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Sprengung erfolgreich

Der Wirsing ist gefallen

Pünktlich um elf Uhr fiel am Sonntag das Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz in sich zusammen. 50 Kilo Sprengstoff waren dafür nötig.

11 Uhr: Der Turm fällt. Foto: Bothner

Am Ende ging alles ganz schnell. Nach dem zweimaligen Signalton ist es lediglich ein kurzer, lauter Knall. Erste Staubwolken steigen in die Höhe, die beiden Flanken des Wirsinggebäudes klappen zusammen und schließlich stürzt der Turm kontrolliert und nach Plan in die Sprenggrube. Schon wenige Sekunden später macht sich eine weiße Wolke breit, legt sich als feine Schicht auf Kleidung und Kameras nieder und füllt die Lungen unseres Fotografen.

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Asbestsäcke “außerhalb der Gefahrenzone”

Besonders schädlich soll das Ganze aber nicht sein. Schließlich hatte ein Gutachten bestätigt, dass das komplett entkernte Gebäude frei von Asbest und anderen Schadstoffen sei. Die wenigen übrig gebliebenen Säcke mit abgetragenen Asbeststücken, die zumindest am Samstag noch auf dem Grundstück herumlagen, befänden sich zudem außerhalb der Gefahrenzone, wie besorgten Anwohnern versichert wurde.

Letzte Asbestsäcke lagen zumindest am Samstagnachmittag noch auf dem Platz herum.

Der Wirsing-Turm ist damit Geschichte. Lediglich der große Schutthaufen zeugt noch von seiner einstigen Existenz. Bald werden auch diese Überreste weggeräumt sein und die Geschichten von früheren Zeiten übrig bleiben. „Ich kann mich noch gut an die zahlreichen Partys dort im obersten Stock des Wirsingbaus erinnern“, erzählt Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer am Sonntag vor der Sprengung einem Kamerateam.

Grabrede zum “Spektakel”

An verschiedenen Orten rund um den Ernst-Reuter-Platz, der weiträumig abgesperrt ist, hatten sich seit dem Vormittag hunderte Regensburgerinnen und Regensburger versammelt, um das Spektakel zu beobachten. Manche sind mit ihren Kindern gekommen, andere bauen ihre Kamerastative auf. Manche scheinen vom Feiern direkt hierher gekommen zu sein und ein paar ältere Herren diskutieren darüber, wie das Gelände nun künftig genutzt werden solle.

Es ist vor allem begeistertes Interesse auf des bevorstehende Ereignis, das die meisten Leute in der Maxstraße, auf der Galgenbergbrücke oder an der Kreuzung Luther-Landshuterstraße zusammenkommen lässt. Ganz andere Gefühle hingegen finden sich am Sonntagvormittag bei den Gegnern der Sprengung. Bereits im Vorfeld verschickten Joachim Hubel von den Altstadtfreunden und Reinhard Kellner von den Sozialen Initiativen eine Grabesrede an die Presse:

„Kurz vor der geplanten Sprengung am 23. Februar steht das Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz als Skelett da: Nun können alle ‘reinschauen’ und sich eine Vorstellung davon machen, was man hier hätte verwirklichen können: Vielleicht ein wunderbares ‘Bürgerhaus’ mit Gastronomie, Café, Bücherei und Touristeninformation? Räume für Zusammenkünfte aller möglichen Vereine, für Proben von Musikgruppen, mit Büros mit Service-Angeboten für uns Bürger? Oder größere Räume für Konzerte, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Laientheater oder Kunstausstellungen? “

Doch nun werde „ein Bauwerk des berühmten Architekten Werner Wirsing, von dem einige Gebäude in München und Nürnberg unter Denkmalschutz stehen“ zugunsten eines provisorischen Busbahnhofs „zu Grabe getragen“.

“Mit der Entwicklung weitermachen”

Bis zuletzt hatten die Regensburger Altstadtfreunde zusammen mit anderen Gruppierungen im Rahmen des Bürgerbegehrens gegen das geplante RKK am Ernst-Reuter-Platz immer wieder versucht, das Hochhaus zu retten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Doch letztlich halfen ihre Bedenken nichts. Auch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht wurde abgewiesen.

Übrig bleiben 16.000 Tonnen Schutt.

Jetzt ist der Turm weg und die Bürgermeisterin freut sich bereits, „jetzt endlich hier bei der Entwicklung des Areals weitermachen zu können.“

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Kommentare (14)

  • Rudi Goeritz

    |

    Textzitat:
    Jetzt ist der Turm weg und die Bürgermeisterin freut sich bereits, „jetzt endlich hier bei der Entwicklung des Areals weitermachen zu können.“
    ————

    Die Frau Bürgermeisterin sollte dies ehrlicherweise auch auf ihre Wahlplakate drucken lassen. Am besten noch mit dem Bild der Sprengung im Hintergrund.

  • R.G.

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    Wird hier ernsthaft vorgeführt, dass trotz des heutigen Wissens um die Gefährlichkeit von Asbest seitens der Stadt bei der Ausschreibung keine zwingende Lagerung des Gefahrenguts zwischen Abbau und Verbringung auf die Deponie in einem VERSCHLIESSBAREN Mettallcontainer vorgeschrieben wurde?
    Ging man bewusst das Risiko eventell durch Tierfraß geöffneter Säcke ein?

    Welche Rechtfertigung soll erklären, weshalb man einen Teil der Säcke beim ordnungsgemäßen Abtransport übrig ließ?

    War überhaupt eine überprüfbare Rechnungslegung über die bei der Spezialdeponie abgelieferte Menge vorgesehen, wie weit das dort angegebene Volumen / Gewicht dem in der städtischen Ausschreibung enspricht?

  • Nanni

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    Von wegen Faschingsmuffel. Da soll noch einer sagen die Regensburger können es im Fasching nicht krachen lassen.

  • R.G.

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    Ein Nachtrag.
    Sollte man, wenn die Asbestfreiheit eines Gebäudes bestätigt ist, um endlich sprengen zu dürfen, nicht wenigstens in der Zukunft auch von Asbestfreiheit am Gelände ausgegangen werden?

    Bauschutt muss überhaupt als spezieller Müll entsorgt werden, meinen Dank an die EU dafür, aber die Entsorgungskosten für Asbest sind eines Wissens noch etwas teurer. Weshalb gingen das Materia dann nicht schon an die Sonderdeponie mit?

    Normal arbeitet eine Spezialfirma an der Asbestenfernung und -entsorgung. Wenn sie eine Baustelle verlässt, ist sie wirklich fort. Danach erst wird das Gutachten erstellt.

    Sie fährt in der Regel nicht Monate später noch auf bereits “erledigte” Baustellen, um dort die Entsorgungssäcke zu holen.

    Vielleicht verstehe ich es bloß nicht, man erkläre es mir.

  • XYZ

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    Damit wurde sinnbildlich ein Streitobjekt zu einer Staubwolke zersprengt. Man kann nur hoffen dass der erbpachtenden Stadt ein architektonisch nicht alle Massstäbe sprengendes und bürgerfreundliches Gebäude einfällt, anders als beim Freistaat/Donaumarkt/Museum.

  • XYZ

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    Baurechtlich ist durch den Abbruch nun eine ‘tabula rasa’ geschaffen, die Stadt kann nicht mehr ein Gebäude mit der gleichen Höhenentwicklung ohne Rücksicht auf die nähere Umgebung bauen, nur notabene.

  • XYZ

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    Eine Vorprägung des Baugrundstücks ist durch den Abriss nicht mehr gegeben, die Planungsmöglichkeiten der Stadt sind also eingeschränkt. Wenn sie dort was Grösseres errichten wollte/sollte müssten wohl die angrenzenden Gebäude, wo die Bewohner bei der Sprengung evakuiert und verpflegt wurden, mit erworben werden. Ein Ausweichen auf den Grüngürtel südlich dürfte ausscheiden. Auch nur notabene . . .

  • Victor Lustig

    |

    So ganz kann ich den Abriss nicht verstehen. Das Haus hätte nach dem Entkernen wunderbar neu ausgebaut und weiter genutzt werden können. Es ist viel von CO2-Einsparung die Rede – und hier erlaubt man sich, ein intaktes Stahlbetonskelett in die Luft zu sprengen.

  • Horst

    |

    @Victor Lustig

    Als ich vor Kurzem am ausgehöhlten Turm vorbeikam, war ich überrascht, wie gut die Grundstruktur gewirkt hat, wie gut ein hohes, durch große Glasflächen unten offen und einladend wirkendes Gebäude an dieser Stelle aussehen könnte. Ob ein solcher Totalumbau nach Entkernung teurer ist als es abzureissen und neu zu bauen, weiss ich nicht. Ressourcenschonender wäre es wohl sicher.

  • Gscheidhaferl

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    Ist schon interessant, wie scharf Politik und Verwaltung in Regensburg darauf sind, ein Grundstück zu entwickeln, das nur gepachtet ist. Zeitgleich wird der Sanierungsstau in stadteigenen Gebäuden (z.B. in diversen Schulen) bestenfalls zögerlich angegangen. Da ist immer irgendwie zu wenig Geld da oder es ist irgendwie technisch zu schwierig oder… oder … oder… . Flächen, die tatsächlich für eine andere Wohnungspolitik gebraucht werden könnten, werden bzw. wurden verblüffend günstig verscherbelt. Wenn die daran geknüpften Auflagen nicht eingehalten werden, sieht / sah man das extrem entspannt. Ähnlich großzügig geht man nur noch bei Fässern ohne Boden vor, wie dem ewigen Sanierungsfall in der Maxstraße. Würde gut passen, da jetzt noch einen Ex-OB wieder zu wählen, der nicht nur in einem gigantisch überteuerten Wahlkampf versprochen hat, ohne Ende Sozialwohnungen zu bauen, nur um danach davon zu schwafeln, dass der Markt das Problem regeln muss (ich frag mich bis heute, warum das damals in der SPD nicht zu einem Parteiausschlussverfahren geführt hat).
    Zu was für einem schlechten Witz ist diese Stadtpolitik nur verkommen.

  • Rudi Goeritz

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    Das hässliche weiße Nachbargebäude hätte man sprengen sollen!
    Architektur und Ästhetik gehen in Regensburg wohl nicht zusammen. Eigentlich schon seit Jahrzehnten schon nicht, was jammerschade ist.

  • R.G.

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    @Horst
    Ein Architekt, Harry Glück, ging betreffend ein von ihm in Wien errichtetes Rechenzentrum, das aus den damaligen technischen Erfordernissen bewusst mit vielen Flächen ohne Tageslicht geplant werden hatte müssen, völlig uneitel einen offenen Dialog ein.

    Es hätte sich nach seinen Worten auf jeden Fall gerechnet, mit der vorhandenen, entkernten Grundstruktur etwas “Neues” zu machen.
    Die Entscheidung fiel aber doch für einen Neubau.
    Sein “Rechenzentrum”=”Glaspalast” ist im Wiki-Link unter “Nummer 10” zu sehen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Doblhoffgasse

    Wie man beim halb abgerissenen “Glaspalast” von Harry Glück im Vergleich sieht, wirkte das Wirsing Hochhaus in seiner entkernten Grundstruktur um einiges luftiger und leichter.
    http://cityabc.at/index.php/Doblhoffgasse_10

    Gab es in neuerer Zeit offene Kostenrechnungen vor Abiss von konkreten anderen neueren Gebäuden?

  • braver Giesinger

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    Aha, der wertvollste Baugrund?

    Wieviele Jahrzehnte werden da jetzt Busse darauf rumfahren? Wollen wir Wetten abschließen?

Kommentare sind deaktiviert

drin