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Verhandlung am Amtsgericht Regensburg

Mit Selbstliebe zum Bankrott

Am Mittwoch wurde eine frühere Neutraublinger Zahnärztin vom Amtsgericht Regensburg wegen Bankrott und Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Die insolvente 58-Jährige betätigte sich am Insolvenzverwalter vorbei als freiberuflicher „Selbstliebe-Coach“.

Die eigene Geldgeschichte umgeschrieben. Foto: Screenshot Facebook.

Auf Facebook wirbt sie für einen sechswöchigen Kurs, den sie anbietet: „Rewrite your Money History“. Ihre eigene Geldgeschichte hat eine 58-jährige Neutraublingerin (jetzt Kölnerin) jedenfalls kriminell und damit ziemlich erfolglos umgeschrieben.

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„Zahnärztin, Zahnarzthelferin, Selbstliebe-Coach“

Die Vorwürfe gegen eine ehemalige Neutraublinger Zahnärztin wiegen schwer. Ganze 147 Bankrotthandlungen sowie einen Betrugsfall listet die Anklageschrift gegen Madlena K. auf. Ihre 32-jährige Tochter Nadine (wohnhaft in Köln) ist der Beihilfe angeklagt. Es geht um Einkommen, das die seit 2011 insolvente Zahnärztin und heutige Zahnarzthelferin ihrem Insolvenzverwalter vorenthalten haben soll. Knapp 70.000 Euro hat sie der Anklage zufolge in den Jahren 2016 und 2017 als freiberuflicher „Selbstliebe-Coach“ verdient, die Summe aber widerrechtlich der Insolvenzmasse vorenthalten. Daneben verschwieg die Deutsch-Bulgarin Einnahmen von 14.000 Euro aus einem Grundstücksgeschäft in Bulgarien.

Einen Geschäftspartner, hier ging es um beabsichtigte Grundstücksdeals in Bulgarien, soll sie außerdem um 120.000 Euro geprellt haben. Tochter Nadine K. habe der Mutter bei ihren illegalen Machenschaften geholfen, so behauptet es die Anklageschrift. Zwar bestätigen sich die Vorwürfe gegen Madlena K. in der Verhandlung vorm Schöffengericht des Amtsgerichts Regensburg unter Vorsitz von Richter Thomas Schug fast vollständig und doch scheint sie ihre Taten nicht mit besonderer krimineller Energie begangen zu haben. „Zu Beginn ihres wirtschaftlichen Untergangs“ habe sie einige schwere Schicksalsschläge – Krebserkrankung, Scheidung, früher Tod eines Bruders – erlitten, so dass sie in der betreffenden Zeit psychisch neben sich stand.

Angeklagte ist geständig

Über ihren Verteidiger Peter Hofmann räumt Madlena K. die Vorwürfe weitgehend ein. Nach einer entsprechenden Ausbildung habe sie im April 2016 eine Tätigkeit als „Selbstliebe-Coach“ aufgenommen. Dabei bot sie weltweit Beratungssessions unter anderem über Skype an und ließ sich mit 237 US Dollar pro Stunde fürstlich bezahlen. Die meisten Zahlungen wurden dabei über PayPal abgewickelt, aber auch auf das Konto der Tochter bei der Sparkasse Regensburg ging reichlich Geld von K.s Selbstliebe-Kunden ein.

Weil sie diese Selbstständigkeit als „Neubeginn“ gesehen habe und nicht „mit dem verpfuschten Geld aus der Vergangenheit“ vermischen wollte, verzichtete sie darauf, ihren Insolvenzverwalter darüber in Kenntnis zu setzen. Sie bereue das und wisse, dass sie es hätte melden sollen.

Bei der Grundstücksveräußerung in Bulgarien dachte sie irrtümlich, dass die entsprechenden bulgarischen Einnahmen (14.000 Euro) nicht zur Insolvenzmasse in Deutschland gehören, erklärt Hofmann zur Motivation seiner Mandantin. Aber „Dummheit schützt vor Strafe nicht“, so der Anwalt. Das sehe K. mittlerweile auch ein.

120.000 fremde Euro in den Sand gesetzt

Was die 120.000 Euro angehe, so habe sie den Gläubiger nicht in betrügerischer Absicht geprellt. Vielmehr wollten beide gemeinsam in Bulgarien in Immobilien- und Ackerlandgeschäfte investieren, wobei der Gläubiger als deutscher Staatsbürger keine GmbH in Bulgarien mit 90 Prozent Anteil halten durfte – wie es laut K. ursprünglich geplant war. Also habe sie eine Einzelgesellschaft mit 50 Euro Kapital gegründet.

Das Geld des Gläubigers habe sie jedoch nicht für sich selbst verwendet, wie es in der Anklageschrift heißt, sondern habe Bemühungen angestrebt, Ackerland zu erwerben. Allerdings sei sie dabei selbst betrogen worden und von dem Investment sei nichts mehr da. „Das Geld ist verdummt. Es ist weg“, so Verteidiger Hofmann. Letzteres glauben der Angeklagten sowohl Staatsanwalt Markus Pfaller als auch das Gericht. Der Betrugsvorwurf wird deshalb zur Untreue abgeändert. K. wollte sich nicht selbst bereichern, hat aber das ihr anvertraute Geld missbräuchlich verwendet.

Die angeklagten Beihilfehandlungen der Tochter bestätigen sich bei der Verhandlung nicht. Im Gegenteil. Das Konto, das Nadine K. ihrer Mutter für die kriminellen Machenschaften zur Verfügung gestellt haben soll, hat sie seit vielen Jahren nicht mehr gepflegt. 2001 wurde es als Jugendkonto bei der Sparkasse eröffnet, verlor für die Kontoinhaberin aber im Zuge von Umzug, Studium und Auslandsaufenthalt völlig an Bedeutung. Mutter Madlena K. hingegen hatte aber seit jeher eine Verfügungsberechtigung und nutzte dies am Insolvenzverwalter vorbei auch aus.

Tochter sponsert Mutter

Madlena K. liebte vor allem das Geld ihrer Tochter. Foto: Screenshot Facebook

Dass Nadine K. nichts von den illegalen Geldflüssen wusste, geht aus der Beweisaufnahme eindeutig hervor. Mutter und Tochter bestätigen das jeweils und Pfaller und Schug glauben das, zumal Nadine K. über ihren Anwalt Florian Eder eine Reihe an Überweisungen auf dieses Konto auflisten lässt. 1.000 Euro, 700 Euro, 500 Euro, 700 Euro – immer wieder überwies Nadine K. ihrer Mutter (auf eigentlich ihr eigenes Konto) viel Geld. „Küsse, Küsse“ und „Für Mama“ lauteten typischerweise die Verwendungszwecke.

Madlena K. kämpft bei der der Aufzählung des Sponsorings durch ihre Tochter sichtlich mit den Tränen. Gelegentlich übernahm die Tochter sogar zielgerichtete Auslagen und beglich Krankenkassen- oder Reifenwechselrechnungen. Sie ging immer davon, dass ihre Mutter kein Geld habe. Von den heimlichen Einnahmen wusste sie nichts.

Das Verfahren gegen Nadine K. wird nach einem halbstündigen Rechtsgespräch eingestellt. Der Beweis, dass sie sich kriminell verhalten haben soll, wie es die Staatsanwaltschaft ursprünglich angenommen hatte, ist nicht zu führen.

Wofür Madlena K. das ganze Geld aufgewendet habe, kann sie trotz mehrmaligen Nachfragen des Richters nicht genau sagen. Die Coaching-Ausbildung, Englischkurse und die Webseite haben unter anderem einige Mittel verschlungen. Dass die „Selbstliebe-Beraterin“ in ihren Coachings, Sharepics und selbstgedrehten Ratgeber-Videos neben Kalendersprüchen auch Tipps zum Umgang mit Geld und Liebe zu Geld gibt, ist in der Verhandlung zwar kein Thema, aber Ausdruck einer Parallelwelt, die sich die ehemalige Zahnärztin geschaffen hat.

Ein Jahr und zehn Monate

Aktuell arbeitet sie in Köln für 1.500 Euro netto als Zahnarzthelferin, weil sie trotz Approbation nicht mehr als Zahnärztin arbeiten könne. Sie leide an starkem Händezittern, sodass ihr eine entsprechende Tätigkeit nicht mehr möglich sei.

Madlena K. wird letztlich wegen 127fachem (20 Fälle werden fallengelassen) Bankrotts und Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Sie habe ihre Taten „vollumfänglich eingeräumt“ sowie von „Einsicht und Reue getragen“ ausgesagt, so das Gericht. Das Geständnis wird ihr hoch angerechnet, auch deshalb kommt sie als Wiederholungstäterin (Bankrott im Jahr 2011) mit einer Bewährungsstrafe davon. Als Auflage muss sie an den geprellten Gläubiger 250 Euro monatlich abführen. Schmerzlich angesichts ihres aktuellen Einkommens.

Wie Madlena K. aber ankündigt, hat sie auch künftig vor als Selbstliebe-Coach weiterzuarbeiten. Ob sie dabei auch weiterhin Finanztipps geben will, ist nicht bekannt. Ihre eigene Geldgeschichte ist zumindest vorläufig zu Ende geschrieben.

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