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Nach über fünf Jahren

Bauerwartungs-Biotop: Planungsreferat bringt Bebauungsplan auf den Weg

Über fünfeinhalb Jahre nach dem ersten Grundsatzbeschluss legt das Planungsreferat dem Regensburger Stadtrat kommende Woche den Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans vor, der Wohnbebauung auf einer Biotopfläche im Stadtwesten ermöglichen soll. Naturschützer gehen dagegen seit Monaten auf die Barrikaden.

Stehen seit Mitte März: Die Verbotsschilder des IZ rund um die Fläche in der Lilienthalstraße. Foto: Archiv

Gebäude mit bis zu sieben Stockwerken, eine Gesamtgeschossfläche von maximal 35.000 Quadratmetern, davon zwei Drittel für Wohnungen, sowie eine zusammenhängende öffentliche Grünfläche von rund 5.000 Quadratmeter – so sehen die groben Pläne für die bewaldete Fläche an der Ecke Lilienthalstraße/Hermann-Köhl-Straße im Stadtwesten von Regensburg derzeit aus. Das geht aus dem Aufstellungsbeschluss für den entsprechenden Bebauungsplan hervor, den das Planungsreferat kommenden den Stadträtinnen und Stadträten zur Beratung vorlegt (die Vorlage als PDF).

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Grundsatzbeschluss im Januar 2016

Die Pläne des „Immobilien Zentrum Regensburg“, auf der Fläche ein „Quartier West“ zu errichten, sorgen seit Monaten für Proteste von Naturschützern. Es gab eine Demonstration, einen Vor-Ort-Termin mit Stadträten und heftige Debatten im Plenum. Eine Petition, die sich gegen die Bebauung des Areals ausspricht, das in weiten Teilen als Biotop ausgewiesen ist, haben zwischenzeitlich knapp 3.000 Menschen unterschrieben. Insbesondere eine etwas vorschnelle Werbung der Bauträger-Holding hatte die Proteste ausgelöst – als das IZ seine Pläne im November 2020 erstmals beworben hatte, gab es auf der Fläche noch kein Wohnbaurecht. Das soll nun nachgeholt werden.

Bereits vor über fünf Jahren – im Januar 2016 – hatte der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, eine mögliche Wohnbebauung der Fläche zu prüfen. Bis zur Bewerbung des „Quartier West“ durch das IZ erfuhr der Stadtrat – zumindest in öffentlicher Sitzung – dann nichts mehr über die weitere Entwicklung. Intern scheint es nach Darstellung des Planungsreferats aber durchaus Gespräche gegen zu haben – offenbar vornehmlich mit dem „Immobilien Zentrum“.

„Planerische Abstimmungen“ vor dem Kauf durch das IZ

So heißt es in der Vorlage, dass „weitere planerische Abstimmungen“ nach dem 2016er-Beschluss zu dem „Konsens“ geführt hätten, „dass eine Nutzungsmischung bei gleichzeitigem Erhalt eines größeren, zusammenhängenden Teils des Gehölzbestandes zu entwickeln ist“. Mit dieser „Vorgabe“ habe das IZ die Fläche im September 2020 erworben.

Im Vergleich zum bislang gültigen Bebauungsplan aus dem Jahr 1988, der eine Gewerbenutzung auf einer Geschossfläche von maximal 40.000 Quadratmetern und Gebäudehöhen zwischen zehn und zwölf Metern vorgesehen hatte, sinkt die Gesamtgeschossfläche mit nun 35.000 Quadratmetern etwas ab, dafür geht es mehr in die Höhe. Das Areal soll als sogenanntes „Urbanes Gebiet“ eingestuft werden, bis zu sieben Stockwerke sind damit möglich – also Gebäudehöhen jenseits von 15 Metern.

Mitte März demonstrierten Natürschützer unter Corona-Bedingungen an der Fläche. Foto: bm

So will man es offenbar auch schaffen, einen zusammenhängenden öffentlichen Park/eine öffentliche Grünfläche auf rund 5.000 Quadratmetern zu schaffen – dabei dürfte es vor allem um den nördlichen Teil des Areals gehen, der gemäß dem Freiraumkonzept der Stadt Regensburg aus dem Jahr 2020 als „Potentialfläche Grün“ ausgewiesen ist. Mit den 5.000 Quadratmetern werde man den planungsrechtlich vorgeschriebenen Bedarf an Grünflächen „übererfüllen“, heißt es in der Vorlage.

Notwendige Bodensanierung verhindert Erhalt von Bäumen

 

Ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren, wie sie in Regensburg häufig durchgeführt werden, schließt der Verwaltungsentwurf aus. Hintergrund ist die Schadstoffbelastung des Geländes. Teilweise seien „HKW-Schäden (Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe)“ im Boden festgestellt worden, die bei baulichen Maßnahmen „zwingend Sanierungsmaßnahmen zur Dekontamination – mittels Erdaushub und weiterer Maßnahmen – notwendig“ machen. Eine Folge davon: Der Erhalt von Bäumen auf diesen Flächen ist dann nicht möglich.

Etwa 70 Prozent der Fläche sind als städtisches Biotop ausgewiesen, allerdings unterliegt dies keinem gesetzlichen Schutz. Eine Überplanung ist rechtlich zulässig. Aufgrund des bislang gültigen Bebauungsplans für Gewerbe müssten „voraussichtlich“auch keine Ausgleichsflächen nachgewiesen werden, heißt es in der Vorlage. „Die Belange des Baumschutzes sollen jedoch in Anbetracht des Klimawandels im Rahmen des weiteren Bebauungsplanverfahrens – bestmöglich – berücksichtigt werden.“

Sollte die Mehrheit im Planungsausschuss der Aufstellung des Bebauungsplans zustimmen – und davon ist auszugehen – wird es zunächst ein Planungsverfahren gegeben, zu dem fünf Architekturbüros eingeladen werden und das etwa zwei Monate dauern soll. Zeitgleich läuft eine erste Öffentlichkeitsbeteiligung. Daran schließt sich eine weitere zweimonatige Bearbeitungsphase an, nach deren Abschluss der Siegerentwurf für das „Quartier West“ präsentiert werden soll.

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Kommentare (8)

  • R.G.

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    Bäume gehen nicht, aber ein Rasen oder höchstens ein Beserlpark, damit Fiffi weiß, wo das Haxerl zu heben ist.

    Wenn ein Boden zu giftig ist, um später drin wieder mindestens fünfzehn Jahre alte Bäume pflanzen zu müssen und/ oder alte zu erhalten, dann ist auch der stets aufgewirbelte normale Staub aus dem Rasen niemanden zumutbar.

    Mein Laienverstand sagt, irgendjemand hält mich für deppert.

  • Raimund Schoberer Bund Naturschutz

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    Sehr gehrte Damen und Herren,

    Danke an Herrn Aigner für den Bericht und die Aufmerksamkeit!

    In normalen Zeiten wäre der neue Ansatz, dass 5000m² als Freifläche erhalten werden soll ein kleiner Erfolg; aber nicht vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Tatsache, dass der Bereich ökologisch und klimatisch besonders wichtig ist, ganz zu schweigen von der Naherholung.

    Die aktuellen tragischen Ereignisse in NRW und RP zeigen uns, dass wir endlich anders handeln müssen. Schöne Workshops und Leitbilder helfen nicht, wenn in der Praxis das Gegenteil gemacht wird. Regensburg ist eine Stadt am Fluss und eine zunehmend verdichtete Stadt. Hitze und Starkniederschläge werden uns die nächsten Jahrzehnte immer mehr einholen. Regensburg ist verwundbar, mehr wie wir wahr haben wollen. Die Stadt muss hier und jetzt die Weichen richtig stellen und wertvolle Klima- Natur- und Erholungsflächen wie an der Lilienstraße sofort und vollständig erhalten.

    In der Sitzungsvorlage ist keine Zeile zur Petition mir rund 3000 Unterschriften. Dagegen ist die finale Aussage in der Sitzungsvorlage schon bemerkenswert: „Durch den Aufstellungsbeschluss sind keine direkten Auswirkungen auf das Klima zu erwarten. Das Schutzgut Natur/Klima wird im Rahmen des weiteren Verfahrens untersucht.“

    Was können SIE bis Dienstag tun:
    • Wenden Sie sich insbesondere an die Fraktionen der CSU, SPD, FW und der Brücke. Rufen Sie an , Schreiben Sie ein sachliches Mail „pro Erhalt“. Mailadressen: https://www.regensburg.de/rathaus/stadtpolitik/stadtrat
    • Sitzungsleitung hat u.W. Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer. Gerne auch bei Ihr für den kompletten Erhalt der Freifläche werben.
    • Wenden Sie sich auch an die Medien und werben für den Erhalt, z.B. mittels Leserbrief.

    • Wir versuchen noch eine Demonstration am Dienstag 17 Uhr vor der Sitzung zu organisieren. Dann gerne kommen. Info folgt am Montag.

    Viele Grüße
    Raimund Schoberer
    Vors. Bund Naturschutz KG Regensburg

  • Mr. T.

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    “Durch den Aufstellungsbeschluss sind keine direkten Auswirkungen auf das Klima zu erwarten.”
    Das ist ja das Problem. Da ist tausende Mal keine direkte Auswirkung auf das Klima zu erwarten. Aber in der Summe eben dann schon irgendwann.
    Außerdem geht’s ja nicht nur um das Weltklima, sondern auch um das Mikroklima direkt im Umfeld des Biotops. Und darauf hat es massive Auswirkungen.

  • R.G.

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    Wo Kontaminierung des Bodens für möglich gehalten wird, kann das auch die Idee einer Vollasphaltierung rechtfertigen wollen, mit allerhöchstens ganz wenig Rollrasen drüber.

  • Mr. B.

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    Her Schoberer, danke für ihren Kampf, aber gegen das große Geld mit den von ihnen genannten Parteien (Mitgliedern) in dieser Stadt, werden sie nichts ausrichten können.
    Schade!!!!!

  • Freddy

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    -aktuellen tragischen Ereignisse in NRW und RP-
    Es ist schon bewundernswert diese schrecklichen Ereignisse als Begründung heranzuziehen.
    Deutschland hat 357.127 km2 das ‚Bauerwartungs-Biotop’ hat 0,005km2.
    Allein die zugebauten Überschwemmungsfläche im Gebiet Schlachthof oder teilw. Zuckerfabrik (Extremhochwasser) beträgt ein vielfaches des ‚Biotops‘. Und keiner hat sich beschwert.

  • JJ

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    Ich finde den neuen Bebauungsplan einen sehr guten Kompromiss. Jetzt muss es noch gelingen den Wohnraum nicht als reine Spekulations- und Investitionsobjekte zu errichten und den Bürgern ein faires Zuhause zu ermöglichen. Herr Schoberer hat eine einseitige Sichtweise. Es gelingt langfristig nur durch viel „Vernünftiges“ Bauen die soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt aufrecht zu halten. Auch Wohneigentum sollte sich die Mehrheit der Bürger leisten können.

  • Gscheidhaferl

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    @JJ
    Ich fürchte Ihre Hoffnung, das IZ würde an der umstrittenen Stelle ‘faire’ Wohnungen bauen, geht ziemlich an der Realität vorbei. Dafür war der Grund schon beim Einkauf viel zu teuer. Das Geld muss ja wieder hereingeholt werden. Also werden das selbstverständlich primär Spekulations- und Investitionsobjekte. Das sind auch die Produkte, die ‘der Markt’ (=Anleger auf Suche nach Rendite, die angesichts der Niedrigzinspolitik sonst nur noch an der Börse auf nenneswerte Gewinne hoffen können) verlangt.

    Und wo bleiben da die ‘Otto-Normalverbraucher’ und die Einkommensschwächeren? Auf der Strecke natürlich. Wo sonst? Zusammen mit dem größten Teil der ökologischen und sozialen Belange. Es sei denn, die Allgemeinheit übernimmt einen Teil der Miete und bezuschusst damit die Immobilienwirtschaft.

    Anders ginge es nur, wenn die Stadt – mit dem Ziel günstigen Wohnraum zu schaffen – selber im großen Stil auf eigenen Flächen bauen würde (was sie jetzt doch endlich mal bei den Kasernen vor hat; mal sehen, was von den Ankündigungen am Ende übrig bleibt).

    Darum wurde das ja auch seinerzeit schon bei jenem berühmt-berüchtigten Kommunalwahlkampf zwischen Schlegl und Wolbergs so marktschreierisch von beiden Kontrahenten versprochen: Günstiger Wohnraum für alle!!!

    Geblieben sind davon aber vor allem städtische Grundstücke, die letztlich ohne ersichtlichen Grund zu Vorzugspeisen an die hiesige Immobilienwirtschaft gingen. Statt günstigem Wohnraum wurde das Jahnstadion gebaut. Die schon damals längst nötige Sanierung der Schule am Sallerner Berg wurde ein weiteres Mal verschoben. Und Wolbergs ließ wissen, dass der Markt (Sie erinnern sich: das sind die Anleger auf der Suche nach Rendite) das Problem mit dem bezahlbaren Wohnraum schon regeln werde.

    Und weil die Bürger sich dieses Schmierentheater wieder und wieder gefallen lassen (bzw. es bei den Wahlen sogar belohnen), führt uns diese letzte Aussage jetzt wieder zum Anfang dieses Kommentars zurück. Ganz schön bitter, oder?

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drin