Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Und im Wahlkampf anscheinend auch. Der Vorstoß von Franz Rieger für eine höhere Sozialwohnungsquote entpuppt sich als chancenloser „Diskussionsbeitrag“. Bereits in punkto Kappungsgrenze hatte der Landtagskandidat der CSU glatt die Unwahrheit verbreitet.
Christian Schlegl wiegelt Riegers Vorstoß als “Diskussionsbeitrag” ab. Foto: Archiv/ Staudinger
„Die Quote für öffentlich geförderten Wohnraum muss auf mindestens 30 Prozent erhöht werden.“ Mit dieser Forderung ist der Regensburger CSU-Chef Franz Rieger am Donnerstag an die Öffentlichkeit gegangen.
Erst im Januar hatte der Stadtrat – nach langer Diskussion – dem Vorschlag der Verwaltung zugestimmt, Investoren auf städtischen Flächen zu verpflichten, 20 Prozent des Wohnraums öffentlich gefördert und damit günstiger im Mietpreis („Sozialwohnungen“) zu errichten. Nun fordert just Rieger eine Erhöhung dieser Quote, der seine Partei zuvor – gelinde gesagt – nur recht zögerlich zugestimmt hatte. Ein tatsächlicher Umschwung oder reines Manöver im Landtagswahlkampf? Es ist wohl letzteres.
Ein „konkreter Diskussionsbeitrag“…
Eine erste Reaktion von Oberbürgermeister-Kandidat und CSU-Fraktionschef Christian Schlegl lässt darauf schließen, dass es sich dabei um eine reine Luftnummer handelt. Riegers Vorschlag sei ein „konkreter Diskussionsbeitrag“, erklärt Schlegl vielsagend, ohne näher auf die Aussagen seines Parteifreunds („Friede beginnt zuhause“) einzugehen. Er stelle er sich nicht die Frage, wie man mehr Sozialwohnungen bekomme, so Schlegl, sondern „mehr bezahlbare Wohnungen für Gering- und Mittelverdiener“. Und dazu gehörten eben auch frei finanzierte Wohnungen.
„Herr Rieger sollte sich mal fachkundig machen.“
Regelrecht verärgert über Rieger Vorstoß wirkt SPD-Fraktionschef Norbert Hartl. „Wir sind in die Verhandlungen mit der CSU genau mit diesen 30 Prozent gegangen“, sagt er. Allerdings habe man sich dann auf den Kompromiss 20 Prozent geeinigt. Die Fördermittel von Land und Bund seien nicht ausreichend, um eine solche Quote umzusetzen, so Hartl. Auch gebe es „bei den momentanen Regensburger Rahmenbedingungen nicht genügend Bauherren“. „Herr Rieger sollte sich mal bei den Verhandlungsführern der CSU im Koalitionsausschuss fachkundig machen.“ Es wäre jetzt die richtige Zeit, die Beschlüsse umzusetzen, statt weiterhin Theoriediskussionen zu führen, wie es Dr. Rieger macht.
Verärgert, aber auch ratlos: Norbert Hartl. In punkto Wohnungspolitik versucht die CSU derzeit die SPD mit allen Mitteln auszubooten. Foto: Archiv/ as
Hartl ist schon im Streit um die Senkung der Kappungsgrenze mit Rieger aneinander geraten. Die bayerische Staatsregierung hatte im Juli eine Verordnung erlassen derzufolge in über 80 Kommunen – darunter Regensburg – die Mieterhöhungen binnen drei Jahren von 20 auf 15 Prozent gesenkt wird. Die Krux: Diese Verordnung gilt nur zweieinhalb Jahre und erweist sich damit als weitgehend wirkungslos.
Schon bei der Kappungsgrenze: die glatte Unwahrheit
Rieger hatte behauptet, dass aufgrund von Bundesgesetzen keine längere Gültigkeit möglich sei – das ist schlicht falsch. Als Hartl Rieger deswegen kritisierte, bezeichnet dieser ihn als „Hobby-Juristen“, erklärte, dass es Wichtigeres in punkto Wohnungsbau gebe als die Kappungsgrenze und startete schließlich das Ablenkungsmanöver Sozialquote, das Schlegl nun als „konkreten Diskussionsbeitrag“ bezeichnet, der – da muss man kein Prophet sein – nicht im Kommunalwahlprogramm der CSU auftauchen wird.
Sozialquote von 30 Prozent in München
Eine Sozialquote von 30 Prozent ist übrigens nichts Exotisches – eine solche gilt etwa in München. In Regensburg fehlen derzeit nach Erhebungen der Stadtverwaltung rund 2.000 „Sozialwohnungen“, also öffentlich geförderte, mietgünstige Wohnungen. Jährlich fallen zudem rund 150 Wohnungen aus der Mietpreisbindung. Allein so viele müsste also schon jährlich gebaut werden, nur um den Wegfall auszugleichen.
Es ist keine Überraschung: Christian Schlegl ist OB-Kandidat der Regensburger CSU. Und trotz Gegenfeuer mutet der plötzliche Wandel der ehemals hasserfüllten Chaostruppe fast bizarr an. Es gibt bereits den ersten Wahlwerbespot mit Ministerpräsident Horst Seehofer.
Für Häme und Befriedigung bei manchem CSUler sorgen umetikettierte Rieger-Plakate entlang der Frankenstraße. Tatsächlich waren es aber keine Parteifreunde, die dafür verantwortlich sind. Es gibt ein anonymes Bekennerschreiben.
Zumindest eine CSU-Abspaltung wird zur nächsten Kommunalwahl antreten. Die CSB hat sich zurückgemeldet. An der Spitze steht der ehemalige Justitiar des CSU-Kreisverbands.
Die CSU demonstriert weiter Einigkeit und beginnt, sich auf den politischen Gegner (nicht CSU) einzuschießen. Das Problem formuliert Fraktionschef Christian Schlegl: „Die Menschen müssen diese Glaubwürdigkeit auch empfinden.“
Die Regensburger CSU hat zwar einen neuen Vorsitzenden und einen Vorstand, der alle Lager berücksichtigt. Die Wahlergebnisse lassen aber darauf schließen, dass es noch viele Unzufriedene gibt. Einig ist man sich lagerübergreifend in einem Punkt: „Wolbergs muss verhindert werden“.
„Aus dem Strohhalm ist ein Schilfrohr geworden“, sagt CSU-Fraktionschef Christian Schlegl zur Entwicklung der letzten Wochen. Im Vorfeld der Vorstandswahl am Freitag sieht alles danach aus, als ob er doch noch OB-Kandidat der CSU werden könnte. Unterdessen wird darüber nachgedacht, die Öffentlichkeit von den Wahlen auszuschließen. „Wir wollen in Ruhe diskutieren können“, sagt ein Vorstandsmitglied.
Mit Juristerei und auch ansonsten recht fragwürdigen Argumenten hat der CSU-Kreisvorsitzende eine Mitgliederbefragung bei der Wahl eines OB-Kandidaten abgelehnt. Am 26. April soll nun der Vorstand neu gewählt werden. „Sollte ich wiedergewählt werden, wird das Verfahren zur Suche eines OB-Kandidaten fortgesetzt“, so Gugau.
Wer wird OB-Kandidat der Regensburger CSU? Der Landtagsabgeordnete Franz Rieger will die rund 1.100 Mitglieder darüber abstimmen lassen. Dem Kreisvorsitzenden Armin Gugau, der über Riegers Vorstoß vorab nicht informiert wurde, wird damit die Herrschaft über das Auswahlverfahren entzogen. Sein Stellvertreter Hans Renter zog heute die Reißleine und erklärte, nicht mehr für den Vorstand zu kandidieren.
Man hat sich darauf geeinigt, sich einigen zu müssen. Und außerdem soll irgendwas passieren – irgendwann. Das ist das Ergebnis der Vorstandssitzung der Regensburger CSU.
Leberkäs und Bier, Wahlkampfreden, die nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben und Gäste auf der verzweifelten Suche nach einem Oberbürgermeister-Kandidaten. Am Sonntag lud die Regensburger CSU zum Neujahrsempfang. Zumindest gab es eine Überraschung: In den Reigen der Kandidaten-Kandidaten scheint sich nun auch eine Kandidatin zu gesellen.
Jetzt ist es raus: Christian Schlegl soll Oberbürgermeister werden. Zumindest, wenn es nach dem amtierenden OB Hans Schaidinger geht. Auf dem Neujahrsempfang der CSU-Verbände im Stadtsüden empfahl Schaidinger den Fraktionsvorsitzenden Schlegl offiziell als OB-Kandidaten und appellierte an die „Vernunft“ der Regensburger CSU. Ein gewagtes Unterfangen, dem der Kronprinz Schlegl gelassen entgegensieht.
Aus dem Kompromiss zum Semesterticket wird nun ein begehrter Zankapfel: Nicht nur studentische Gruppierungen streiten sich darum, auch Vertreter von CSU und SPD exerzieren dank unterschiedlicher Auffassungen von Solidarität erste Wahlkampfübungen durch.
„Mia san mir und schreim dea me se uns“ – was viele bayerische Landsleute augenzwinkernd dahersagen und nur wenige allzu ernst nehmen, hat Wilfried Scharnagl zu einer Forderung ausgearbeitet. „Bayern kann es auch allein“, behauptet der frühere Redenschreiber von Franz-Josef Strauß und Ex-Chefredakteur des Bayernkuriers in seinem neuesten Buch. Der Kreisverband der CSU Regensburg hat ihn in den Prüfeninger Schlossgarten eingeladen und lauschte nur allzu gerne seinem „Plädoyer für den eigenen Staat“ (Untertitel).
Fabelergebnisse für Franz Rieger und Hans Renter: Mit großer Mehrheit wurden beide als CSU-Kandidaten für Land- und Bezirkstag nominiert. Aller Geschlossenheit zum Trotz wird das aber für die Kommunalwahl nicht reichen.
Der zwischenzeitlich heiße CSU-Krieg ist derzeit wieder kalt geworden. Bei der Aufstellung der Wahlmänner für die Bundes-, Land- und Bezirkstagskandidaten bleiben die üblichen Wortgefechte aus. Auch wenn klar ist, wo die Fronten verlaufen. Immer mehr Sorgen macht sich die Parteibasis angesichts eines fehlenden OB-Kandidaten.
„Ich trinke immer auf den Weltfrieden.“ Hunderte, wenn nicht gar tausende Male gibt Phil Connors diesen Trinkspruch zum Besten, um seine Arbeitskollegin Rita (Andi McDowell) ins Bett zu kriegen. Doch so oft er es auch versucht – es will nicht klappen.