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Filmfestival HARD:LINE

Die Grenzen des Kinos

Zum achten Mal fand in den vergangenen Tagen das Regensburger Horror-Filmfestival HARD:LINE statt. Aufgrund der Corona-Pandemie einerseits in äußerst reduziertem Rahmen im Ostentorkino und anderseits als Streaming-Angebot online. Ob diese hybride Form eine Dauerlösung auch nach Corona werden könnte? Festivalchef Florian Scheuerer lehnt das ab.

Erstmals off- und online: HARD:LINE-Filmfestival. Bild: HARD:LINE/Heike Jörss

In diesem Jahr geht es noch härter zur Sache. Allerdings nicht unbedingt auf Leinwand, sondern dahinter. Das erste – und wie Festivalleiter Florian Scheuerer betont, auch letzte – HARD:LINE in hybrider Form. Corona sei „Dank“. Das Filmfestival des „extremen Kinos“, das sich weit über Regensburg international einen Namen gemacht hat, findet in seiner achten Ausgabe sowohl physisch als auch als Stream online statt.

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Harte Linie: 1,5 Meter

Ein Filmfestival während der Corona-Pandemie. Darf man das überhaupt? Und wenn ja, sollte man das? Vielleicht ist das eine Grenze, die Scheuerer und sein Team ausloten wollen. Auf der Leinwand sind Grenzen seit jeher das Thema des HARD:LINE. Grenzen des Geschmacks, des Erträglichen, des Sadistischen, des Zumutbaren, des Psychologischen, des Realistischen, des Fiktionalen, des Cineastischen, des Erlaubten, des Perversen, des Grausamen, des Schrecklichen, des Humoristischen, des Verantwortbaren. Die Aufzählung könnte weitaus länger sein.

Was verantwortbar ist, verlangt während der Corona-Krise aber ganz neue Grenzziehungen. Eine auf absehbare Zeit unumstößliche Grenze sind anderthalb Meter. Anders als bei der Rezeption des Kinos bedarf dieser Grenzbegriff keiner weiteren Erläuterung. 1,5 Meter. Alle wissen, was gemeint ist. Für einen Kinosaal bedeutet diese Grenze vor allem viele leere Plätze.

Scheuerers Horror: Das Gebläse der Lüftung

50 Dauerkarten hat das HARD:LINE bereits frühzeitig verkauft. Genauso viele wie in den vergangenen Jahren. Der Unterschied in diesem Jahr: Wer keine Dauerkarte hat, hat im Ostentorkino (eigentlich 165 Plätze) keine Möglichkeit einen der 13 Lang- und 16 Kurzfilme zu sehen. Abendkasse gibt es genauso wenig wie eine Übertragung der strikt personalisierten Dauerkarten. Filmgespräche im Anschluss an die Screenings wurden zuvor via Videotelefonie aufgezeichnet. Publikumsfragen sind nicht möglich, Filmemacherinnen und Filmemacher nicht vor Ort, Unterhaltungen und Aftershowparties in der Kinokneipe nur überaus reduziert oder gar nicht denkbar. Corona zeigt dem Horror seine Grenzen auf.

Auch das Festivalplakat steht im Zeichen von Corona. Bild: HARD:LINE/Heike Jörss

Durch die pandemiebedingten Beschränkungen verliert das Festival seinen eigentlichen Festivalcharakter. Das weiß auch Florian Scheuerer. So habe er etwa bei seiner Einleitung am Eröffnungsabend die Lüftung des Kinos gehört. „Das war einer der unangenehmsten Momente des ganzen Jahres.“ Das sei früher nie vorgekommen. Es sei überhaupt seltsam und lästig zu Beginn ein ganzes Regelwerk vortragen zu müssen, was die Gäste dürfen und was nicht. Und das bei einer Veranstaltung, die Scheuerer als „Punkrockvariante von einem Filmfestival“ begreift.

„Die Stimmung ist passé.“

„Die Stimmung ist passé,“ bedauert Scheuerer, der es gleichzeitig nachdrücklich schätzt, dass so viele dennoch die Dauerkarten erworben und sich in Bezug auf die Hygieneauflagen sehr diszipliniert verhalten haben. Neben den physischen Karten konnte das HARD:LINE in diesem Jahr auch 20 Online-Dauerkarten verkaufen. Erstmals wurde der überwiegende Teil des Festivalprogramms auch bundesweit gestreamt werden. Die Filme standen dabei jeweils für 24 Stunden online zur Verfügung.

Das zu organisieren, war für das Team nicht ganz einfach, aber nötig. Bei einer Verschärfung der Pandemielage hätte unter Umständen das ganze Festival in den Online-Modus wechseln müssen. Erst am Tag vor Beginn musste Scheuerer den Kinositzplan nochmals gemäß der Regensburger Pandemie-Maßnahmen (maximal fünf Personen nebeneinander) umgestalten.

Exklusivität statt Quantität

Filmverleiher und Rechteinhaber zeigten sich in Bezug auf die Streaming-Variante allerdings skeptisch. Zu groß ist in der Filmbranche die Angst, wenn Filme im Internet auf Abruf bereitstehen. Zumal im Horror-Genre, das entgegen dem Mainstream-Kino nicht auf Quantität, sondern im besonderen Maße auf Exklusivität setzt. Mit Festival Scope, einem in der Branche namhaften und sicheren Streaming-Anbieter, konnte Scheuerer letztlich die meisten Verleiher auch vom HARD:ON:LINE-Festival überzeugen. Zwei seiner Lieblinge seien zwar rausgefallen, allerdings – betont der Veranstalter mit Nachdruck – sei man bei der Filmauswahl „keine Kompromisse“ eingegangen. Das einzige Kriterium, ob ein Film laufe oder nicht, sei seine Qualität.

So verwundert es wenig, dass sich im Programm mit „Schlaf“ nur eine deutsche Produktion findet. Nicht nur im Horror-Genre ist Deutschland im Bereich Film Entwicklungsland. Scheuerer hat dafür eine These: „Die Qualität von deutschen Filmen stimmt oft nicht, weil die Förderstrukturen nicht stimmen“. Das HARD:LINE beispielsweise genieße als Genre-Festival überregional und international eine weitaus größere Wertschätzung und Bekanntheit als regional oder lokal.

Regensburger Filmfördertopf ?

Im „erzkonservativen Regensburg“ hafte der Veranstaltung wohl auch immer noch das Label an: „Das sind doch die mit den perversen Filmen.“ Zwar bekomme das HARD:LINE von der Stadt eine jährliche Förderung von 12.000 Euro (vom Filmförderfonds Bayern zusätzlich 6.000 Euro), doch würde Scheuerer wie anderswo üblich ein ordentliches Büro wünschen und sein Team gerne vernünftig bezahlen können.

Dem Kinobetreiber (Andreasstadel) und Festivalmacher schwebt hierbei etwa ein Regensburger Filmfördertopf von 200.000 oder 300.000 Euro vor, von dem auch Kinos, andere Filmfestivals und Filmproduktionen profitieren könnten. Die Geschichte von Corona und Kino ist ohnehin noch lange nicht auserzählt.

Beim diesjährigen hybriden Festival liefen insgesamt 29 Filme, von denen 24 mindestens ihre Deutschlandpremiere feiern konnten – es gab auch Europa- und Weltpremieren. Eine Quote, die man bislang noch nicht hatte „und das in einem Jahr, in dem wir auf den Premierenstatus freiwillig verzichteten“, heißt es dazu im Programmheft.

An der Horrorgrenze

Dabei sind nicht alle gezeigten Filme dem Horrorfilm zuzurechnen – zumindest nicht eindeutig. Überhaupt werden auch die Grenzen des Genres selbst ausgelotet und gängige Blut-, Gewalt- und Splatterklischees vom „perversen Film“ Lügen gestraft. Während einige Langfilme sich an der Grenze zum Psychothriller bewegen („Luz: The Flower of Evil“, „Schlaf“) oder aber als Kammerspiel auch die Grenze zur Langweile austesten und überschreiten („The Oak Room“), so sind es eher die Kurzfilme, die humoristisch, absurd und trashig Horrorklischees bedienen und brechen. Nicht jedoch ohne dem Genre und seinen Klassikern liebevoll zu huldigen. Zwei der vom Publikum ausgewählten Lieblinge stehen dafür exemplarisch. Das irrsinnige Splatterfeuerwerk „La Ultima Navidad del Universo“ sowie der musikalische Vierminüter „Live Forever“.

Der Lieblingskurzfilm des Regensburger HARD:LINE-Publikums „Live Forever“ gibt es hier zu sehen:

Der zum besten Langfilm gekürte „Dinner in America“ kann übrigens heute Nacht noch bis 02.01 Uhr über die Festivalstreamingseite gegen Entgelt angesehen werden.

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