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Reportage

Der Alien im Bayerwald

Er war ein Fürst zu Sayn-Wittgenstein, nannte sich sich aber auch YAH, Arkon oder Augustus. Als „Führer der plejadischen Sternflotte“ versprach er denen, die an ihn glauben, göttliche Weisheit. Tatsächlich ist der „weltweit bedeutendste zeitgenössische Mystiker“, der in einem niederbayerischen Weiler Anhängerinnen um sich scharte, ein Kindervergewaltiger mit Faible für Pornos, Porsche und Reichsflugscheiben. Eine Reportage.

Ausschnitt aus einem Einladungsflyer zu einem ZEN-Seminar 2005 in Österreich.

Es ist Mittwoch, der 17. März 2021, kurz nach 9 Uhr morgens. Die Vorsitzende Richterin Elke Escher verliest das Urteil. Der Angeklagte ist schuldig des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in 75 tatmehrheitlichen Fällen. Unter Einbeziehung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung bedeutet das: sechs Jahre und vier Monate Haft. Eine Simultandolmetscherin übersetzt dem englischsprachigen Täter den Urteilsspruch ins rechte Ohr. Er muss damit gerechnet haben. Die Taten hat er wenige Tage zuvor in vollem Umfang gestanden. Eine Regung zeigt der Vergewaltiger nicht.

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Durch YAH zu Königen des Universums

Wenn man den kleinen Mann mit Brille, grauem kurzen Haar und Bart in leicht gebückter Haltung auf der Anklagebank sitzen sieht, denkt man nicht unbedingt daran, den „weltweit bedeutendsten zeitgenössischen Mystiker“ vor sich zu haben. Das zumindest behauptet der heute 65-jährige Aryah Emanuel de Escandon Conde de Sierra Gorda über sich selbst in einem Flugblatt. Dort informiert die „Universelle Allianz der Planeten und der Plejadischen Ausserirdischen Gruppe“ über „die Meister-Diskurs Seminare“ von YAH.

YAH – das ist einer der Namen, die der rechtskräftig verurteilte Verbrecher de Escandon während seiner Zeit als Guru trug. Seit den späten 1990er Jahren veranstaltet der „plejadische Außerirdische“ in Süddeutschland und Österreich Gehirnwäsche-Seminare, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nichts weniger in Aussicht stellen, als Könige des Universums zu werden.

YAH kommt „Lichtjahre aus der Zukunft“

„Die durch die Meditation der Inneren Stille erlangte Meisterschaft über Euch selbst, Reinigung, Innere Veränderung und die Beendigung der Suche ausserhalb von Euch selbst lässt Euch die plötzliche Erleuchtung im Hier und Jetzt erlangen. Ihr werdet Euch bewusst, was Ihr immer wart und seid: Ein perfekter Gott. Ihr seid es bereits!… Ihr lebt in der Höchsten Wahrheit von Weisheit, Kraft und Freiheit, immer in Verbindung mit der Ewigen Existenz. Uns als ein Gott habt Ihr Bedingungslose Selbstentschlossenheit, Selbstvertrauen, Mut, verlasst Euch auf Euch selbst und seid selbstverantwortlich, ohne den Zwang, das Annehmen, die Anbetung oder Abhängigkeit von einer kontrollierenden äusseren höheren Autorität. Es ist Euer göttliches Erbe als Reine Kosmische Intelligenz, frei und ein Selbstbestimmtes Unabhängiges Wesen zu sein. Ihr seid Göttliche Könige des Universums.“

Diese Zeilen stammen angeblich aus dem Jahr 1965. Da wäre der YAH gerade einmal zehn Jahre alt gewesen. Für diese offensichtliche biographische Merkwürdigkeit hat der 1955 auf Kuba geborene US-Amerikaner eine Erklärung parat. Als „Romuelaner von den Plehyon“ komme er „Lichtjahre aus der Zukunft“ und sei „durch einen Seelen-Transfer in einen damals 10-jährigen irdisch-menschlichen Körper“ gelangt. Seither stehe er „in ständigem telepathischen und physischen Kontakt mit seinem anderen Selbst, ebenfalls YAH, der Große Blonde Plejadier, der Mitglied im Rat und militärischer Führer der plejadischen Sternflotte ist und zur Zeit die Erde umkreist“.

Und weiter geht es in der Selbstbeschreibung:

„YAH ist einer der ursprünglichen Lyrischen Anführer, die Teil einer Gruppe von 144009 Ausserirdischen in einer vorzeitigen, früheren Inkarnation auf der Erde waren, welche diese vor 389000 Jahren kolonisierte. Er hat sich zur Zeit wieder inkarniert, zusammen mit acht anderen Anführern, die als ‚Die 9 Ewigen‘ oder ‚Die 9 Erwachten‘ bekannt sind.“

Es ist die Rede davon, dass jeder der neun „Meister“ sich bewusst vorbereite und an „bestimmten wichtigen Orten auf der ganzen Welt“ arbeite, um Informationen über „Kosmologie, galaktische und irdische, geheimgehaltene Geschichte, Wissenschaft-Technologie, Gesundheit und Mystik zu verbreiten“.

Keine Science-Fiction, sondern erlogene Ideologie

Was nach einem passablen Science-Fiction-Stoff klingt, ist Bestandteil einer bizarren Ideologie, mit der de Escandon seine Autorität gegenüber den Anhängerinnen und Anhängern einer von ihm gegründeten UFO-Sekte begründete. Er ist demnach nicht nur einer jener neun Anführer, die alle über „speziellen Kräfte“ zur „Entwicklung der menschlichen Rasse“ verfügen. YAH besitzt die neunte Kraft, die alle anderen Kräfte vereint – und damit natürlich die beste ist. Es gelang ihm mit diesen Lügengeschichten seine Anhängerinnen finanziell auszunehmen, emotional zu korrumpieren, psychisch abhängig und körperlich gefügig zu machen.

Einer der wichtigen Orte: Buglmühl. Foto: as

Als Wirkkreis wurde dem YAH der Bereich Europa zugeteilt. Aus „Sicherheitsgründen,“ so heißt es in dem Pamphlet weiter, dürfen die neun Anführer selbstredend keinen Kontakt untereinander haben. Jeder arbeitet an einem dieser wichtigen Orte für sich allein.

Area Buglmühl

Und der wichtige Ort des YAH ist Buglmühl, ein Ortsteil von Rattenberg im Landkreis Straubing-Bogen, Niederbayern. Neun Kilometer sind es nach Sankt Englmar, zwölf Kilometer nach Viechtach. Hier hat sich der selbsternannte größte zeitgenössische Mystiker niedergelassen. In einem abgelegenen Haus, das seiner Lebensgefährtin gehört. Er nennt sie seinen „Personal Manager“.

Die Rollläden sind heruntergezogen, der Garten mit vielen Nadelbäumen ist ungepflegt, der ausgelassene Pool verdreckt. Unrat türmt sich neben der Hausfassade. Über das Anwesen verteilt stehen drei Porsche – 911, Cayenne, Panamera – mutmaßlich finanziert von dem Geld, dass er über die Jahre durch seine Meister-Seminare anhäufen konnte. Im Schnitt hatte er in den Jahren 2013 bis 2017 Monatseinkünfte von 40.000 Euro. Im selben Zeitraum hinterzog er über eine Million Euro an Steuern.

UFOs und Pornos

Porsche fuhr der YAH nicht nur, weil er es sich leisten konnte. Nach Recherchen von regensburg-digital begründete de Escandon diese Leidenschaft damit, dass Porsche am Bau der sogenannten Reichsflugscheiben beteiligt gewesen sei. Diese Legende, die sich kurzgefasst um die Existenz von NS-UFOs dreht, gewann im letzten Jahrzehnt besonders durch YouTube-Videos mit dem Nazi und Verschwörungsideologen Axel Stoll sowie den Iron-Sky-Filmen an Popularität. Gegenüber dem Weltbild des Aliens aus dem Bayerwald wirkt sie allerdings fast schon seriös.

Laut Selbstbeschreibung soll YAH „die grösste und unglaublichste Sammlung von UFO-Videoaufnahmen und photographischen Beweisen“ besitzen. Alle selbst aufgenommen. Beim Prozess in Regensburg berichtete eine Kripobeamtin denn auch tatsächlich, dass man in dem Rattenberger Anwesen Allerlei gefunden habe. Darunter auch – wie es im schriftlichen Urteil heißt – „Massen von DVDs (…), fast alle mit pornographischen Inhalten“.

Außerdem stapelweise laminierte Fotos von nackten, jungen Frauen, Teile von Sexpuppen, einen Fitnessraum voller Kartonagen und auf einem Speicher eine mit Aluminium ausgekleidete Kiste mit Sichtluke und einem Verschlussmechanismus. Daneben eine Vielzahl von handschriftlichen Aufzeichnungen, die teils vom Meister selbst, teils von seiner „persönlichen Managerin” stammen.

Wenn schon keine Reichsflugscheibe, dann wenigstens Porsche. Foto: as

Mutter liefert Tochter dem Vergewaltiger aus

Dort in Rattenberg, wo kaum Nachbarn stören können oder wollen, war man lange unter sich. Ideal für YAHs Sekte. Etliche Seminare fanden hier statt, im Rahmen derer die Tochter einer Anhängerin über Jahre sexuelle Gewalt erfahren musste. Auf Verlangen des Gurus ließ die Mutter das damals zehnjährige Mädchen bei ihm übernachten. Er müsse es „intensiver teachen,“ so sein Vorwand. Die Mutter war froh, dass die Tochter dadurch etwas vom Meister „abbekomme“.

Widerwillig musste Corinna (Name geändert) zunächst mit ihm gemeinsam duschen, bis er sie berührte und nach und nach auf verschiedene Weise und regelmäßig – meist in zweiwöchentlichem Turnus – vergewaltigte. Zwei bis drei Taten pro Seminarwochenende. Meist in Rattenberg, zum Teil aber auch im Kolping-Hotel Am Regenbogen in Cham oder bei einer Busfahrt, wo die Mutter ein paar Sitzreihen davor saß. Die sexuelle Gewalt, die vielfältige Übergriffe beinhaltete, dauerte mindestens drei Jahre an. Wenn sich Corinna weigerte, vergewaltigt zu werden, fing sie sich Ohrfeigen.

Neid statt Hilfe

Das Sektenumfeld schützte dabei den Täter und seine Taten. Die Anhängerinnen waren ihrem „Meister“ absolut hörig und zementierten in ihrer Verehrung das Leid des Kindes. Andeutungen über den Missbrauch wurden nicht geglaubt. Das Mädchen wurde im Gegenteil sogar beneidet, weil es in Augen der Sektengemeinde Privilegien genoss und etwa beim Essen neben dem großen YAH sitzen durfte. Es wurde kollektiv geleugnet und weggesehen.

Verstärkt wurde der Gehorsam gegenüber de Escandon durch ein Sanktionssystem, dem sich die Mitglieder unterwarfen. Auf vermeintliche Verfehlungen folgte nicht nur die Bloßstellung vor der Gruppe, sondern es standen darauf teils erhebliche Geldstrafen. Eine Anhängerin sollte beispielsweise eine fünfstellige Summe zahlen, weil ihr damaliger Freund (offenbar zu) kritisch zu dem Gebaren des Alien-Gurus nachfragte – dieser hatte Corinna geküsst und „nahe des Intimbereichs“ gestreichelt.

„Umarmung einer Jungfrau“ als Coaching-Methode

Die durch den skeptischen Freund in Ungnade gefallene Anhängerin konnte die Summe nicht aufbringen und wurde zunächst ausgeschlossen. Später begab sich die Flugbegleiterin wieder in die Fänge des Sektenführers. Zuvor brach sie auf Anraten ihres Gurus eine Schwangerschaft ab. Sie trage „eine dunkle Macht“ in sich, so de Escandon.

Auch mit ihr verkehrte YAH sexuell. „Freiwillig“ und „auf der Basis eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses“, wie es im Urteil des Landgerichts heißt. Auch mit anderen Anhängerinnen lief es so. Eine weitere Tochter – die kein Kind mehr gewesen sein soll – wurde ihm ebenfalls von deren Mutter „zur Verfügung“ gestellt. Er könne die beruflichen Probleme der Mutter „durch Umarmung einer Jungfrau“ beseitigen, habe der Guru ihr versprochen. In dem Chamer Hotel soll er sich auf der nackten jungen Frau nackt gewälzt und „auf dieser bis zum Samenerguss onaniert“ haben. Die Mutter meditierte derweil vor der Tür.

Die abgelegene Sektenzentrale von YAH Foto: as

Ermittlungsbehörden: keine „konkreten Anhaltspunkte“ für weitere Straftaten

Angesichts der offensichtlich vorliegenden Abhängigkeitsverhältnisse und der systematischen sexuellen und psychischen Ausbeutung durch den Sektenführer sind weitere Übergriffe innerhalb des Kultes nicht unwahrscheinlich. „Je enger man der Gruppenideologie und dem Guru bzw. den Leitern ausgeliefert ist, desto größer die Gefahr, den Machtspielen und sexuellen Vorstellungen ausgeliefert zu sein“, sagt beispielsweise Axel Seegers, Fachmann für Weltanschauungsfragen bei der Erzdiözese München und Freising. Vor allem Kinder und Jugendliche, die „machtlos ausgeliefert sind und ohne Alternativen zu kennen, in der Gruppe groß werden“, seien gefährdet.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln zu der Rattenberger UFO-Sekte allerdings nicht mehr. Es gebe keine „konkreten Anhaltspunkte“ für weitere Straftaten, teilte die Ermittlungsbehörde Anfang März auf Anfrage mit.

Guru im bayerischen Hinterland: Kein Einzelfall

Gerade im ländlichen Bayern kennt man Geschichten von Sektengemeinschaften, die – ideologisch unterschiedlich – Menschen auf bedingungslosen Gehorsam trimmen und sie emotional und finanziell in völlige Abhängigkeit bringen konnten und können. So etwa die in Füssen ansässige Likatier-Sekte Wolfgang Wankmillers oder die esoterische New-Age-Kommune von Oliver Shanti in den 1970er Jahren in Viechtach. Schwere Verbrechen sind diesen Gruppen und ihren Anführen nicht fremd. Shanti ist wie de Escandon ein verurteilter Kindervergewaltiger, der seine Machtstellung ausnutze, um sich an Kindern zu vergehen.

Und es hat zwar ein paar Jahre gedauert, ehe der YAH das Anwesen in Buglmühl als Stützpunkt für seine Sekte entdeckt hat, die ländliche Gegend hatte es ihm aber schon vorher angetan. Er fühle sich dem Wald sehr verbunden, so de Escandon auf der Anklagebank.

Wahrheit-Weisheit ist nicht billig

Aus dem Jahr 2001 ist ein „YAH Meister Diskurs“ in einem Dorf in der Südsteiermark dokumentiert. In dem Einladungsflyer der Esoterik-Veranstaltung von damals heißt es:

„YAH ist hier, um uns mit seinen Lehren und seiner gelebten Wahrheit-Weisheit zu unterstützen, denn wir gehören zu seiner galaktischen Familie. Er will uns helfen unser Seelenbewusstsein zu entwickeln, um uns daran zu erinnern, dass wir in Wahrheit Selbstverantwortliche, Souveräne, Göttliche und Königliche Lichtwesen des Universums sind. Dies ist eine Einladung, die Vision von Weisheit–Wahrheit zu erfahren, die YAH bringt, gesehen durch ‚Die Augen der Ewigen Existenz‘“.

Zwei Tage mit dem YAH kosteten damals 350 DM. Plus 250 Schilling fürs Essen, plus 250 Schilling Übernachtungskosten pro Nacht in einer Naturvereinsheim. Eine eventuelle Mitfahrt mit dem Bus aus München kostete nochmal 240 DM extra. Der Meister spreche „ein leicht verständliches Englisch“, das ins Deutsche übersetzt werde. Eine „persönliche Konsultation mit YAH“ ist gemäß Einladungsformular möglich und kann entsprechend angekreuzt werden.

Kleidungs- und Schmuckstücke als Zeichen von Anhängerschaft

YAH, Aryah, Arkon, Augustus. Der Guru ist im Laufe der Jahre unter unterschiedlichen Namen unterwegs. Als Ari Fürst zu Sayn-Wittgenstein hielt er zum Beispiel im Herbst 2005 ein Seminar „ALL-EIN-SEIN“ beziehungsweise „ZEN im ALLTAG“ in Österreich ab. Dort trat er weniger als Alien, sondern vielmehr als „Connaisseur und Unternehmer, Karatemeister und Bodybuilder“ auf, als „jemand, der sein Leben der Mystik verschreibt und anderen Menschen Weisheit und Verstehen des Existentiellen Lebens näher bringt“.

Lädt nicht zwingend zum Meditieren ein: verdreckter Pool. Foto: as

Manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich durch die Seminarankündigung etwa Stressabbau im Alltag erhofften, kam das Seminar seltsam vor und sie wandten sich an die österreichische Bundesstelle für Sektenfragen. In deren Jahresbericht 2005 heißt es, dass auf „viele TeilnehmerInnen“ nicht nur die Inhalte befremdlich wirkten, „sondern auch das Verhalten mancher Menschen, die mit diesen Inhalten anscheinend vertraut waren. Es sah aus, als würde diesem Fürsten sehr große Verehrung entgegengebracht werden, und das Tragen bestimmter Kleidungs- oder Schmuckstücke ein äußeres Zeichen dieser Anhängerschaft sein.“ In den letzten Jahren hat die Gruppe um de Escandon deutlich klandestiner agiert.

Selbstaufgabe bis hin zur Hörigkeit

Wie bringt ein Guru wie der „Fürst“ seine Anhängerschaft dazu, ihm soviel Gehorsam entgegenzubringen? Allgemein sei es meist „ein längerer Prozess, der mit ideologischer wie tatsächlicher Abschottung einhergeht“, so Sekten-Experte Seegers. Die Gruppendynamik und die Glaubensinhalte seien ebenfalls zu beachten:

„Wenn alles in schwarz und weiß eingeteilt wird, wenn nur die Gruppe ‚retten‘ kann, wenn man selbst keine Kompetenzen zugesprochen bekommt oder wenn man auf der Suche nach Halt und Orientierung quasi zufällig auf so eine Gruppe stößt, ist eine schrittweise Selbstaufgabe und Selbsthingabe, die sich bis zur Selbstverleugnung und Hörigkeit entwickeln kann, nicht auszuschließen.“

Ideologie spielt vor Gericht keine Rolle

Den deutschen Adelstitel trug de Escandon tatsächlich – infolge der Adoption durch „eine Fürstin“, wie er vor dem Landgericht Regensburg angab. Mittlerweile habe er wieder seinen Geburtsnamen angenommen. Geboren ist er 1955 als einziges Kind zweier spanischer Geschäftsleute in Havanna. Infolge der kubanischen Revolution floh die Familie nach Südflorida. Dort soll er am Miami Dade College bis zum Bachelor Kunst studiert haben. Danach habe er, so seine Schilderung, als Kampfsportausbilder gearbeitet. Die Eltern seien tot, Familie habe er keine. „My students are my familiy“, so de Escandon, der 1999 nach Deutschland gezogen ist.

Über die Inhalte seiner „Seminare”, für die er regulär 750 Euro im Monat pro Teilnehmerin verlangte, wollte de Escandon vor Gericht freilich keine Angaben machen. Stattdessen gab er nur unspezifisch und allgemein zu verstehen, sich für asiatische Kampfsportkunst, Philosophie und eine gesunde Lebensführung zu interessieren. Über seine Ideologie schwieg er – ebenso zu den Vergewaltigungsvorwürfen. Das vollumfängliche, aber auch pauschale Geständnis ließ er durch seinen Anwalt vortragen. Im psychiatrischen Gutachten und im Urteil wird ihm eine Neigung zur „dissozialen, narzisstischen motivierten Triebbefriedigung“ attestiert. „Er agiere mit hohem Planungsgrad, manipulativem Geschick und systematischer Desensibilisierung.“

Außerirdischer fürchtet Abschiebung

Die verurteilten 75 Taten sind letztlich nur eine Schätzung. Es könnten bei diesem jahrelang fortgesetzten Verbrechen im Umfeld der Sekte auch mehr oder weniger gewesen sein. Im Rahmen eines angestrebten Verständigungsgespräches, das die Staatsanwaltschaft im Verfahren nicht weiter verfolgen wollte, äußerte der „Außerirdische“ die Sorge, nach Verbüßung seiner Haftstrafe in die USA abgeschoben zu werden.

Der Sektenführer als Vergewaltiger vor Gericht. Foto: om

Ein ungewöhnlich irdisches Anliegen, das der Meister und Lyranische Anführer von der Planetengruppe der Plejaden da formuliert, der ausweislich seiner Selbstbeschreibung sonst „mit der großen Aufgabe“ befasst sei, „bei den Menschen, die bereit sind, die DNS zu erwecken und die gegenwärtigen 2 Stränge auf 3-9 Stränge zu erhöhen“.

Prostata, Rücken, Bluthochdruck – allzu menschliche Probleme

Außerdem plagen das Mitglied der Universellen Allianz der Planeten trotz seiner 9. Superkraft allzu menschliche Probleme. Die Prostata, der Rücken, Bluthochdruck. Seit seiner Geburt leide er an einem vergrößerten Herzen, klagt der YAH. Damit ist wohl die tatsächliche Geburt 1955 in Havanna gemeint und nicht jene 394 Lichtjahre entfernte auf den Plejaden.

„Fürst von Sayn-Wittgenstein führt uns mit bedingungsloser Liebe an die klaren und schlüssigen Antworten heran“, heißt es in einer weiteren Einladung zu einem „Meister Discourse“. Und weiter: „Welcher Meister kann mit so viel Witz, Einfühlung, Treffsicherheit und Lebensfreude uns alle spannenden Zusammenhänge des Lebens aus einer neuen und überraschenden Sicht näher bringen? Wer sonst sagt Dir, woher Du kommst und wohin Du gehst?“

Der mit emotionaler und finanzieller Ausbeutung reich gewordene Vergewaltiger Aryah de Escandon geht zunächst einmal in die Justizvollzugsanstalt.

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Kommentare (14)

  • Mr. T.

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    Wenn der Kerl noch länger auf freiem Fuß gewesen wäre, wäre er jetzt der Prototyp eines Covidioten-Anführers neben Froschkönig, Bauer und Konsorten.

    Leider lassen sich diese grundüblen Taten nur mit Sarkasmus ertragen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Opfer und Opfereltern durch eine starke christliche Sozialisierung schon soweit vorgeschädigt waren, dass sie diesem perversen Subjekt gegenbüber nicht mehr genug Skepsis aufbringen konnten.

  • R.G.

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    Im Katechismus sah man Gott auf der Wolke immer nur von vorne und mit Bart.
    Auf Bild sechs endlich ein Bild von hinten.

  • Anomaler Circus

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    Polizei und Staatsanwaltschaft haben offensichtlich keine Lust dazu, diesen Pudding richtig an die Wand zu nageln. Dabei wäre das eine gute Gelegenheit, den Gesetzgeber nach besserem Werkzeug zu fragen. Also besser als Steigerung von gut, der Plan, Depressive als Gefährder zu listen war ja das Gegenteil.

  • R.G.

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    @”Polizei und Staatsanwaltschaft haben offensichtlich keine Lust dazu, diesen Pudding richtig an die Wand zu nageln.”

    Nein. Uns fehlt eine Sprache zur Sichtbarmachung des Problems; mit der jetzigen erwartet Hilfesucher bestenfalls eine Zuweisung in das psychiatrische Eck.
    In Sekten angewandte Gehirnwäschemethoden wie in militärischen Sondereinheiten, bewirkten eine Abhängigkeit, bei der nach Ausstieg unsere psychotherapeutischen Methoden anscheinend, wenn überhaupt, über lange Zeit keinen Erfolg zeigen.

    In den 70ern und 80ern erzielten man mit Deprogrammierungsmethoden nach Art militärischer Spezialeinheiten beste Erfolge binnen wenigen Wochen, allerdings nicht bei jeder Person. Einer der führenden amerikanischen politischen Berichterstatter eines Nachrichtensenders ist ein Deprogrammierter. Er äußert heute noch Dankbarkeit für die ihm damit geschenkte neue Lebenschance.
    Da einige Anbieter von Rückholungen und Gegen-Gehirnwäschen ihre Macht über die ihnen bei völliger Ausklammerung der Außenwelt und Bezugspersonen Ausgelieferten übersteigerten, sie vergewaltigten oder zuschlugen, und wiederholt Suizide am Ende der Behandlungen standen, kam die Methode völlig in Misskredit.

  • Hthik

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    @Anomaler Circus 19. Mai 2021 um 09:29

    Das beste Werkzeug? Wie wäre es, die Religionsunterrichtspflicht aus der Verfassung zu streichen? Gilt ohnehin nicht in Berlin. Oder wenigstens, was ohne Verfassungsänderung geht, nicht auch noch vom Staat bezahlen zu lassen?

    Wäre es nicht so traurig, würde man das

    “… verlasst Euch auf Euch selbst und seid selbstverantwortlich, ohne den Zwang, das Annehmen, die Anbetung oder Abhängigkeit von einer kontrollierenden äußeren höheren Autorität”

    doch für einen tollen Comicact halten.

    Wegen des Lokalkolorits sei bitte das noch erlaubt: Wie alle Eingeborenen wohl hoffentlich wissen, heißt niemand Fürst durch Adoption, außer das wäre der standesamtlich Name des Adoptierenden. Nun mag es zwar einen Herrn Franz Fürst geben, aber ein Fürst von und zu irgendwas ist als deutscher Adelstitel unwahrscheinlich, weil es in Deutschland keine Adelstitel gibt und auch kein Deutscher der diesen Titel einmal hatte ihn in seinen Nachnamen aufnehmen konnte, weil es ein Primogeniturtitel ist. Also vermute ich, dass mal wieder zutrifft, was der Polt in seiner Rolle als Titelhändler einer Interessentin antwortet, die sich über den Preisunterschied wundert “Ja wissn’s gnä Frau, das ist so ein böhmischer Adel”, worauf diese mit leichtem Abscheu auf das scheinbare Schnäppchen verzichtet.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sayn-Wittgenstein#Namensf%C3%BChrung_%E2%80%9EF%C3%BCrst_zu%E2%80%9C,_%E2%80%9EPrinz_zu%E2%80%9C_und_%E2%80%9EF%C3%BCrst_von%E2%80%9C_Sayn-Wittgenstein

  • Piedro

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    @Hthik
    Religionsunterricht vom Lehrplan zu streichen würde gar nichts helfen, was solche Gestalten und deren Anhänger angeht. Im Gegentum. Religionsunterricht muss je keine Bekenntnisindoktrination sein. Er sollte ein Grundwissen über alle Religionen vermitteln, nicht zwangsläufig nach Konfessionen getrennt. Auch konfessionelle Priester sollten dazu befähigt sein, so lange es um die eigene Konfession geht.

    “…weil es in Deutschland keine Adelstitel gibt …”
    Angeblich gibt es ja auch keine Kaiser und Könige mehr… und doch…

  • R.G.

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    Wir unterstellen leichtfertig, Menschen generell, bei diesem Guru vorwiegend Frauen, suchten ein religiöses Erlebnis und gelangten an einen Scharlatan.
    Heute ist Welt-CED Tag, der Tag zur Bewusstmachung der Probleme von unter Chronisch Entzündlichen Darmerkrankungen Leidenden.
    Die aktuelle Botschaft der Fachleute, man verliere immer mehr Patienten an Heiler oder Gurus; erst wieder in einem fortgeschrittenen, schließlich schwer behandelbaren Stadium ihrer Krankheit tauchten sie neuerlich bei den schulmedizinischen Behandlungszentren auf.
    Gleiches wird für viele andere Erkrankungen gelten.
    Wie erheben die Situation der Menschen vom Erfasstwerden von dem Sog einer Sekte zuwenig.

    Sektenberatungen – ich kontaktierte sie in drei Ländern gelegentlich, wenn junge oder alte Menschen Hilfe suchten, habe ich noch in keinem konkreten Fall als hilfs- oder auch nur gegenüber Einzelpersonen auskunftsbereit erlebt.
    Bei einem einzigen Betroffenen wurde mir wohl ein evangelischer Priester genannt, der zum Ausstieg aus der vereinnahmenden Sekte berate. Da der alte Herr aber nach der ersten Beratung im Pfarrhaus bereits einen Teil seines Erbes nach seiner verstorbenen Frau, in Form einer “Spende für die Kirche” an den Pastor losgeworden war, der Betrag viel höher als ein Honorar bei einem feinen Anwalt und die Einzelforderungen der Sekte übersteigend, kann ich bis heute von keiner effektiven Hilfe berichten.
    Ich erneuere daher meine Forderung an alle Anbieter von Beratung zum Thema, sie sollten bereits an der Schwelle die praktisch für Einzelne erlangbaren Hilfsangebote exakter beschreiben, anführen müssen, was wie viel kostet, wem gegenüber die Stelle berichtspflichtig ist und von wem sie finanziert wird, und wo die Grenzen der der Möglichkeiten der Stelle liegen.
    Weiters, zu wem die Betroffenen weitergeleitet wurden, zum Beispiel ob an Priester, niedergelassene Berater oder Therapeuten, Juristen oder andere Stellen.
    Wichtig zur Beurteilung der Kompetenz der Sektenberatungsstellen ist mir, wie sehr der Kontakt zur Polizei, zum Zweck der Information und Schulung der Beamten über gängige Methoden und Gefahren aus dem Sektenbereich, gesucht wurde.

  • Marcus Friedrich

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    Hallo,
    nja es gibt halt nicht nur die guten sondern auch solche die mit ihrer Gabe den Menschen ausnutzen und sich eigentlich für ein Termin beim “Henker” bewerben.Wenn man sich das mal alles vorstellt komm ich aber immer wieder auf die Teilnehmer zurück die ja alles erst möglich machten.Was denkt ihr euch,das Mensch x die Arbeit erledigt er euch alles für 400Dm mitbringt?Es gibt Menschen mit Gaben die euch Dinge abnehmen können ihr schneller euch vom Leid befreien könnt was im Leben zugetragen wurde den Weg geht ihr aber selbst.Ein Meister der Heilung wird aber nicht als dieser geboren sondern er muss selbst den Weg finden.Er muss lernen mit allem umzugehen und dazu gehört eine Menge an Wissen.Meist weiß der Heiler nicht mal selbst das er eines Tages mal einer werden soll sondern übers Bewusstsein wird ihm klar…..Geld???Man nimmt max eine kleine Spende um z.b Miete fürn Raum zubegleichen aber mehr auch nicht.Die wahren u guten Menschen machen dies weil es ihre Aufgabe ist.KEIN JOB!!!….Ich komme aus Sachsen und halte so ein Ablauf für unmöglich bei mir in der Heimat.Man muss sich hinterfragen ob durch
    die katholische Kirche und ihr da sein über Jahre nicht den Menschen so beeinträchtigt hat das dieser immer wieder die Hilfe in einem Gott sehen mag als selbst Stein für Stein

  • Martin Oswald

    |

    “Es gibt Menschen mit Gaben die euch Dinge abnehmen können ihr schneller euch vom Leid befreien könnt was im Leben zugetragen wurde den Weg geht ihr aber selbst.Ein Meister der Heilung wird aber nicht als dieser geboren sondern er muss selbst den Weg finden.Er muss lernen mit allem umzugehen und dazu gehört eine Menge an Wissen.” (sic!)

    Bitte gehen Sie woanders hin und schwurbeln dort Ihren Unsinn weiter.

  • Mr. T.

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    Ein Meister der Heilung wird wirklich nicht als solcher geboren, sondern muss üblicherweise Medizin studieren, um ein solcher zu werden. Alles andere ist Quacksalberei und Betrug.

  • Privatfrau

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    Gibt oder gab es eigentlich ein Ermittlungsverfahren gegen die Mutter von “Corinna”?
    Aber wahrscheinlich ist diese Frage ohnehin nicht mehr wichtig, weil wie bei so vielen anderen Missbrauchsfällen, auch hier der/die Täter zwischenzeitlich den Gnadennektar der Verfolgungsverjährung schlürfen durften.

  • Hthik

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    @Piedro 19. Mai 2021 um 20:06

    “Er sollte ein Grundwissen über alle Religionen vermitteln, nicht zwangsläufig nach Konfessionen getrennt.”

    Aus objektiver Position, nicht der Position einer anderen Religion.

    Es mag ja sein, dass der eigene Religionslehrer ein ganz lässiger Typ war, mit dem man auch gut über die Fehler in seiner eigenen Kirche ablästern konnte, aber das der ein oder andere die Unausgewogenheit des Systems von sich aus korrigiert, auch wenn er damit hart am Rand des Entzugs der missio/vocatio entlang schrammt, macht das System nicht ausgewogen. Ich will nicht, dass die Schüler nur deswegen nicht indoktriniert werden, weil sie Glück haben.

  • R.G.

    |

    @Martin Oswald
    Die Artikel über den Prozess sorgfältig zu lesen, fiel mir wirklich schwer. Ich hätte mir zu gerne die abstrusen Inhalte erspart.
    Meine Bewunderung Ihnen, dass Sie die Konzentration im Gerichtsaal über Stunden halten und uns verschriftlichen konnten.

    Von der Reichsflugscheibe ausgehend, erkannte ich schließlich doch aus der rechten, völkischen – und Gesundheitsszene altbekannte und durchgehende Argumentationslinien.
    Es wäre für mich interessant, durch wen der Herr auf deutschem und österreichischem Boden Zugang zu den Kursteilnehmern fand, im Normalfall taucht man als von den Göttern gesandter Amerikaner zuerst bei einer größeren Organisation zu den Vorträgen auf oder hält bei reichen Leuten bzw. in Therapieräumen Einzelsitzungen für gutes Geld ab, weil man diesen von jemandem empfohlen wurde. Wer ihm wohl den Eintritt in unsere Gesellschaft
    ermöglichte?
    Haben die Opfer Chancen auf Schadenersatz von dem mutmaßlich reichen Mann?

  • R.G.

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    “bis er sie berührte und”……..”vergewaltigte. Zwei bis drei Taten pro Seminarwochenende. Meist in Rattenberg, zum Teil aber auch im Kolping-Hotel Am Regenbogen in Cham oder…….”

    Gehe ich richtig in der Annahme, dass Kolpinghotels immer noch kirchliche oder kirchennahe Einrichtungen sind?
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kolpinghaus
    Teilt jemand meine Meinung, dass nach Missbrauch durch einen Guru in einem Kolpinghotel, in dem Haus mindestens Informationen zum Prozess, zu Hilfseinrichtungen (nein, nicht wieder Betroffene in bloß die Psychiatrie schicken!) zugänglich gemacht werden sollten?

    Gibt es einen Aushang, in dem die Leitung des Hauses Stellung bezieht? Auch wenn man keine Schuld trägt, weil das Kind in Begleitung der Mutter kam und ging und ein Kontakt zu einem fremden Mann nicht ersichtlich war, so sollte man doch christliche Verantwortung fühlen, bei Verhinderung von Missbrauch mitzuwirken.

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