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„Nach individueller Risikoeinschätzung“

Corona-Fall in Gaststätte: Gesundheitsamt sieht keine Versäumnisse

Nach Kritik an seinem Vorgehen nach einem Corona-Fall in einer Regensburger Gaststätte hat das Gesundheitsamt nun Stellung genommen. Versäumnisse sieht man nicht. Den Wirt zu informieren sei nicht nötig gewesen.

Die Mitteilungen des Gesundheitsamts zur Anordnung der Quarantäne kamen bei Betroffenen zum Teil deutlich verspätet an…

Eine Woche nach einer Anfrage unserer Redaktion zu einem Corona-Fall bei einem Stammtisch in einer Regensburger Gaststätte und zwei Tage nachdem wir darüber berichtet haben (hier geht es zum Artikel), hat das Staatliche Gesundheitsamt Regensburg nun zur Kritik von Gästen und des Wirtes Stellung genommen. Diese hatten die selektive Anordnung von Quarantänemaßnahmen bei weiteren Teilnehmern des Stammtisches als „willkürlich und nicht nachvollziehbar“ bezeichnet.

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Insbesondere der Inhaber der Gaststätte hatte kritisiert, dass er von der Behörde nicht über den Infektionsfall informiert wurde. Das Gesundheitsamt sieht hingegen keine Versäumnisse. Man sei sorgfältig und verhältnismäßig vorgegangen. Den Wirt habe man „nach individueller Risikoeinschätzung“ und aus Datenschutzgründen nicht informiert.

„Individuelle Risikoabschätzung“

Was den ersten Ablauf betrifft, bestätigt das Gesundheitsamt im Wesentlichen die Schilderung der Betroffenen:

„Der Stammtisch in der Kneipe fand am 02.09.2020 statt, nach Auskunft der erkrankten Person traten die ersten Symptome am 04.09.2020 auf. Die Labormeldung über das positive Testergebnis haben wir leider erst am 09.09.2020 um 14.00 Uhr per Fax erhalten. Noch am selben Tag hat ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes das Erstgespräch mit der erkrankten Person geführt. Die erkrankte Person wurde in diesem Telefonat aufgefordert, dem Gesundheitsamt per Mail eine Liste ihrer Kontaktpersonen zu schicken und außerdem diese Kontaktpersonen vorab auch schon selber zu informieren, soweit möglich. Diese Liste erhielt das Gesundheitsamt dann am 10.09.2020, woraufhin gleich begonnen wurde, alle Personen dieser Liste persönlich telefonisch zu kontaktieren. Auf der Liste befanden sich auch alle Teilnehmer des Stammtisches vom 02.09.2020.“

Während insbesondere auch Betroffene, bei denen keine Quarantäne angeordnet wurde, die Begründungen dafür nicht nachvollziehen konnten, spricht das Gesundheitsamt davon, dass für jede Kontaktperson einer positiv getesteten Person „grundsätzlich“ eine individuelle Risikoabschätzung durchgeführt werde. So auch in diesem Fall:

„Bei den Telefonaten mit den Kontaktpersonen wurde (…) für jede einzelne Person die genaue Art und Intensität des jeweiligen Kontaktes geklärt und eine Kategorisierung gemäß der Empfehlungen des Robert Koch-Institutes (RKI) in Kategorie 1 (= enger Kontakt mit hohem Infektionsrisiko und Notwendigkeit einer häuslichen Quarantäne) oder Kategorie 2 (= sonstiger Kontakt mit geringem Infektionsrisiko und keiner Notwendigkeit einer häuslichen Quarantäne, aber dringender Empfehlung einer Kontaktminimierung und Selbstbeobachtung hinsichtlich krankheitsverdächtiger Symptome) vorgenommen.“

„Da es sich bei der 14-tägigen Quarantäne um eine freiheitseinschränkende Maßnahme handelt“, sei dieses individuelle Vorgehen „aus Gründen der Sorgfaltspflicht und Verhältnismäßigkeit zwingend erforderlich“.

Keine „risikobehaftete Konstellation“

Eine Ermittlung über die Kontaktdatenliste der Gaststätte sei nicht erforderlich gewesen, „da nach Risikobewertung durch das Gesundheitsamt nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei weiterem Abstand zum bestätigten COVID-19-Fall als 1,5 Meter auszugehen war“. Das RKI sehe hier z.B. Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in Innenräumen als „als risikobehaftete Konstellationen“ an. „Beim geordneten Zusammensitzen an zwei Wirtshaustischen und beim normalen Sprechen ist von einer deutlich geringeren Aerosolbildung als bei den vorgenannten Aktivitäten auszugehen.“

Insgesamt sind seien wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole „noch begrenzt“. Der Hauptübertragungsweg sei nach derzeitigem Kenntnisstand die Tröpfcheninfektion, „wobei ein enger Kontakt unterhalb von 1,5 Metern über mindestens 15 Minuten für ein relevant erhöhtes Infektionsrisiko erforderlich ist.“

Auch deshalb seien im konkreten Fall nicht alle Kontaktpersonen des Kneipenbesuches als Kontaktpersonen der Kategorie 1 – verbunden mit verpflichtender Quarantäne – eingestuft worden. „Allerdings wurden alle telefonisch kontaktiert, soweit sie über die mitgeteilten Nummern erreichbar waren, und zusätzlich auch noch schriftlich postalisch informiert.“

Hier wurden nach Erkenntnissen unserer Redaktion auch per Post nicht alle Betroffenen erreicht, einige von ihnen auch deutlich verspätet, allerdings ging die Sache glimpflich aus. Keine(r) von ihnen hatte sich infiziert.

Personal „gerade noch ausreichend“

Den Inhaber der Gaststätte habe man „nach individueller Risikoabschätzung“ nicht informiert. Hierbei sei nämlich „ auch aus Datenschutzgründen sehr sorgfältig und verhältnismäßig vorzugehen“. Der Wirt selbst war von den Gästen über den Fall informiert worden und schloss seine Kneipe bis er selbst ein negatives Testergebnis vorliegen hatte. Er ist verärgert darüber, dass ihm die Behörde nicht Bescheid gegeben hat: „Wenn ich einen Fehler mache, bekomme ich Ärger und stehe am Pranger, aber umgekehrt bin ich denen anscheinend wurscht.“

Trotz des Anstiegs der Fallzahlen in Regensburg seit September, den das Gesundheitsamt teils auf die vermehrte Testkapazität, zu einem großen Anteil aber auch auf Reiserückkehrer zurückführt, sieht sich die Behörde nicht überlastet – zumindest bislang. Der vorhandene Personalstand von derzeit 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei „für das derzeitige Aufkommen an täglich neu gemeldeten Fällen gerade noch ausreichend“.

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Kommentare (5)

  • Bedah

    |

    Ich im letzten Artikel zu dem Fall wurde berichtet, dass einigen anderen Gästen eine Selbstisolation “empfohlen” wurde – das hört sich recht schwammig an.
    “[..] den Arbeitgeber informieren und mit ihm über die Möglichkeit einer Freistellung sprechen” – hört sich nicht nach einer wirklich verordneten Quarantäne/Selbstisolation an.

    Ich wundere mich, denn mit einer verordneten Quarantäne müsste man nicht über eine Freistellung reden, dann darf man eben nicht zur Arbeit, und bekommt den Lohn weiter, nach § 56 IfSG. Bei einer freiwilligen Freistellung gibts auch keinen Lohn, ausser der Arbeitgeber ist kulant.

    Für mich sieht es so aus, als wär als hätte es hier keine Anordnung zur Quarantäne gegeben, sondern nur halbgare Empfehlungen. Der verantwortungsvolle Bürger kommt natürlich der Empfehlung nach, die verantwortungslosen Bürokraten schieben den schwarzen Peter einfach an den Bürger ab.

    Wär nett, wenn mal ein fachkundiger Anwalt über die Schreiben an die Gäste schauen könnte, ich hoffe dass ich mich irre.

  • Shorty

    |

    So so, da hat das Gesundheitsamt also alles richtig gemacht.
    Kann man nicht zumindest zugeben, dass es “nicht optimal” gelaufen ist, wenn man schon keine Fehler eingestehen will? Und letztere können natürlich auch einem Gesundheitsamt unterlaufen, wenngleich es hier auch mal schnell gesundheitliche Konsequenzen für die Beteiligten haben kann.
    Was ist denn die Folge von solch` arg bemühten Veröffentlichungen?
    Das Vertrauen ist diese Behörde dürfte nicht gerade steigen. Und gerade das Vertrauen in die Richtigkeit und den verantwortungsbewussten Umgang bei solchen Fällen ist ein hohes Gut, das es nicht zu verspielen gilt.
    Bleibt zu hoffen, dass der Artikel dazu beiträgt, dass künftig mit entsprechender Um- und Weitsicht agiert wird, denn Corona wird uns noch einige Zeit “begleiten”.

  • Tobi29

    |

    Das diese ganze Quarantäne ein einziger Unsinn ist, genauso wie die vielen wahllos verordneten Startpunkte der Quarantäne, sollte langsam jedem klar sein…

  • Sonny

    |

    Und andere Bars müssen 2 Wochen schließen wenn ein Mitarbeiter positiv getestet wurde?

Kommentare sind deaktiviert

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