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Tag 23 im zweiten Korruptionsprozess

Urteil im zweiten Wolbergs-Prozess könnte bis zum Sommer dauern

Zu einem Schlagabtausch um die zeitliche Planung kam es am 23. Tag des zweiten Korruptionsprozesses gegen Joachim Wolbergs. Das Gericht bat „vorsorglich“ um Terminvorschläge für Juni und Juli. Da platzte Wolbergs und seinem Verteidiger der Kragen.

Verärgert über die Terminplanung des Gerichts: Joachim Wolbergs und Peter Witting. Foto: as

„Ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass ich alles getan habe, um dieses Verfahren zu beschleunigen.“ Als Rechtsanwalt Peter Witting gegen 10.30 Uhr diese Bemerkung macht, haben sich im Sitzungssaal 104 die Wogen schon wieder etwas geglättet. Am Donnerstag steht die Aufklärung der konkreten Vorwürfe gegen Joachim Wolbergs und den Mitangeklagten Ferdinand Schmack teils ein wenig im Hintergrund. Gestritten wird wieder einmal über den Zeitplan der fünften Strafkammer.

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„Wählen Sie mich, es wird schon gut gehen.“

Witting und Wolbergs haben im Verlauf des Prozesses schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass es ihnen zu langsam geht. Denn fest steht: Mindestens bis zu einem Urteil im zweiten Korruptionsprozess bleibt der Oberbürgermeister vorläufig suspendiert. Als der Vorsitzende Richter Georg Kimmerl nach zwei Beweisanträgen Wittings die Verfahrensbeteiligten am Donnerstag bittet, ihm „rein vorsorglich“ weitere Verhandlungstermine für Juni und Juli mitzuteilen, platzt Witting der Kragen. Ständig gebe es bei den Verhandlungstagen viel zu lange Pausen, heute habe man den ersten Zeugen gerade mal 15 Minuten befragt und müsse jetzt wieder auf den zweiten Zeugen warten. Erst letztes Mal habe man wieder zwei Stunden lang Mittag gemacht.

Wenig später schaltet sich auch Joachim Wolbergs in die Diskussion ein. Seit vier Jahren gebe es nun schon Ermittlungen gegen ihn. Seit vier Jahren jage ihn die Staatsanwaltschaft und ziehe das Verfahren künstlich in die Länge. Und die Kammer hier sei nicht in der Lage, das Verfahren an einem Stück durchzuverhandeln. Jetzt müsse er seinen Wählern sagen: „Wählen Sie mich, es wird schon gut gehen.“ Und ab morgen werde es nun heißen, dass er bis Juli suspendiert bleibe. Und das alles, „weil die Staatsanwaltschaft wie von der Tarantel gestochen…“

„Das ist mir jetzt zu blöd.“

Nun schaltet sich Oberstaatsanwalt Jürgen Kastenmeier ein. Das gehe jetzt zu weit. Richter Kimmerl stimmt zu. „Das können Sie so wirklich nicht sagen“, wendet er sich an Wolbergs, „das mit der Tarantel“. Zum wiederholten Mal versichert Kimmerl, dass man das mit den Ermittlungen seit Februar 2016 durchaus sehe und auch berücksichtige. „Ja, ja. Das sehen Sie alles“, gibt Wolbergs wütend zurück. „Aber für mich hat das dramatische Konsequenzen.“

Ob die Verteidiger ihre Anträge nicht etwas mehr bündeln könnten, versucht Kimmerl nun die Gemüter etwas zu beruhigen. Nun wird Peter Witting richtig sauer. „Was meinen Sie denn, was ich die ganze Zeit tue?“, poltert er. „Ich schlafe doch nicht.“ Als Richter Kimmerl mit der Bemerkung, dass er Wittings Aufregung jetzt nicht verstehen könne, die Sitzung kurz unterbricht, stürmt dieser mit einem „Das ist mir jetzt zu blöd“ aus dem Saal.

Personalreferent beschreibt dominanten Schaidinger

Die beiden Zeugen am Donnerstag geraten angesichts dessen fast schon zur Nebensache. Am Morgen hat Personal- und Verwaltungsreferent Karl Eckert ausgesagt. Er bestätigt im wesentlichen, was zuvor bereits mehrere vernommene Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter erklärt hatten. Mit Bauleitplanungen und dergleichen sei Joachim Wolbergs während seiner Zeit als Dritter Bürgermeister nie befasst gewesen. Hans Schaidinger sei ein sehr dominanter Oberbürgermeister gewesen, der streng darauf geachtet habe, dass Wolbergs sich nur zu den Zuständigkeiten seines Sozialreferats öffentlich äußerte. Einmal – in Zusammenhang mit der Diskussion um die Verlegung des Wochenmarkts vom Donaumarkt auf den Kornmarkt – habe Schaidinger Wolbergs auch öffentlich gerüffelt.

Die Fragen nach Zuständigkeiten und Einfluss von Wolbergs als Dritter Bürgermeister wurden im Verlauf des Prozesses immer wieder thematisiert – sie könnte von einiger Bedeutung für die Frage sein, ob dieser sich in Zusammenhang mit Spenden vor seinem Amtsantritt als OB überhaupt strafbar machen konnte.

Fast 80.000 Euro nach der Wahl vom IZ

Kurz vor Mittag wird dann der leitende Ermittler der Kriminalpolizei vernommen – vorerst der letzte Zeuge in diesem Prozess. Es geht um den Komplex „Auf der Platte“, jenes Bauvorhaben, dass das „Im Immobilien Zentrum Regensburg“ in einem geplanten Landschaftsschutzgebiet umsetzen möchte. Wolbergs hatte sich – das ist im wesentlichen unstrittig – dafür bei der Verwaltung verwendet. Die Frage ist, ob dies zulässig war oder in Zusammenhang mit den Wahlkampfspenden von IZ-Boss Thomas Dietlmeier stand.

Der Kriminalhauptkommissar liefert einen Überblick über die Ermittlungen. Auf dem Konto des SPD-Ortsvereins Regensburg Süd habe man Spenden aus dem Umfeld des IZ-Konzerns im sechsstelligen Bereich festgestellt. Auffällig sei dabei gewesen, dass auch nach der Wahl erhebliche Summen geflossen seien – rund 50.000 im Jahr 2015, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Gesprächen zwsichen Wolbergs und Dietlmeier, und 25.000 im Jahr 2016.

Bei Durchsuchungen habe man internen Mailverkehr beim „Immobilien Zentrum“ und Akten im Planungs- und Baureferat der Stadt sichergestellt, wo es um das Gebiet „Auf der Platte“ ging. Seit 2008 habe es verschiedentlich Bestrebungen gegeben, dort zu bauen. Das sei von der Verwaltung immer abgelehnt worden. Erst 2014 findet sich dann eine Mail von Planungsreferentin Christine Schimpfermann in Zusammenhang mit dem neuerlichen Ansinnen des IZ, wo es heißt, das Wolbergs das Vorhaben „sehr befürwortet“.

Bitten um die angebotene Hilfe

Thomas Dietlmeier habe in seiner Vernehmung mehrere Gespräche mit Wolbergs zu dem Bauvorhaben bestätigt. In den sichergestellten Mails wird sei auch ein Gespräch zwischen dem zuständigen IZ-Mitarbeiter und Bürgermeister Jürgen Huber erwähnt, der auf den OB verwiesen habe. In einer Mail von Dietlmeier an seinen Vorstandskollegen heißt es, der OB habe ihm seine Hilfe angeboten. Da er diesen noch nie um etwas gebeten habe, werde er ihn nun daran erinnern. 

Im Anschluss habe er dann, das sagte Dietlmeier bei seiner Vernehmung aus, ein Gespräch mit Wolbergs geführt, wo ihm dieser zugesagt habe, sich darum zu kümmern – ohne damals eine Entscheidung vorweg zu nehmen. Wenig später setzte Wolbergs das Thema auf die Tagesordnung einer Besprechung mit den zuständigen Verwaltungsleuten. Dort sei dann wohl beschlossen worden, dass das IZ-Projekt möglich gemacht werden solle.

Was wurde entschieden?

Was denn nun bei dem Treffen entschieden worden sei, will Verteidiger Witting im Anschluss von dem Kriminaler wissen. Dass das Umweltamt seine Bedenken zurückstelle, antwortet der Polizeibeamte und blättert in seinem Ordner. Immer wieder hakt Witting nach. „Es wurde entschieden, dass das Vorhaben des IZ umgesetzt werden soll“, legt sich der Zeuge schließlich fest und untermauert dies mit einer Mail des Umweltamtsleiters, der darin ein Fazit der Besprechung zieht.

Das sei aber falsch, kontert nun Witting. Der Leiter des Umweltamtes selbst habe als Zeuge ausgesagt (hier geht es zum entsprechenden Artikel), dass lediglich entschieden worden sei, ein Verfahren für eine Ortsabrundungssatzung auf den Weg zu bringen. „Das ist ein wichtiger Unterschied.“ Schließlich könne im Rahmen dieses Verfahrens noch einmal jedes Amt seinen Standpunkt vorbringen.

Nuance oder entscheidender Unterschied?

Tatsächlich unterschieden sich die zunächst verfasste Mail des Umweltamtsleiters und dessen spätere Aussage in diesem Punkt, den man entweder als Nuance oder – wie Witting – als entscheidend ansehen kann. Während es in der Mail tatsächlich heißt, dass entschieden worden sei, das Projekt zu ermöglichen und ein Verfahren für die Aufstellung einer Ortsabrundungssatzung einzuleiten, war die Zeugenaussage etwas differenzierter.

Aus rechtlicher Sicht habe es keine zwingenden Gegenargumente gegeben. Er habe dem Oberbürgermeister seine fachlichen Bedenken vorgetragen und erklärt, dass man das Projekt nicht für wünschenswert oder sinnvoll halte. Der Oberbürgermeister habe sich seine Argumente bei besagtem Jour Fixe angehört und dann entschieden, ein Verfahren für eine ergänzende Ortsabrundungssatzung auf den Weg zu bringen. Im Rahmen dieses Verfahrens könne dann der Flächennutzungsplan genau betrachtet und gegebenenfalls auch geändert werden, um eine Bebauung zu ermöglichen.

Morgen fällt ein erstes Urteil

Der Prozess wird am 3. März fortgesetzt, inklusive aller bisher, zum Teil vorsorglich angesetzten Verhandlungstage könnte er bis zum 13. Mai dauern, nun sogar bis Juni oder Juli. Die Kammer werde aber alles dafür tun, den Prozess früher zum Abschluss zu bringen, verspricht Kimmerl.

Am morgigen Freitag fällt um elf Uhr das Urteil gegen den früheren Geschäftsführer von Sontowski und Partner. Es geht um den Vorwurf der Bestechung von OB Wolbergs. Das Verfahren war kürzlich vom zweiten Korruptionsprozess abgetrennt worden.

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Kommentare (4)

  • Emil

    |

    Allmählich komme ich in Rage wie sich Leute vor Gericht benehmen.

  • R.G.

    |

    Ich möchte jetzt nur noch die Super Nanny rufen, um allen nach ihrem Tantrum Nachdenkminuten auf der “Naughty” Stiege verordnet zu sehen.

  • Giesinger

    |

    @Herr Alfons Kaiser und andere KommentatorInnen

    Der Souverän hat ja nun schon am 15.März die Möglichkeit der souveränen Entscheidung.

    Ich kann nur hoffen, viele Regensburger/innen nützen die Gelegenheit.
    Es wurde hier jetzt 3,5 Jahre über juristisch belangbare Straftaten im Gegensatz zur offensichtlichen “moralischen Schuld” gesprochen.
    Das in Wolbergs’ Augen “böse” Regensburg-Digital hat dankenswerterweise darüber bis ins letzte Detail berichtet.
    Die Wähler haben nun am 15. März die Möglichkeit, dem dreieinhalbjährigen Spuk endlich ein Ende zu bereiten.

    Ich, als seit langer Zeit nicht mehr in Regensburg lebender Mensch, bin doch sehr am Ausgang der Wahl interessiert. Sollte W. tatsächlich gewinnen, was ich persönlich niemals für möglich halten würde, wäre ich doch sehr für den Austausch der Ortsschilder. (Stückelburg am Regen, Schilda a.d. Donau, Brückenschlag zu Schilda, Donau…etc.)

    Wenn W. dann vielleicht dank seiner brjecke-Jünger in den Stadtrat kommt, wird er die Schuld an seiner OB-Wahl-Niederlage immer noch der StA in die Schuhe schieben.
    Wie froh bin ich nur, kein Regensburger mehr zu sein!

  • Giesinger

    |

    Noch was zur “brjecke”:

    Die Jecken sind aktuell auch im “br” sowie in ganz Bayern unterwegs. Für nach der Wahl hätte ich schon einen alternativen Namen für Euch:

    “Luftbrücke” oder gar “Heiße Luftbrücke”!

Kommentare sind deaktiviert

drin