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Evangelisches Krankenhaus

Lieber Leerstand statt Zwischennutzung?

Seit gut vier Jahren wartet die Stadt Regensburg auf ein Nutzungskonzept für das Evangelische Krankenhaus. Das Gebäude steht weitgehend leer und die Evangelische Wohltätigkeitsstiftung scheint sich gegen eine Zwischennutzung für Vereine zu sperren. Zumindest wirken die Argumente fadenscheinig. Die Grünen haben nun einen Antrag für die nächste Sitzung des Stadtrats gestellt.

5.000 Quadratmeter Grundstück, 14.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche – das ehemalige Evangelische Krankenhaus harrt einer Nutzung. Bis dahin soll es offenbar leerstehen. Foto: Archiv

„Ich halte das für einen Skandal, wie die Stadt mit diesem Gebäude umgeht“, schimpft Reinhard Kellner. Der Vorsitzende der Sozialen Initiativen in Regensburg ist stinksauer. Es geht um den wohl prominentesten Leerstand in der Regensburger Altstadt: das frühere Evangelische Krankenhaus am Emmeramsplatz – Bruttogeschossfläche 14.000 Quadratmeter, Grundstücksumgriff 5.000 Quadratmeter. Mehrfach gab es Bestrebungen von Initiativen und Vereinen, mit dem Ansinnen, das Gebäude zumindest übergangsweise nutzen zu können. „Aber wenn man bei der Stiftung anfragt oder erfahren will, wie die sich die zukünftige Nutzung vorstellen, dann bekommt man einfach keine Antwort“, ärgert sich Kellner. „Am Ende kommen sie dann mit dem Brandschutz daher, der offenbar nur für Vereine gilt, aber nicht für andere.“

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Intransparentes Aus mit fragwürdigen Argumenten

Ein Blick zurück. Annähernd sieben Jahre ist es her – abseits der breiten Öffentlichkeit und mit zumindest umstrittener Argumentation beschlossen Ende 2013 der städtische Stiftungsausschuss und anschließend der Regensburger Stadtrat das Aus für das Evangelische Krankenhaus am Emmeramsplatz. Übergangsweise wurde das Gebäude anschließend von den Barmherzigen Brüdern genutzt, die so in den Genuss eines staatlichen Zuschusses (11,4 Millionen) kamen, der ursprünglich für die Sanierung des „Evangelischen“ bestimmt war. Und seit 2016 steht das Gebäude weitgehend leer.

Ein Verkauf der Immobilie, die der städtisch verwalteten Evangelischen Wohltätigkeitsstiftung Regensburg (EWR) gehört, wurde zwar kategorisch ausgeschlossen, allerdings hieß es noch unter Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, dass bei einer Neunutzung „Rendite zwingend vorgeschrieben“ sei. Und so beauftragte der Stadtrat im Februar 2016 ein Münchner Planungsbüro damit, ein Nutzungskonzept für Gebäude und „Umgriff“ zu erarbeiten.

Von Planern getrennt und erneut ausgeschrieben

Von Erfolg gekrönt war diese Beauftragung nicht. Nachdem fast drei Jahre ins Land gezogen waren trennte sich die Evangelische Wohltätigkeitsstiftung Ende 2018 von den Münchner Planern und die Stadt schrieb den Auftrag erneut aus.

Über die Gründe für die Trennung schwieg man sich aus. Aber durchgesickert ist beispielsweise, dass es – wohl im Sinne der Rendite – unter anderem den Plan gab, den begrünten Innenhof des Krankenhauses mit einem Turm zu bebauen. Die Arbeit an dem Konzept sei „fortgeschritten“, ließ die EWR vor einigen Tagen gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung verlauten. Doch wirklich gehört hat man ansonsten noch nichts. Offenbar ist noch nicht einmal das „Kommunikationskonzept“ fertig, das die EWR ebenfalls ausgeschrieben hatte und laut dem „verschiedene Interessengruppen“ an den Planungen beteiligt werden sollten.

Nutzungsvorschläge blitzen ab

Vollständig leer stand das ehemalige Krankenhaus seitdem nicht. Während der Sanierung des Diözesanzentrums am Obermünsterplatz nutzte die katholische Kirche größere Teile des Gebäudes. Doch diese Baumaßnahme ist mittlerweile beendet und so sind nur noch ein paar Dutzend Mitarbeiter in der verwaisten Immobilie zurückgeblieben.

Vorschläge für eine neue Nutzung gab es einige. Durchaus durchdachte Ideen für ein soziokulturelles Zentrum (durch die Initiative KOMPLEX) oder als „Evangelischer Hof“ (Evangelische Kirche) blitzten bei der Stadt ab. Selbiges gilt für die Initiative „Ein Haus für Engagement“, in der sich 2019 mehrere Vereine und Verbände, insbesondere auch die Sozialen Initiativen, zusammengeschlossen haben. Das Ziel: ein kulturelles, soziales und ökologisches Begegnungszentrum im Evangelischen Krankenhaus.

Selektiv interpretierter Stiftungszweck

Doch stets wurde von städtischer Seite auf den Stiftungszweck der EWR verwiesen, der so etwas angeblich nicht zulasse. Eine zumindest fragwürdige Argumentation, zumal in der Stiftungssatzung neben der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie der Jugend- und Altenhilfe ausdrücklich auch „Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe“ als deren Zweck vorgesehen sind. Das alljährliche Defizit des Evangelischen Krankenhauses – zuletzt 1,5 Millionen Euro – konnte die EWR stets problemlos schultern und dennoch eine positive Bilanz mit sechsstelligem Plus vorweisen. Von einer (nicht zulässigen) Aufzehrung des beachtlichen Stiftungsvermögens konnte bislang also zu keiner Zeit eine Rede sein.

Ganz abgesehen davon ließen sich die Ideen des Aktionsbündnisses „Haus für Engagement“ durchaus mit dem Stiftungszweck vereinbaren. Als künftige Nutzung stellen sich die Initiatoren auf etwa 1.500 Quadratmetern ein kulturelles, soziales und ökologisches Begegnungszentrum mit integrativen Café und Bühne vor. Um diese gastronomischen Einrichtungen herum sollen Vereine und Initiativen der Stadt Räume erhalten, um sich zu treffen und aktiv zu sein. Denkbar seien zudem in dem Haus Beratungsstellen, Werkstätten, ein Second-Hand-Kaufhaus und Kursräume. „Im Idealfall ist das ‚Haus für Engagement‘ von einem Wohnpark für Senioren, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, Studenten und Migranten umgeben, die sich gegenseitig unterstützen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bündnisses anlässlich von dessen Gründung.

Das städtische Saalmanagement ist teuer

Doch die Kommunikation der Evangelischen Wohltätigkeitsstiftung mit dem Bündnis scheint eher mangelhaft zu sein bzw. sie findet nicht statt, wenn man Reinhard Kellner glaubt. Auf ein Schreiben von ihm habe EWR-Geschäftsführer Helmut Reutter über ein Jahr nicht reagiert. Besonders in Rage bringt Kellner aber nun die Reaktion auf ein aktuelles Schreiben des Bündnisses an den Regensburger Stadtrat und die Stadtspitze. Darin bitten Sprecherin Martina Groh-Schad und Carsten Lenk vom Evangelischen Bildungswerk, die bis vor kurzem vom Diözesanzentrum genutzten Räume zumindest zur Zwischennutzung für Vereine zu öffnen.

„Die derzeitige Situation durch die Corona-Pandemie stellt Vereine, Initiativen und Selbsthilfe bei der Durchführung ihrer Treffen vor enorm große Herausforderungen. Aufgrund der weiter geltenden Abstands- und Hygienemaßnahmen werden viele bisher genutzte Räume in der nächsten Zeit nicht genutzt werden können.“ Andere Räume gebe es nur kostenpflichtig. Was das konkret bedeutet, weiß Reinhard Kellner aus eigener Erfahrung. „Wir haben zuletzt für ein Treffen einen Raum über das städtische Saalmanagement angemietet. 280 Euro haben wir gezahlt, damit 20 Leute zusammenkommen können.“

Grüne: „(Zwischen)nutzung entspricht der Satzung“

Die Stiftungsverwaltung der EWR scheint von diesem Vorschlag nichts zu halten. Es sei eine ortsübliche Miete zu verlangen, heißt es gegenüber der MZ. Außerdem brauche es dafür eine Brandschutzprüfung. „Da hatten die Leute vom Diözesanzentrum ja Glück, dass sie nicht abgebrannt sind“, wettert Kellner angesichts solcher Aussagen. Für ihn sind all das vorgeschobene Argumente. „Wenn die Stadt wollen würde, dann ginge es. Aber offenbar läuft wieder einmal alles unter der Prämisse Profitmaximierung.“

Aufgegriffen haben den Vorstoß des Bündnisses nun die Regensburger Grünen. Sie haben für die nächste Sitzung des Stadtrats einen Antrag gestellt. Die Verwaltung solle die Möglichkeiten und Bedingungen einer Zwischennutzung des Evangelischen Krankenhauses prüfen, heißt es darin. „Das Gebäude stünde nicht leer, es erfüllt einen gesellschaftlichen Nutzen für die Stadt Regensburg und bietet aus wirtschaftlicher Sicht einen Mehrwert für die Evangelische Wohltätigkeitsstiftung“, sagt deren Fraktionschef Stefan Christoph. „Und außerdem entspricht eine solche Nutzung der Satzung.“

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Kommentare (6)

  • Andreas

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    Brandschutz geht natürlich vor, schon Moses hat uns einen ganzen Ochsenkarren Brandschutzvorschriften vom Berg Sinai heruntergefahren…

    Ne im Ernst, steht das Gebäude unter Denkmalschutz? Wenn nicht bleibt leider nur der Abriss und die Entwicklung des Grunds als premium Wohnanlage durch Investoren.
    Wenn es unter Denkmalschutz steht werden die Optionen knapp. Evtl. kann es unter Aufwendung von sehr viel Steuergeld in ein Kongress und Kulturzentrum umgestaltet werden?

  • XYZ

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    Die ev. Wohltätigskeitsstiftung besteht seit Jahrhunderten und verfügt über entsprechenden Grundbesitz – R war mal vor Zeiten eine ev. Stadt, was gerne vergessen wird – aber da muss man halt etwas mehr unternehmerisch denken – wie sieht’s denn mit altstadtgerechten Nutzungskonzepten nach vier Jahren Leerstand aus, der war ja zu erwarten, und kam auch nicht aus dem blauen Himmel?

  • XYZ

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    Nachtrag: die ev. Stiftung steht – wie andere – unter der Aufsicht der Stadt R. Bemerkenswert ist dass es dort drei Abteilungen gibt, zwei für Grundstücksverkehr und Finanzen, nur eine für Personal und KH/Heime. Und was tut der Leiter, immerhin ein Dr.?

  • heinzleo

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    Durch den westfälischen Frieden von 1648 und dem Ausgleich zwischen dem katholischen und dem protestantischen Bevölkerungsteil in Regensburg von 1833 (Anm.: Gründung der Katholischen Bruderhausstiftung) ist der evangelische Charakter der Stiftung unbestritten und der Stiftungsgenuss den evangelischen Bürgern von Regensburg vorbehalten. (Q: HP der Stiftung)
    Wie wird das eigentlich umgesetzt? Die Evangelischen blitzen doch mit ihren Anliegen auch immer ab (sieher Herr Lenk vom EBW)

  • Bedah

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    Dieser riesige Leerstand passt doch aktuell gut neben den anderen riesigen Leerstand daneben – weite Teile des Fürstenschlosses stehen auch leer.
    Wenn einer der Flügel des Fürstenschlosses nächstes Jahr renoviert wird, um aus dem ehemaligen Seniorenstift schicke Büros zu machen, dann sollte das ehemalige evangelische Krankenhaus sicher auch hochwertige Bewohner bekommen.
    Und die Regierung der Oberpfalz, der andere große Nachbar, sieht es bestimmt auch lieber, wenn fettes Business dort aufblüht, anstatt dass sich dort eine alternative Szene mit unberechenbarer Subkultur entwickelt.
    (Sarkasmus Ende.)
    Eigentlich ist klar, dass da kaum jemand mit Entscheidungsbefugnis Interesse an einer sozialen oder kulturellen Entwicklung in dem Leerstand hat. Alternativ zum Leerstand entweder teuerhochwertig renovieren oder Investor suchen, anstatt irgendein unkalkulierbares Risiko einzugehen. Stadtpolitik wie gehabt.

  • highwayfloh

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    Meine Idee:

    Das Gebäude war ja ein Krankenhaus und entsprechender Zweckbau:

    Von daher liesse sich folgendes realisieren:

    Rauchmelder in alle Räume plus sichtbar verlegte Sprinkleranlagen / – Leitungen und schon ist der Brandschutz gewährleistet. Von den Räumlichkeiten bietet sich an, hier eine spezielle Isolier-Stations-Klinik (Corona oder anderweitig) zu etablieren. Wäre für mich und meiner Meinung nach die sinnvollste Weiterverwendung des Gebäudes.

Kommentare sind deaktiviert

drin