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Transit-Festival

Utopien in „nüchternen Zeiten“

Nachdem die Präsenzveranstaltung im letzten Jahr corona-bedingt abgesagt werden musste, wurde gestern das Transit Filmfest mit fast einjähriger Verspätung im Ostentorkino eröffnet.

Die Band Red On beim Transit-Festival im Ostentorkino. Foto: om

Es war wohl so etwas wie eine „dunkle Vorahnung“, als sich das Transit Filmfest im vergangenen Jahr dem Thema Utopie beziehungsweise Dystopie verschrieb. Kulturamtsleiterin Maria Lang geht in ihrem Grußwort auf diese kuriose Begebenheit ein. Als man das Festival plante, war von Corona noch keine Rede. Die eigentliche erste Ausgabe des früheren Heimspiel-Festivals sollte im November 2020 über die Bühne gehen, musste aber aufgrund der Pandemie kurzfristig ins Netz verlegt werden.

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Die Neuauflage findet jetzt gerade, fast ein Jahr später, statt. Selbe Filme, selbe Uhrzeit, anderes Datum. Und doch auch eine ganz andere Zeit. Lang geht inhaltlich auf das Festival-Motto INTERMISSION_UTOPIA ein. Ihre Ansprache unterscheidet sich erheblich von salbungsvollen und nichtssagenden Pflichtübungen gewöhnlicher Grußworte. Sie bekommt am Ende auch deutlich mehr als nur Höflichkeitsapplaus.

Utopien: Ein „Fanal, um Schäden abzuwenden“?

Lang verweist darauf, dass Utopien seit Thomas Morus verheißungsvolle Ideen sind, die Welt gerechter, freier und besser zu gestalten. Doch sind Utopien im Zeitalter des Anthropozäns überhaupt noch ein „Signal zum Aufbruch“ oder sind sie nicht vielmehr lediglich ein „Fanal, um Schäden abzuwenden“? Taugen politische Utopien überhaupt, um Zukunft zu gestalten? Die Zeiten seien wohl „nüchterner“ geworden. Das Kino jedoch, so Lang, sei schon immer „ein Ort ästhetischer Utopie“. Im Film spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen. Sie lade die Anwesenden gerne ein, mit dem Kulturamt in Dialog zu treten, „um die Stadt von morgen zu gestalten“. Mit Blick auf das Festivalprogramm bewundere sie den „Mut und die Experimentierfreude“ des Transit-Teams.

Die Experimentierfreude zeigt sich tatsächlich schon bei der Wahl des Eröffnungsfilms, der nicht weiter vom Kino-Mainstream entfernt sein könnte. „Last and First Man“ (2020) des bereits verstorbenen isländischen Komponisten und Regisseurs Jóhan Jóhannsson ist alles andere als ein gewöhnlicher Film. Wie Festivalleiterin Chrissy Grundl im Interview mit regensburg-digital vor ein paar Tagen sagte, habe sie das Werk „umgehauen“ und dafür gesorgt, dass man sich bei der Vorbereitung des Festivals thematisch „auf utopische/dystopische Konzepte“ konzentrierte.

Eine Stunde Beton

Last and First Man zeigt über eine Stunde lang Beton. Die Drohnenkamera zieht im Schneckentempo über die brutalistischen und retro-futuristischen Monumente Ex-Jugoslawiens hinweg. Die sogenannten Spomeniks, darunter etwa das „Denkmal für die Revolution der Einwohner von Moslavina“, das an den Widerstand gegen die kroatischen Ustaša-Faschisten erinnert, werden von allem möglichen Winkeln und Perspektiven an- und weggezoomt. Sonst passiert fast nichts. Tilda Swinton liest aus der fernen Zukunft Olaf Stapledons Science-Fiction-Geschichte über die Entwicklungsstufen des Menschen. Begleitet werden die körnigen schwarz-weiß Bilder von Jóhannssons teils minimalistischer teils opulenter Orchester-Musik, die im Grunde das Kernstück des Filmessays bildet.

Volles Haus zur Eröffnung

Den Eröffnungsabend im sehr vollen Ostentorkino – 3G und Maskenpflicht – komplettiert die Nürnberger Band Red On, die unter Live-Visuals auf der Kinoleinwand einen Mix aus vertracktem Postrock, Electronica und verschleppten Drum Patterns präsentiert.

Im Andreasstadel wurden gestern unter anderem auch schon Thomas Vinterbergs 2020er-Filmsensation „Der Rausch“ gezeigt sowie Lisa Webers Doku, „Jetzt oder Morgen“ (2020), in der eine prokrastinierende und arbeitslose Wiener Familie auf behutsame, freundschaftliche und witzige Weise porträtiert wird.

In den kommenden Tagen werden noch knapp 20 Filme gezeigt. Darunter Magnus von Horns „Sweat“ (2020) über eine Fitness-Influencerin, die von einem Stalker heimgesucht wird oder die belgische Doku „Victoria“ (2020), die das Publikum auf eine Reise in die nie verwirklichte Reißbrett- und nunmehr „gigantische Geisterstadt“ California City mitnimmt. Das Transit Filmfest läuft noch bis Sonntag in den Kinos im Andreasstadel und Ostentor.

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