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Kolumne

HEIMKOMMEN #8: Im Biergarten

Heimatstolz. Heimatsound. Sogar Heimatministerium. Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren so sehr missbraucht wie das Dahoam. Flo Neumaier ist Nachwuchsautor, Humorazubi beim Fernsehen und Regensburger a.D. – Für regensburg-digital schreibt er regelmäßig über seine Besuche, sein Heimweh, sein Regensburg. Heute ein grüblerischer Vorgeschmack auf die bevorstehenden Öffnungen.

Monatelang war dicht. Bald rührt sich wieder was in Regensburgs Biergärten. Zumindest theoretisch. Das Wetter spielt nicht mit. Noch nicht. In München werden schon seit über einer Woche wieder Massen gehoben, Hendl zerrupft, Brot nachbestellt. Von einem, der es ausprobiert hat: Ein Erfahrungsbericht.

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Erstmal der Coronatest. Haben wir alle tausendmal gemacht. Tut nicht weh und dauert nur ein paar Minuten. Dann der Einlass. Türsteher vor Suite, Zapp und Co. sind ein Scheißdreck gegen den Gottkönig von der Gastropforte. Der nimmts genau. Darf er auch. Reservierungen werden gecheckt, Testergebnisse kontrolliert, Gäste an Tische begleitet.

Hier zu scheitern, bedeutet im schlimmsten Fall einen verlorenen Nachmittag. Die wenigen kostbaren Sonnenstunden: vorbei.

Entsprechend diszipliniert, mit Handy im Anschlag und Testzertifikat stehe ich in München Sendling vor dem gelobten Land. Ein Biergarten in einer schmalen Seitenstraße, eingezwängt zwischen Häuserblocks. Nicht vergleichbar mit dem Spital, der Alten Linde oder der Goldenen Ente. Aber immerhin: Kastanien.

Einchecken per App. Kalter Wind und eiskaltes Bier. Erst außen kalt, dann innen. Trotzdem: Der erste Schluck vom Fass ist eine Erfahrung. Und zwar eine Gute. Nebenwirkungen? Man kommt ins Grübeln.

Und man friert.

Warum der Biergarten? Was unterscheidet die Mass hier von der Halbe daheim?

Der Biergarten ist allein dem Genuss vorbehalten. Genuss und (Achtung Wortwitz!) Maßlosigkeit. Beides war in den vergangenen Monaten am ehesten verzichtbar. Klar kann man auch an der Donau einen kalten Schluck und einen guten Ratsch haben, aber irgendwann haben sich Menschen gedacht: Nein. Wir machen‘s besser. Was fehlt? Logisch: Klapprige Tische, Kastanien, überdimensionierte Krüge.

Und sie hatten recht.

Funktionieren ist uns wichtig. Wert hat, was weh tut. Dieser typisch deutsche Masochismus-Reflex bestimmt die Pandemie. Da mache ich niemandem einen Vorwurf. Ich bin ja selber so. Da kann keiner aus. Die meisten hätten entschieden, wie die Politik entschieden hat, wenn wir ehrlich sind.

Junge Menschen oder solche, die noch rausgehen, sollen „sich mal zusammenreißen“. „Es gibt schließlich wichtigere Dinge.“ Wirklich? Gibt es die? Ich denke ja. Aber nicht: hackeln, arbeiten, sich aufarbeiten, schlecht gelaunt sein.

Einschränkungen waren und sind wichtig. Es geht einfach nicht, dass wir durch riskantes Verhalten Menschleben zerstören. Aber: Wie viele Biergärten hätten offenbleiben können, wenn die Büros rechtzeitig zugesperrt hätten? Spekulation.

Genuss, Maßlosigkeit, Lebensfreude. Nicht nur nicht systemrelevant, sondern einfach wurscht. Das ist schade. Was sagt man da? Ja. Mei.

Nur im Biergarten darf der Bayer einmal so richtig den Hedonisten rauslassen. Da hat keiner ein Handy am Ohr. Wer sitzt, der sitzt. Und deshalb ist er wichtig für eine Gesellschaft. Aus. Da kommt kein Wetter dagegen an. Dann friert man halt. Ein bisserl Leidensfähigkeit macht sich hier bezahlt.

Eine gute Jacke gegen den Wind, eine Schachtel Kippen auf dem Tisch. Der Gedanke, dass ich nicht reinkomme, dass irgendwas schiefgeht: absurd. Gäste sind wenige da. Die, die da sind, freuen sich. Abstände werden eingehalten. Ich fühle mich wohl. Alle nehmen Rücksicht, alle passen auf. Gut so!

Vorschlag: Vielleicht mit 40 Grad Fieber nicht mehr ins Büro schleppen. Das lohnt sich nicht. Bei 15 Grad Außentemperatur in den Biergarten? Das lohnt sich sehr wohl. Versprochen!

Wie gesagt: Grübelei ist eine Nebenwirkung der ersten Mass. Aber keine Sorge, man kann gegensteuern. Man bestellt eine zweite.

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