine Differenz von im Schnitt sechs Prozent pro Stunde. „Neun und zehn, so kann es doch nicht weiter gehen“, rufen die Frauen Dienstagmittag auf ihrem Weg durch die Stadt.

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Kommentare (6)

  • Finn

    |

    Lila der letzte Versuch? Lila Kuh. Wer kommt denn auf diese Farbe Violett. Bisher wars halt immer so: Mädls rosa und Buam blau. Basta.
    Aber leider ist das eigentliche Thema viel zu ernst.

  • xy

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    “Sie [die Farbe Lila] soll für Reinheit und Untreue stehen…”

    Ist das Ernst gemeint? Eine Farbe für die “Untreue”? Im Zusammenhang mit “Feminismus” habe ich ja schon wirklich viel Unsinn gehört, aber das schlägt jedem Schminktopf das Glätteisen an den gegenderten Eplilierer!

  • Gleichsteller

    |

    Plakat vom Frauentag in Regensburg: “30 Mio Frauen flüchten weltweit”
    — Ja, schon klar… dass auch 20 Mio Männer weltweit flüchten, interessiert ja nicht.
    Und dass die verbleibenden 10 Mio Männer von ein paar durchgeknallten Despoten (Assad, Putin & Co) gezwungen werden, sich in Syrien, der Ukraine etc. gegenseitig tot zu schießen – egal.
    Hauptsache, die Frauen können sich als alleiniges Opfer fühlen.

  • Westendler

    |

    Das Wichtigste ist immer irgendetwas mit irgendeiner Farbe anleuchten, noch a bissl Blabla und dann kann man wieder so weitermachen wie bisher. Immer ja nichts ändern. Erleichterungen für Frauen, Abschaffung des Ehegattensplittings, zuverlässige Kinderbetreuung, Benachteiligung von Frauen bei Gehaltserhöhungen (Frauen die in Elternzeit gehen), Förderung der Bildung usw….. Aber hier müsste man dicke Bretter bohren und hart arbeiten, dann lieber irgendetwas, irgendwie anleuchten.

    Wie wärs denn mal vom Staat (Stadt, Bund, Land,…) voranzugehen und die unteren Einkommensgruppen überproportional anzuheben, flexible Arbeitszeitmodelle zu fördern, befristete Anstellungen abzuschaffen, Werkverträge zu verbieten,…
    Das würde vielen Frauen wirklich helfen.

  • Mr. B.

    |

    Zu Westendler
    10. März 2022 um 08:45 | #

    Genau Westendler, so einfach wäre es, wenn man nur wollte!
    Steuervergünstigungen für Reiche, für Oligarchen (wie man jetzt ja mitbekommen hat) und Kohle für Kriegsführung geht wahrscheinlich leichter?

  • Ohnmacht

    |

    @Westendler
    Ich liebe ‚flexible Arbeitszeitmodelle‘. Meine Erfahrungen:
    -Grüß Gott
    -Der / Die ist nicht da
    -hat Urlaub
    -ist krank
    -wir sind unterbesetzt
    -tut mir leid ich komme nicht an die Unterlagen
    -rufen sie wieder an
    Beep,Beep….

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drin