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Wohnungseigentümer scheitern vor Verwaltungsgericht

Klage gegen Jahn-Fanprojekt erfolglos

Eine 2017 eingereichte Klage von Wohnungseigentümern in der Malergasse gegen den Fanladen des SSV Jahn Regensburg scheiterte gestern vor dem Verwaltungsgericht Regensburg. Trotzdem kritisierte die Zweite Kammer die „unbestimmte“ Baugenehmigung, die die Stadt Regensburg für das Fanprojekt erteilt hatte.

Der Fanladen in der Malergasse. Foto: om

In über 60 deutschen Städten gibt es auf Grundlage des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS) sogenannte Fanprojekte, die jeweils junge lokale Fußball-Fanszenen sozialpädagogisch betreuen. Eine bundesweite von der Deutschen Sportjugend getragene Stelle (KOS) koordiniert die Fanprojekte. Finanziert wird sie vom Bundesjugendministerium, DFB und der DFL.

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Fanprojekt 2015 vom Stadtrat beschlossen

Im Juli 2015 beschloss der Regensburger Stadtrat (gegen die Stimmen der CSU) die Einrichtung eines Fanprojekts in Regensburg, das sich zur Hälfte aus Mitteln des DFB und zu jeweils einem Viertel aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales und der Stadt Regensburg finanziert. In der damaligen Stadtratsvorlage hieß es damals:

„Fanprojekte leisten wichtige Präventionsarbeit, sie arbeiten mit ihrer jugendlichen Klientel an deren Konflikten und existenzbedrohenden Lebenssituationen und unterstützen die Jugendlichen in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Jugendliche Fans können sich in einem geschützten Rahmen an Gemeinschaftsaktionen und Fahrten zu Auswärtsspielen beteiligen.“

Seit 2016 wird das Regensburger Fanprojekt von Kontakt e.V. getragen. Seit Januar 2017 wird in der Malergasse 15 ein Fanladen betrieben. Im Jahr 2019 bekam das Fanprojekt das pädagogische Qualitätssiegel nach Kriterien des NKSS. Nun war der Laden allerdings Gegenstand einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg.

Vier Kläger: Fanprojekt gehört da nicht hin

Um die Frage, was eigentlich ein Fanprojekt überhaupt mache, geht es ausgiebig auch bei Gericht. Außer den beigeladenen Sozialpädagogen von Kontakt e.V. scheint es darüber unter den Anwesenden allenfalls vage Vorstellungen zu geben. Sowohl bei der Stadt Regensburg als auch beim Gericht. Fangesänge üben? Handwerken? Spiele des SSV Jahn nachbesprechen?

Vier Wohnungs- und Ladeneigentümer eines benachbarten Hauses in der Malergasse klagten bereits 2017 gegen die Stadt Regensburg und fochten deren Baugenehmigung für das Fanprojekt an. Vor dem Fanladen war dort ein Bekleidungsgeschäft. Die Kläger, nur einer wohnt nach Recherchen von regensburg-digital überhaupt dort, wehrten sich gegen die Nutzungsänderung zugunsten eines Fantreffs, weil es dadurch unter anderem zu Lärm- und Rauchbelästigung komme und die teilweise alkoholisierten Fans „nicht immer respektvoll“ seien, gibt der Berichterstatter der Kammer den Klageinhalt wieder.

Der Klägervertreter spricht von „Pöbeleien“ durch die jungen Jahn-Fans und davon, dass im Sinne des Gebietserhaltungsanspruchs. „der Fantreff da nicht hingehört.“ Außerdem – und das wird in der Verhandlung zum großen Thema ­­– sei der Baubescheid zu „schwammig und unpräzise“ und dadurch unklar, was ein „Fanprojekt“ überhaupt sein soll.

Kammer: Baugenehmigung der Stadt ist unbestimmt

In der Einschätzung der Baugenehmigung gibt die Zweite Kammer des Verwaltungsgerichts den Klägern recht. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Seign sieht in der Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein großes Problem. Die Art der Nutzung gehe durch den Bescheid der Stadt nicht eindeutig hervor, dort sei lediglich von „Fantreff“ beziehungsweise „Fanprojekt“ mit Verweis auf einen sozialen Nutzungszweck die Rede.

In der Verhandlung versucht Dr. Tina Voigt, Leiterin des städtischen Rechtswesens, das Fanprojekt baurechtlich konkreter zu fassen. Es gehe um sozialpädagogische Unterstützung, Betreuung und Beaufsichtigung von jugendlichen Fans des SSV Jahn Regensburg, wozu etwa Spieltagsbegleitungen zu Heim- und Auswärtsspielen oder die Vorbereitung von Choreografien gehörten. Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich die Nutzung der Räumlichkeiten als eine Art Jugendtreff – was der Begriff „Fantreff“ ja sehr genau zeige: „Dort treffen sich Fans“.

Richter Seign überzeugt das nicht. „Sehen Sie, Sie selber wissen es nicht, aber wir sollen es wissen?“ Anders als etwa bei „Gaststätte“ wisse man nicht, was mit den vorgebrachten Begriffen baurechtlich genau gemeint sei.

Gericht: Rechte der Kläger nicht verletzt

Ein Thema, das im Baubescheid laut Gericht ebenfalls keine Konkretisierung erfahre, ist, um welches Gebiet es sich bei der Malergasse im Sinne der Baunutzungsverordnung handle. Am Ende gehen alle Beteiligten vom Naheliegenden aus: Mischgebiet. Ein reines Wohngebiet, das etwa strengere Emissionsregelungen kennt, scheidet aus. Denn umliegend gibt es neben Wohnungen etwa auch Einzelhandelsläden, ein Massagestudio und die Bar da Silva. Selbst im Haus der Kläger befinden sich auch gewerblich genutzte Räume: eine Zahnarztpraxis und ein Plattenladen. Warum die Stadt die Gebietsbezeichnung nicht in die Baugenehmigung aufgenommen habe?

Das Verwaltungsgericht sieht die Rechte der Kläger nicht verletzt. Foto: om

Letztlich sei es für den Erfolg der Klage aber nicht allein relevant, ob besagte Baugenehmigung gut oder schlecht sei (die vorliegende sei schlecht), sondern ob die Kläger durch die Raumnutzung in ihren Rechten verletzt seien. Diese Rechtsverletzung erkennt das Gericht jedoch nicht und weist die Klage deshalb ab.

So könne etwa die von den Klägern vorgebrachten Lärmbelästigungen nicht nachvollzogen werden. Die Umweltingenieurin der Stadt, Monika Bayerle, hat ein Worst-Case-Szenario von Lärmemissionen errechnet (50 Personen, die sich drei Stunden lang vor dem Gebäude mit angehobener Stimme unterhalten), wonach selbst in diesem Fall die rechtlich zulässigen Grenzwerte eingehalten würden.

Betrieb des Fanladens ist ohnehin stark reglementiert

Die Öffnungszeiten des Fanladens seien gemäß Betriebsbeschreibung ohnehin streng reglementiert. Nur dienstags und donnerstags am Abend sowie an Spieltagen des SSV Jahn Regensburg ist überhaupt offen. „Lärmintensive“ Tätigkeiten wie das Bedienen von Maschinen oder das Abspielen von Musik (außer Hintergrundmusik) sind untersagt. Auch die maximale Personenzahl sei auf 50 beschränkt – mehr geben die Räumlichkeiten gar nicht her, so die beiden Sozialpädagogen. Fangesänge (Richter Seign: „Wie das ‚Hu, Hu‘ von den Isländern“) gebe es ebenso nicht.

Die beiden Kontakt-Vertreter berichten davon, dass bereits eine Anwohnerbefragung mit positivem Ausgang für den Fanladen durchgeführt wurde und auch der Polizei bislang nichts Aktenkundiges in Bezug auf das Projekt bekannt sei. Ebenso würden die Anwesenden von den sozialpädagogischen Fachkräften darauf hingewiesen, nicht vor dem Haus der Kläger zu rauchen.

Anwalt des Fanladens betreibt Kanzlei direkt darüber

Der Verein, der die Räumlichkeiten betreibt, hätte sich keinen passenderen Vertreter holen können: Rechtsanwalt Philipp Pruy hat seine Kanzlei direkt über dem Fanladen. Er sagt, dass er selbst bislang keinerlei auffälliges Lärmverhalten habe feststellen können und ein störender Zigarettenrauch allenfalls von ihm selbst käme. Pruy kritisiert die Klageschrift, in der es heißt, alle Klageparteien würden sich eine Wand mit dem Fanladen teilen. Dies sei jedoch nicht der Fall, da zwischen beiden Häusern ein Gang samt Treppenhaus verlaufe. Die Wände seien separat.

Durch die Abweisung der Klage kann das Fanprojekt also weiterhin unter den gewohnten Auflagen betrieben werden.


Kommentar

Nachdem die Kläger – abgesehen von der scheinbar schlampigen Baugenehmigung der Stadt – keine stichhaltigen Argumente vorlegen konnten, läuft die Motivation für die Klage offensichtlich auf eine Sache hinaus: Gentrifizierung. Man hätte seitens der Wohnungseigentümer etwa Lärmmessungen oder -protokolle vorlegen können, um die angeblich unerträgliche Lautstärke der Fans nachzuweisen. Oder vermeintliche Pöbeleien, die es durchaus gegeben haben mag, konkret dokumentieren können. Haben die Kläger nicht – ist vielleicht auch schwierig in einer Nachtschwärmer-Durchgangsgasse mit einer Bar an der Ecke, die Jahnfans als die Lärmverursacher zu beschuldigen.

Stattdessen verließen sich die Kläger auf die schlechte Baugenehmigung und das allgemein schwierige Image, das aktive Fanszenen im bürgerlichen Wohnungseigentümer-Milieu genießen. Ultras, die Sticker kleben und Stromkästen anmalen, Pyrotechnik zünden und sich in der dritten Halbzeit mit anderen Fangruppen prügeln. Symptomatisch dafür ist eine Bemerkung des Klagevertreters: Er habe mal geschaut, was Ultras seien. Die seien ja militant und erklären anderen Fanlagern den Krieg. Undifferenzierter geht es nicht.

Klar, wenn der Fanladen aus der Malergasse verschwinden und sich dort vielleicht eine schicke Boutique oder ein niedlicher Pop-up-Store einnisten würde, hätte die Verdrängung des Unerwünschten längerfristig auch sehr positive Auswirkungen auf die Konten der Kläger. Gut, dass es dazu zunächst nicht kommt. Denn ein Fanladen gehört genau dorthin: Mitten in die Altstadt zwischen Einzelhandel, Praxen, hochsanierte und vielleicht noch ein paar schmuddelige Wohnungen. Und sei es nur, um eine weitere Aufwertung des Obermünsterviertels zu verlangsamen.

Disclaimer: Der Autor ist weder jugendlich noch Ultra noch Jahnfan.

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Kommentare (6)

  • MaSlos

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    Das ‘Königlich Bayerische Amtsgericht’ im Jahr 2020 in der Kulisse der ‘Großstadt’ Regensburg.

  • dugout

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    “Um die Frage, was eigentlich ein Fanprojekt überhaupt mache, geht es ausgiebig auch bei Gericht.”

    Das genau scheint , nach der Rendite natürlich, das größte Problem dieser Menschen zu sein. Was ich nicht versteh, das ist bestimmt gefährlich. Kennt man ja die Freimaurer und Illuminaten Bande.
    Dabei wäre es so einfach, wenn man schon nicht beim Jahn nachfragen will, dann hab ich einen Tipp für die Bagage.
    Die Mutter aller Fanprojekte ist völlig öffentlich:
    “Mehr als 25 Jahre aktive Fanarbeit, vor allem von Fans für Fans, haben ein großes informelles Netzwerk geschaffen. Und nicht zuletzt die Bedeutung, die der Fanladen für den FC St.Pauli hat, zeigt, dass eine aktive Fanszene sich einen Stellenwert im eigenen Verein erarbeiten kann, die eben mehr ist als eine willfährige Masse an Konsumenten. Nämlich ein aktiver Teil des Gesamtvereins. Und so kann es auch in der Zukunft nur heißen: Räume schaffen, Selbstinitiative stützen und für die Fans das erreichen, was wirklich wichtig ist: entscheidender Teil einer Kultur zu sein.”

    https://www.stpauli-fanladen.de/der-fanladen-st-pauli/

  • Kernel

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    Sorry, ich kenne die Kläger nicht und auch den Fanladen nur vom vorbeigehen, aber ganz allgemein gefragt – muss jeder Depp immer gleich klagen? Gibt es keine Gespräche, Kompromisse mehr? Was geht diese Klagegeister eigentlich der Fanladen an?

  • Hartnäckig

    |

    obwohl selbst begeisteter Anhänger des SSV Jahn Regensburg, frage ich mich ernstlich, was dieses mit Steuergeldern finanzierte Projekt soll. Es stellen sich bei mir immer die Haare auf, wenn Steuergelder für Profisportzwecke und dessen Randerscheinungen eingesetzt werden.

  • awe

    |

    Ich habe keine besondere Meinung bezüglich dieses Fantreffs, aber vielleicht sollte der Autor des Artikels trotzdem die Bedeutung des Begriffes “Gentrifizierung” noch einmal nachschlagen. Das Bekleidungsgeschäft war da vorher und wurde dann vom Fanprojekt “verdrängt”, nicht umgekehrt. So gesehen fand dort “Abandonment” statt und die Kläger wünschen sich den vorherigen Zustand zurück.

Kommentare sind deaktiviert

drin