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Urteil am Landgericht

Zwei Jahre für Tablettenraub

Am Donnerstag verurteilte das Landgericht Regensburg einen 26-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung und Raubes nach drei Verhandlungstagen zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe und ordnete die Unterbringung in einer Klinik für den suchtkranken Täter an. Ein Zeuge wurde wegen einer Covid-19-Erkrankung per Videoschalte vernommen.

Bei einem Zeugen wurde am letzten Verhandlungstag eine “audiovisuelle Venehmung” durchgeführt. Foto: om

Wegen schweren Raubes war der 26-Jährige angeklagt worden. Doch den sehen gegen Ende der Verhandlung weder Verteidigung noch Staatsanwaltschaft noch das Gericht. Übrig bleiben eine gefährliche Körperverletzung, ein Raub und eine vorsätzliche Körperverletzung, die Amar A. insgesamt eine zweijährige Freiheitsstrafe einbringen. Weil der Täter drogensüchtig ist, wird er zum Entzug im BKH untergebracht – wo er sich aktuell bereits befindet.

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Unterbringung ist „kein Zuckerschlecken“

Die Unterbringung sei „kein Zuckerschlecken“, führt der Vorsitzende Richter Fritz Kammerer in der Urteilsbegründung aus. Der Räuber solle den Klinikaufenthalt als Chance begreifen, sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Die Therapie werde sicherlich lange dauern und ihm einiges abverlangen. Im Knast wäre es einfacher, ist sich Kammerer sicher.

Bei der Höhe der Strafe bleibt die Siebte Strafkammer etwa in der Mitte der Anträge von Verteidigung (ein Jahr und acht Monate) und Staatsanwaltschaft (zwei Jahre und zwei Monate), geht allerdings nicht von einem minder schweren Fall aus – als solchen bewerten die Tat sowohl Rechtsanwalt Jan Bockemühl als auch Staatsanwältin Lisa Kroher.

Kein Heroin, also wenigstens Tabletten

Verurteilt wurde der 26-Jährige, weil er Anfang Juli 2020 nach einem gescheiterten Heroingeschäft in Nähe des Castra Regina Centers seinen „Dealer“, der ihm nicht den gewünschten Stoff besorgte, mit einem Ast schlug, auf ihn eintrat und frisch in der Apotheke besorgte Lyrica-Tabletten aus einer Tüte raubte.

Zwar gestand A. per Verteidigererklärung weite Teile der Tat, die Hauptverhandlung zog sich dennoch hin, weil die meisten befragten Zeuginnen und Zeugen kaum etwas zur Erhellung des eigentlichen Geschehens beitragen konnten. Eine Freundin A.s, die dabei gewesen ist, konnte oder wollte sich nicht an viel erinnern, der Geschädigte verweigerte die Aussage, um sich wegen des möglichen Drogengeschäfts nicht selbst zu belasten. Der Angeklagte gab an, dem Dealer ein paar Tage zuvor 200 Euro gegeben zu haben, damit dieser ihm Heroin besorge.

Zeuge per Videoschalte

Viel hing von der Vernehmung des einzigen neutralen Zeugen ab, der die Tat beobachtetet hatte. Doch auch diese gestaltete sich schwierig. Der Gastwirt konnte seiner Ladung in der vergangenen Woche aufgrund einer Covid-19-Erkrankung zunächst nicht nachkommen und ist auch an diesem Donnerstag nicht persönlich erscheinen.

Damit sich die Verhandlung nicht noch länger hinzieht, entschließt sich die Kammer auf Anregung von Verteidiger Bockemühl deshalb zu einer „audiovisuellen Vernehmung“ des Zeugen, die zur „Erforschung der Wahrheit“ notwendig sei. Der Gastronom wird per Videokonferenz in den Sitzungssaal zugeschaltet. Weil ein zweiter Monitor nicht funktioniert und alle im Raum etwas sehen sollten, werden Stühle und Tische gerückt und die Sitzordnung verändert, um das Konferenzsystem bestmöglich platzieren zu können.

„Schlag mich nicht, schlag mich nicht!“

Kammerer dankt dem Zeugen ausdrücklich dafür, dass er bereit sei, „auf diesem ungewöhnlichen Wege“ auszusagen. Die anschließende Vernehmung funktioniert auch weitgehend problemlos. Der Gastwirt berichtet, dass er zunächst von draußen laute Geräusche und Schreiben gehört habe und deshalb sein Café verlassen habe, um nachzusehen.

Ein Mann habe gerufen „Schlag mich nicht, schlag mich nicht!“, während ein anderer (zunächst von einem Hauseck verdeckt) mit einem dünnen Ast ein paar Mal auf ihn eingeschlagen habe. Als der Geschädigte auf dem Boden gelegen habe, habe ihm Amar A. mit dem Fuß zweimal in die Rückengegend getreten. Dann habe der Täter den auf den Boden gefallenen Beutel des Opfers aufgehoben und daraus etwas entnommen.

Urteil ist rechtskräftig

Das Gericht erkennt beim Schlagen mit dem Stock eine gefährliche Körperverletzung, beim Treten eine vorsätzliche. Das anschließende Entwenden der Tabletten sei ein Raub. Zugunsten des Täters geht man von verminderter Steuerungsfähigkeit aufgrund des Drogenkonsums beziehungsweise der Entzugserscheinungen aus. Aus Verärgerung über das ausgebliebene Heroin habe A. einen Ast gegriffen und auf den Dealer eingeschlagen. Bevor er dann mit leeren Händen dagestanden hätte, habe er zumindest einen Teil der Lyrica-Tabletten an sich genommen.

Nachdem sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichten, ist das Urteil sofort rechtskräftig. A., der während der Verhandlung einen ruhigen Eindruck gemacht hat, wird damit gleich wieder ins BKH gebracht, wo ihn „kein Zuckerschlecken“ erwartet.

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