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"Jet Protector JPX2"

Wie bewaffnet ist der „Ordnungsservice“?

Seit 2018 sind die Außendienstmitarbeiter des Regensburger Ordnungsamtes ausgerüstet mit dem „Jet Protector JPX 2“, ein „nicht-tödliches Abwehrgerät für Spezialeinheiten und Polizei“, das mit 650 km/h und einer Reichweite von sieben Metern „Flüssigreizstoff“ verschießt. Manche erinnert das Gerät an eine Pistole. Das BKA stuft den „Jet Protector“ in seiner Behördenversion als Waffe ein.

Nicht Polizei, sondern Ordnungsamt: Die neuen Fahrzeuge der Kommunalbehörde sehen einem Streifenwagen frappierend ähnlich. Foto: Stadt Regensburg/Effenhauser

Weiße Schirmmützen, weiße Hemden, blaue Uniform und eine ordentlich gebundene Krawatte – als der damalige Oberbürgermeister Hans Schaidinger 2009 mit den ersten Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern des Regensburger Ordnungsdienstes vor die Presse trat, war es eher das Bild des freundlichen Schutzmannes, das man dabei gewinnen konnte. Der offizielle Name „Kommunaler Ordnungsservice“ (KOS) unterstrich diesen Eindruck ebenso wie die anfängliche Aufgabenbeschreibung. Es ging um achtlos weggeworfene Kippen, wildes Urinieren, Lärm und Hundekot, denen der KOS, sechs Männer und eine Frau, Herr werden sollte. „Helfen, nicht ahnden“ sei zunächst das vordringliche Ziel, so Schaidinger damals. Und, wenn alles nichts helfen sollte, stand den kommunalen Ordnungshütern als letztes Mittel ein handelsübliches Pfefferspray zur Verfügung.

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Personalkosten haben sich verdoppelt

Eine knappe halbe Million ließ sich die Stadt damals diesen „Gegenpol zu ständig steigendem Egoismus, mangelnder Bereitschaft zur Rücksichtnahme, Ausleben von Aggressionen unter Alkoholeinfluss und dem Rückgang eigener sozialer Kontrolle“ kosten, wie dem ersten Tätigkeitsbericht des KOS aus dem Jahr 2011 zu entnehmen ist. Vorgelegt wurde dieser (wenig aussagekräftige) Bericht damals auf einen Antrag der Grünen im Stadtrat. Bis heute ist es der einzige geblieben, der im städtischen Informationssystem abrufbar ist.

Freundliche Schutzmänner und -frauen: der “Kommunale Ordnungsservice” bei seiner Einführung 2009. Foto: Archiv

Seitdem hat sich der KOS vergrößert. Mittlerweile arbeiten laut Auskunft der städtischen Pressestelle zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim KOS – zehn A8- und jeweils eine A10- und A12-Beamtenstelle weist der städtische Personalplan dafür aus. Zusätzlich gibt es vier TVÖD-Beschäftigte im Bereich „Ordnungsdienst“. Rund 900.000 Euro sind für Personalkosten im Haushalt eingestellt.

Schlagstock, Handschellen und „Jet Protector JPX 2“

Der “Jet Protector” am Holster eines KOS-Mitarbeiters. Foto: om

Seit Anfang des Jahres unterscheidet sich das Aussehen der Dienstfahrzeuge allenfalls noch geringfügig von jenen der Polizei, auch die winterliche Uniform erinnert an Einsatzkombis der Bereitschaftspolizei. Zur Ausrüstung des KOS gehören mittlerweile Schlagstock, Handschellen und – seit 2018 – der „Jet Protector JPX 2“.

Die Ähnlichkeit dieses „Geräts“ mit einer Schusswaffe, das die Mitarbeiterinnen des KOS auch in einem entsprechenden Holster am Gürtel tragen, hat bereits mehrfach zu besorgten und auch verärgerten Anfragen von Leserinnen und Lesern bei uns geführt. Und tatsächlich ist der „Jet Protector JPX 2“ auch nicht ungefährlich. Der Schweizer Hersteller Piexon hat es als „nicht-tödliches Abwehrgerät für Spezialeinheiten und Polizei“ entwickelt. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 650 km/h verschießt einen „Flüssigreizstoff“. Die Reichweite beträgt bis zu sieben Metern.

„Es besteht die Gefahr einer bleibenden Verletzung, wenn nicht mindestens ein Abstand von 1,5m zu den Augen bzw. zum Gesicht des Angreifers eingehalten wird“, so die Warnung auf der Seite des Herstellers. „Schiessen Sie niemals mit dem JPX Jet Protector auf das Gesicht oder die Augen einer Person bei einer Distanz von unter 1,5 Meter. Durch die hohe Geschwindigkeit des austretenden Flüssigkeitsstrahls können bleibende Blindheit, Tod oder schwerwiegende Verletzungen verursacht werden“, heißt es auf der Seite eines Schweizer Vertriebs.

BKA: „Tierabwehrgerät“ oder Waffe

In Deutschland ist der „Jet Protector“ laut mehrerer Stellungnahmen des Bundeskriminalamts zu den verschiedenen Versionen (zum Beispiel hier und hier) lediglich als „Tierabwehrgerät“ zugelassen – sofern er deutlich als solches gekennzeichnet wird und nicht über die ansonsten integrierte Laserzielhilfe verfügt.

Die Behördenversion als „Selbstverteidigungsgerät“ hingegen, mit der sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Regensburger Ordnungsservice ausgerüstet sind, ist gemäß dieser Stellungnahme eine verbotene Waffe, die nicht frei erworben werden darf.

Stadt: „Waffengesetz ist nicht anzuwenden“

Die Bezeichnung „Waffe“ verwendet die Stadt Regensburg in einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion ausdrücklich nicht. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass „weder das Waffengesetz noch die darauf beruhenden Verordnungen anzuwenden“ seien, „wenn kreisfreie Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder Bedienstete dieser Stellen dienstlich tätig werden“.

Ein Mitarbeiter des KOS in aktueller Montur. Foto: Archiv

Außerdem, so heißt es weiter, sei die Stadt „im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KOS ein Mittel zur Eigensicherung zur Verfügung zu stellen, das im Notfall einen Angriff schon auf eine mittlere Distanz stoppen und so einen direkter körperlicher Angriff abwehren oder vermeiden kann“. Für den „Jet Protector JPX2“ habe man sich insbesondere auch wegen dessen Zielgenauigkeit entschieden. Ein herkömmliches Reizstoffsprühgerät habe eine breite Streuwirkung, beim JPX 2 hingegen könne „eine Gefahr für Dritte oder den KOS-Vollzugsbediensteten fast gänzlich ausgeschlossen werden“.

Bewaffung: Zwischen Ablehnung und der Forderung nach mehr

Der Jet Protector – keine Anbscheinswaffe laut BKA. Mit einer Schusswaffe verwechselt wird er dennoch. Foto: pm

Regensburg ist nicht die einzige Stadt, in der Mitarbeiter des Ordnungsdienstes mit dem Jet Protector ausgerüstet wurden. 2019 haben beispielsweise Bottrop und Mainz solche Pfefferspraypistolen eingeführt. In Köln hingegen wurde diese Idee 2018 nach längerer politischer Debatte wieder verworfen. Insbesondere die dortige SPD hatte sich dagegen gestellt. Die Ähnlichkeit des Jet Protectors zu einer Pistole sei „nicht dazu geeignet, um aufgeheizte Situationen zu deeskalieren“, hieß es unter anderem.

Allerdings gibt es zwischenzeitlich auch Stimme, die für eine noch stärkere Bewaffnung der kommunalen Ordnungshüter plädieren. 2019 hatten beispielsweise die Bürgermeister der Städte Mainz, Trier, Kaiserslautern, Koblenz und Ludwigshafen in einem Brief an den Innenminister von Rheinland-Pfalz eine Ausrüstung mit Elektroschockern – sogenannten Tasern – gefordert. In Frankfurt am Main sind die Ordnungsämter mit Schusswaffen ausgestattet, in Dresden gibt es Schreckschusspistolen.

Voraussetzungen: Verwaltungsausbildung und Lehrgang

Bei der Auswahl ihrer Außendienstmitarbeiter beim KOS richtet die Stadt Regensburg ihr Augenmerk vor allem auf die notwendige Qualifikation für eine Verwaltungslaufbahn im nicht-technischen Bereich. „Bewerben kann sich auch, wer über eine sonstige dreijährige, rechtlich geprägte oder kaufmännische Ausbildung verfügt“, heißt es in einer Stellenausschreibung vom November. „Ebenso können sich Personen bewerben, die im Bereich der öffentlichen Verwaltung eine mindestens fünf­jährige Erfahrung mit schwierigem Kundenkontakt im uniformierten Außendienst (z.B. Verkehrsüberwachungsdienst) haben und in diesem Bereich überwiegend tätig waren.“

Stellenausschreibung der Stadt Regensburg vom Oktober.

Zwingende Voraussetzung ist – spätestens nach Ablauf der Probezeit – eine Teilnahme eineinhalbmonatigen am Zertifikatslehrgang Verwaltung, Fachrichtung kommunaler Ordnungsdienst“.

Zusätzlich gefordert werden unter anderem „gute EDV-Kenntnisse“, „hohe Einsatzbereitschaft“ und „die Fähigkeit, sich auf ständig wechselnde und vielfältige Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einzustellen, auch in schwierigen Situationen auf Menschen einzugehen und Konfliktsituationen souverän zu begegnen“.

Bislang noch kein Schuss durch den KOS abgegeben

Erst nach dem Bestehen der Lehrgänge und einer circa einjährigen Einarbeitungsphase dürfe die der „Jet Protector JPX 2“ geführt werden, so die Auskunft der städtischen Pressestelle. „Im Rahmen regelmäßig stattfindenden Selbstverteidigungstrainings beim KOS wird die Handhabung laufend geübt.“

Zum Einsatz gekommen ist der „Jet Protector“ in Regensburg laut der städtischen Auskunft bislang noch nicht. „Bis jetzt konnte der KOS immer mit anderen Mitteln (Kommunikation, Unterstützung durch die Polizei etc.) brenzlige Situationen begegnen und deeskalieren.“ Dennoch seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KOS „immer wieder Situationen ausgesetzt, die – besonders wenn ein erhöhter Alkoholpegel mit im Spiel ist – äußerst unangenehm werden können“.

 

 

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Kommentare (8)

  • Mr. T.

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    Das Waffengesetz ist hier also nicht anzuwenden. Dann könnte man die Hilfs-Sherrifs wohl auch mit MGs ausrüsten, oder? Das kann doch nicht sein!
    Die exekutive Gewalt kann doch nicht immer weiter in die Hände von Laien gegeben werden.

  • Tom

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    “Die exekutive Gewalt kann doch nicht immer weiter in die Hände von Laien gegeben werden.”

    Warum nicht? Es wurde doch auch die Tätigkeit der/des Oberbürgermeister*in in Laienhände gegeben……..

  • Tekla

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    Ich finde es wichtig das die KOS Aufrüstung endlich mal ein öffentliches Thema wird. Regensburg hat wohl mittlerweile ein echtes Problem?

  • Rintintini

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    Dass der Ordnungsdienst sich schützt halte ich für normal.
    Schließlich werden ja auch wieder Messer getragen in der Stadt.
    Wenn die “Waffe” noch nie zum Einsatz kam verstehe ich die Aufregung nicht.

  • Wiendl Hubertus

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    Wer sich wie Polizei tarnt, darf sich nicht wundern wenn er auch mal so vom einschlägigen Klientel behandelt wird. Ich fände es beängstigend als Fake Polizist Dienst zu schieben. Bereits Schlagstöcke dienen bei der Polizei nicht der Selbstverteidigung. Alles was sich nicht durch freundliche Kommunikation lösen lässt muß von denen geregelt werden die wir dafür bezahlen und die wir zum Einsatz unmittelbarer Gewalt legitimieren. Dafür haben wir die Polizei und die darf sich deshalb auch mit geeigneten Mitteln schützen.

  • joey

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    Die Waffe sieht also aus wie eine Pistole und hat somit offenbar bisher abschreckend gewirkt. Gewirkt!

    Verwaltungskenntnisse braucht man, weil man eben die Vorschriften und ihre Logik kennen muß. Daß der Ordnungsdienst draußen tätig ist, muß man hoffentlich nicht in der Stellenanzeige extra beschreiben.

    Ja, die Farben sind zu polizeiähnlich. Da hat der gemeine Übeltäter überhaupt keinen Respekt davor. Schwarz paßt auch nicht, in der Nacht wären aber die Jacken der Scharia Polizei ganz gut zu sehen.

  • Max

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    Wie sich die Leute aufregen . Bitte tauschen Sie einen Tag mit dem KOS . Wie soll sich ein Mitarbeiter schützen , bei immer steigender Kriminalität ?
    Wird nichts gemacht dann Mimimi wird was gemacht dann wieder mimimi . Die Polizei hat größtenteils andere Aufgaben zu stemmen und gespart hat Jahrelang die Regierung an der Polizei . Bitteschön bewerbt euch dort und dann möchte ich das Gemecker hören . Ich finde es vollkommen in Ordnung die Stadt sicherer zu machen . Unverständlich solche Leute . Es ist hald mal so . Dann bleibt zuhause wenn es jemanden nicht passt .

Kommentare sind deaktiviert

drin