Warum so zurückhaltend, Herr Wolbergs?
Sozialbürgermeister ist er, Oberbürgermeister will er werden: Joachim Wolbergs (SPD). Doch vom vermeintlichen Vorsprung, den ihm die MZ zunächst bescheinigte, scheint inzwischen nicht mehr viel übrig. Und beim Sozialbericht, einem seiner Kernthemen, wurde Wolbergs zuletzt ein wenig ausgebremst, so der Anschein, ohne dass er darauf reagiert hätte. Warum so zurückhaltend? Wo bleibt der Biss? Ein Gespräch über den Sozialbericht, die CSU und warum der Wahlkampf weitgehend inhaltsleer bleibt.
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Herr Wolbergs, im Juni 2011 ist der Sozialbericht für Regensburg fertiggestellt worden. Bis zum Ende desselben Jahres sollte ursprünglich ein Katalog mit Maßnahmen vorgelegt werden, die daraus abgeleitet werden. Das wurde mehrfach verschoben. Dann wurde versprochen, die Maßnahmen noch im Haushalt 2013 unterzubringen. Das Jahr ist fast zu Ende und nun werden die Maßnahmenvorschläge, die bei der Bürgerbeteiligung erarbeitet und von der Verwaltung gewichtet wurden, nicht einmal im Stadtrat zur Kenntnisnahme gegeben. Warum dauert das alles so lange?
Ursprünglich wollte ich den Maßnahmenkatalog so schnell wie möglich vorlegen, weil ich wusste: Da will man mich politisch treiben und es muss möglichst rasch etwas dabei herauskommen. Im Zuge der Bürgerbeteiligung haben mich aber die Beteiligten gebeten, sie zeitlich nicht unter Druck zu setzen. Dieser Bitte habe ich natürlich entsprochen und Mitte 2012 waren die Beteiligten dann mit ihrer Arbeit fertig. Der Gang durch die einzelnen Ämter, die Rückkopplung untereinander und mit den Arbeitsgruppen hat dann naturgemäß noch einmal länger gedauert, aber es war ein guter und transparenter Prozess. Wir haben währenddessen ja auch nicht die Sozialpolitik eingestellt. Insofern war das ok.
Nur passiert ist bislang noch nichts.
Dass es jetzt keine Kenntnisnahme im Stadtrat gibt, hätte ich zwar anders gemacht – allein aus Wertschätzung gegenüber den Beteiligten, aber ich verstehe auch den Oberbürgermeister. Er hält sich strikt an den ursprünglichen Beschluss und der besagt, dass wir dem Stadtrat einen fertigen Maßnahmenkatalog vorlegen, dem die Bürgerbeteiligung zugrunde gelegt wird. Ich hätte es anders gemacht, aber nur er setzt die Tagesordnung fest und er will eben erst den fertigen Maßnahmenkatalog und keinen Zwischenbericht.
Wo soll da das Problem sein? Bei der Arbeit zum Kulturentwicklungsplan gab es mehrere Zwischenberichte an den Stadtrat.
Ja. Da gab es sogar vier oder fünf.
Warum nicht zum Sozialbericht und den Maßnahmenvorschlägen?
Da steckt wohl auch eine politische Motivation dahinter, wie man den Presseverlautbarungen der CSU entnehmen kann.
Der Oberbürgermeister wird da sehr konkret. Er hat in der letzten Stadtratssitzung vor Weihnachten erklärt, dass die Vorlage der Maßnahmenvorschläge an den Stadtrat von mehreren Referaten nicht unterzeichnet worden sei. Der Subtext: Das taugt nichts oder, um Wahlkampf-Slogan der CSU zu bleiben: „Der kann’s nicht!“

Vom Oberbürgermeister zu einem der einflussreichsten Männer in der Stadtverwaltung ernannt: Maximilian Mittermaier. Foto: Archiv
Das ist Quatsch. Zunächst hat der Oberbürgermeister es nicht mitgezeichnet. Bürgermeister Gerhard Weber hat es nicht mitgezeichnet, übrigens obwohl dies all seine Amtsleiter getan haben. Damit konterkariert Herr Weber die Arbeit seiner eigenen Ämter. Darüber hinaus hat nur Maximilian Mittermaier (früher persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, dann von ihm als Chef des Amts für Steuerung und Koordination eingesetzt, Anm. d. Red.) nicht mitgezeichnet. Alle anderen Ämter haben mitgezeichnet, insbesondere auch das Finanz- und Planungsreferat.
Wenn es so nicht klappt, hätten Sie als zuständiger Sozialreferent ja einfach selbst einen Antrag vorlegen können, um ihn im Stadtrat abstimmen zu lassen.
Ich habe darüber nachgedacht, aber dann wäre das Ganze ja auch erst im nächsten Jahr in den Stadtrat gekommen. Und letztendlich geht es um drei Monate. Dann ist die Wahl. Wenn ich die Wahl gewinne, lege ich den Bericht dem Stadtrat unverzüglich vor, wenn nicht, dann muss ein Nachfolger sich überlegen, wie er damit umgeht. Unabhängig davon werden wir als Verwaltung, also der Teil der Verwaltung, für den ich zuständig bin, weiter an den Maßnahmen arbeiten. Insbesondere wird es eine Arbeitsgruppe zum Stadtpass geben.
Apropos Stadtpass. Der Oberbürgermeister hat in der letzten Stadtratssitzung ebenfalls angemerkt, dass Sie als Sozialreferent gegen den Stadtpass seien, der in der Bürgerbeteiligung die höchste Priorität eingeräumt bekam, und deshalb keinen Antrag vorgelegt hätten.
Daran merkt man, dass er mich beim Thema Stadtpass vorführen will. Dass ich bei dem Thema Stadtpass eine andere Auffassung habe, ist bekannt. Ich bin für eine Regensburg-Karte, aber bei mir liegt der Schwerpunkt weniger auf Mobilität, sondern mehr auf sozialer Teilhabe. Das ist der bekannte Meinungsunterschied zwischen mir und den Arbeitsgruppen, aber das ist nicht der Grund dafür, dass ich nichts vorgelegt habe.
Es gab ja auch inhaltliche Kritik an den Maßnahmenvorschlägen. Die CSU etwa hat in einer Pressemitteilung erklärt, dass ein Großteil der Maßnahmen nichts mit Armut zu tun habe, dass es an der Ursachenforschung fehle oder dass ein Großteil der geforderten Maßnahmen schon erledigt sei.
Da sieht man, dass die CSU in der Sozialpolitik weder Ahnung noch Interesse hat. Natürlich hat die Frage, wie man beispielsweise Bildungsversorgung, etwa durch Büchereien, organisiert, etwas mit Armut zu tun. Natürlich ist Behinderung ein Armutsrisiko. Wir haben auch nicht verlangt, dass in der Bürgerbeteiligung großartige Zusammenhänge hergestellt werden. Wir haben gesagt: Bringt Euch ein mit Vorschlägen. Alles andere ist unser Part, die Aufgabe der Verwaltung.
Natürlich gibt es Vorschläge, die schon erledigt sind. Wir haben dies aber trotzdem aufgenommen, um transparent zu machen, was vorgeschlagen wurde, was erledigt ist und was es noch zu tun gibt. Darüber hinaus erfährt man, welche Priorität die Bürgerinnen und Bürger den jeweiligen Maßnahmen einräumen und welche die Verwaltung.
Die CSU hat einen völlig verkürzten Armutsbegriff. Da geht es nur um die Frage: Wer hat augenblicklich wie viel Geld. So definieren sie Armut. Der Sozialbericht hat etwas völlig anderes gezeigt, nämlich zum Beispiel, dass in Gebieten wie am Hohen Kreuz, wo wir inzwischen eine gute soziale Infrastruktur haben, sich die Übertrittzahlen an weiterführende Schulen erhöhen. Deshalb hat alles, was da drin steht, etwas mit Armut zu tun. Manches mehr und manches weniger. Das so in Bausch und Bogen abzukanzeln ist eine Missachtung derjenigen, die sich an dem Prozess beteiligt haben. Diese Pressemitteilung war einfach billiger Wahlkampf.
Die Kritik kam ja nicht nur von der CSU. Der Direktor des Internationalen Instituts für empirische Sozialökonomie, Professor Ernst Kistler hat vor knapp drei Wochen die teilweise Abtrennung des Sozialberichts vom materiellen Armutsbegriff kritisiert. Auch fehle eine großräumige Perspektive.
Ich kann die Kritik zum Teil nachvollziehen, wobei wir bewusst etwas anderes wollten. Ich möchte eine Grundlage in Regensburg haben, die wir laufend fortschreiben und der ein statistisches Kapitel vorgeschaltet ist mit konkreten Zahlen zu Grundsicherungs-, Hartz IV- und beispielsweise Wohngeldempfängern. Wir wissen zum Teil auch, wie viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse wir haben. Das haben wir aber vorerst alles nicht abgebildet, weil wir diese Zahlen eben ohnehin haben. Wir wollten etwas anderes wissen, nämlich wie wir sozialräumlich agieren könnten, das macht nämlich die tatsächlichen kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten klar.
Nun gut. Es gibt jetzt also den Sozialbericht. Es gibt Maßnahmenvorschläge und es gibt die bekannten Zahlen. Wie lange wird es jetzt noch dauern, bis dem Stadtrat jetzt tatsächlich konkrete Maßnahmen mit Zeitplan und Kosten vorgelegt werden?
Das kann ich noch nicht sagen. Einen Maßnahmenkatalog kann ich in einer Stunde vorlegen – anhand der Bürgerbeteiligung und dem was ich selber weiß. Das meiste davon ließe sich auch relativ rasch konkret beziffern. Ich glaube aber, dass es überhaupt keinen Sinn macht, vor der Wahl noch etwas in diesen Stadtrat zu bringen. Das würde dann nur im Wahlkampf instrumentalisiert. Ich würde mir stattdessen wünschen, dass die Parteien im Wahlkampf in einen Wettstreit über die Inhalte der Bürgerbeteiligung treten. Alle sollen sich in ihre Programme schreiben, was sie wollen. Dann können die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen. Wie schnell wir das dann vorlegen können – ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht mal, ob ich nach der Wahl noch eine Rolle spiele oder nicht. Auch davon hängt es aber ab, ob etwas vorwärts geht.
Dann wäre es doch sinnvoll, jetzt etwas vorzulegen. Damit das Thema im Wahlkampf tatsächlich eine Rolle spielt und es nicht beim Wunsch bleibt.
Das ist die eine Seite der Medaille, aber ich glaube, dass da nichts mehr reell diskutiert wird. Dass ich jetzt nichts vorlege hat im Übrigen nichts mit Koalitionsräson zu tun. Die CSU würde ja wollen, dass ich noch vor der Wahl etwas vorlege. Warum? Weil sie damit den Beweis antreten wollen, dass ich städtische Gelder im Sozialhaushalt , a la Wunschkonzert verheizen und den Wirtschaftsstandort Regensburg so gefährden würde. Ernsthaft diskutiert würde da nicht mehr werden.

“Ich glaube, dass die Wahl nicht nach Themen gewonnen wird, sondern nach Sympathie und Vertrauen.” Wahlkampf-Broschüre der SPD.
Warum sind Sie so zurückhaltend? Wäre es nicht Zeit, sich zu positionieren?
Man sieht doch jetzt, wie die CSU auf die Maßnahmenvorschläge reagiert: Mit einer Kritik, die einer Themaverfehlung gleichkommt. Natürlich haben mir auch eigenen Leute aus der SPD geraten, jetzt drauf zu hauen. Aber das ist nicht zielführend. Mir geht es darum, dass das Ergebnis am Ende stimmt. Diejenigen, die in der Sozialpolitik unterwegs sind, wissen was sozialpolitisch in den letzten fünf Jahren geschehen ist. Nur beim Thema Stadtpass gab es unterschiedliche Auffassungen. Hier habe ich aus meiner fünfeinhalbjährigen Erfahrung einfach einen anderen Schwerpunkt. Der liegt für mich bei sozialer Teilhabe.
Machen Sie mit Sozialthemen deshalb ungern Wahlkampf , weil Sie lieber mit Wirtschaftskompetenz in Verbindung gebracht werden wollen?
Überhaupt nicht. Ich glaube, dass die Wahl nicht nach Themen gewonnen wird, sondern auch nach Sympathie und Vertrauen. An großen Kernthemen, die die Leute bewegen, gibt es doch nur wenige: das Thema Wohnen ist eines. Alles andere sind vermeintliche Randthemen, die den Wahlkampf nicht bestimmen werden. Ich habe auch kein Problem damit, dass ich vordringlich mit Sozialthemen in Verbindung gebracht werde. Das ist mein Schwerpunkt. Das wird er auch bleiben. Und dass ich mich auch um die Wirtschaft kümmern kann, das konnten alle, die meine Arbeit ein bisschen verfolgt haben, dem entnehmen, wofür ich im Stadtrat gestimmt und mich in meiner Fraktion eingesetzt habe. Ich mache auch jede Woche Firmenbesuche und führe Gespräche mit Akteuren der Wirtschaft. Nur steht das nicht immer in der Zeitung .
Es gibt aber durchaus ein Potential von Wählern, das sich für Inhalte interessiert und es gibt auch Medien, die darüber berichten. Wäre es nicht wichtig, damit, mit Inhalten, verstärkt Wahlkampf zu machen?
Ich habe schon den Anspruch, dass die Wählerinnen und Wähler wissen, wofür ich stehe und ich glaube auch, dass ich diejenigen erreiche. Wer Inhalte vermittelt, muss sich aber auch der Kritik stellen können. Das sieht man am Beispiel meiner Wahlplakate. Man kann sich über Fotos oder das Design meinetwegen aufregen, aber es standen Inhalte drauf. Andere plakatieren „Erntezeit“ oder „Der kann’s“. Ich verschicke regelmäßig Pressemitteilungen zu unterschiedlichen Themen, aber sie finden wenig Beachtung. Trotzdem werden wir im Januar unser Programm verabschieden, und ich werde mich gerne daran messen lassen.