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Investitionsprogramm statt Stadtratsbeschluss

Notwohnanlage: Langsamer Abschied von zentraler Lösung

Setzt sich Astrid Freudenstein doch noch durch? Gegen die Koalition hatte die Sozialbürgermeisterin gegen einen zentralen Neubau der Notwohnanlage in der Aussiger Straße plädiert. Im Entwurf des aktuellen Investitionsprogramms nimmt man nun langsam Abschied von dem Standort. Es ist nicht der einzige Fall, in dem wichtige Änderungen abseits eigener Beschlussvorlagen in den Stadtrat gebracht werden.

Die Notwohnanlage in der Aussiger Straße wurde zwar äußerlich verschönert, ist aber innen schon seit längerem nicht mehr tragbar.

Die heruntergekommene Notwohnanlage in der Aussiger Straße aus den 50er Jahren soll abgerissen und an selber Stelle neugebaut werden. Das ist Beschlusslage des Regensburger Stadtrats – bislang zumindest. Bürgermeisterin Astrid Freudenstein allerdings hatte sich Anfang Juni öffentlich gegen diese zentrale Lösung zur Unterbringung von Wohnungslosen gewandt und für kleinere übers Stadtgebiet verteilte Wohneinheiten plädiert. Innerhalb der Koalition erntete sie dafür bislang keine Unterstützung.

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Allerdings erhielt die Sozialreferentin Rückendeckung von Reinhard Kellner von den Sozialen Initiativen und der BI Regensburg Nord. „Im Interesse der 51 dort lebenden Kinder“ (insgesamt sind rund 130 Menschen in der Aussiger Straße untergebracht) erscheine ihm ein dezentrales Konzept besser geeignet, „um diese aus dem Teufelskreis von Armut und Vernachlässigung herauszubringen“ als ein 23 Millionen Euro teurer Neubau, so Kellner.

Investionsprogramm: „Eventuell anderer Standort bzw. dezentral“

Einen neuen Vorschlag hat die Koalition bislang zwar nicht vorgelegt, auch wurde Freudensteins mediales Vorpreschen vom Koalitionspartner SPD scharf kritisiert. Die Bürgermeisterin wecke „möglicherweise Hoffnungen bei Betroffenen (…), von denen heute niemand weiß, ob sie sich erfüllen lassen“, hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung vom Juni.

Intern allerdings scheint man sich langsam vom Neubau einer zentralen Notwohnanlage zu verabschieden. Im Entwurf für das kommende Investitionsprogramm wurden nämlich nicht nur der ursprüngliche Kostenansatz reduziert – von ursprünglich 23,4 auf 18,9 Millionen Euro. Dort findet sich auch der Satz, dass „unter Umständen ein Neubau an einem anderen Standort
(evtl. in der Augsburger Straße 37) bzw. dezentral verteilt auf mehrere Standorte“ erfolgen werde.

„Schlechter Stil“

Sowohl Grünen-Fraktionschef Stefan Christoph als auch Stadtrat Thomas Thurow (Brücke) kritisierten dieses Vorgehen der Koalition am vergangenen Donnerstag bei der Sitzung des Finanzausschusses. Ohne gültigen Stadtratsbeschluss würden auf diesem Weg einfach Veränderungen via Investitionsprogramm vorgenommen. Die „fixen Ideen der Sozialbürgermeisterin“ widersprächen der aktuellen Beschlusslage, so Christoph. „Schlechter Stil“ sei das. Thurow erscheint es auch „nicht ganz sauber“, wie die plötzliche Kostenreduzierung zustande gekommen sei.

Die Oberbürgermeisterin beschwichtigt. Es brauche nicht extra einen neuen Beschluss bezüglich der Notwohnanlage, so die Auffassung von Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Kosten würden sowohl bei einer zentralen wie auch einer dezentralen Lösung anfallen. Außerdem: „Nicht alles, was im Investitionsprogramm steht, wird zum selben Zeitpunkt sklavisch dann so errichtet, selbst wenn wir es nicht mehr für nötig halten.“ Jedes Jahr werde das Investitionsprogramm neu beschlossen und damit auch, ob es nun eine zentrale Lösung gebe oder nicht, das werde man sehen. „Auf jeden Fall braucht es ein Geld.“

Ohne Beschluss im IP: Umstrittener Standort für Bürgerbüro

Die Änderungen zur Notwohnanlage ist übrigens nicht die einzige Angelegenheit, die sich entgegen der aktuellen Beschlusslage im Investitionsprogramm wiederfindet. Auch Kosten für die Ausstattung und Umbauten eines neuen Bürgerbüros Nord „im Gewerbepark D37“ finden sich im Entwurf des Investitionsprogramms, der den Stadträtinnen am Donnerstag vorgelegt wurde. Bisher befindet sich das Bürgerbüro noch in der Brennesstraße. Doch dort muss man im Herbst 2022 raus und woanders hin.

Doch für den Standort im Gewerbepark gibt es im Stadtrat keine Mehrheit. Tatsächlich hatte es zwar zunächst einen Beschluss im Grundstücksausschuss gegeben, das neue Bürgerbüro Nord im Gewerbepark anzusiedeln, bei der nachfolgenden Sitzung des Stadtrats aber hatte die Koalition den Punkt von der Tagesordnung genommen.

Insbesondere Stadtrat Christian Janele (CSB) hatte sich offenbar vehement gegen diesen Standort gewandt, der für einen Großteil des Einzugsbereichs des Bürgerbüros Nord schlecht zu erreichen und generell weitab vom Schuss liegt. Im Nachgang hatte sich zudem herausgestellt, dass es eine weitaus günstig gelegenere Lösung im Donaueinkaufszentrum gegeben hätte, die Verwaltung diese Information aber den Stadträten vorenthalten hatte.

Nach der Kritik von Thurow und Christoph, aber auch von Koalitionspartner Janele sagt die Oberbürgermeisterin zu, dass der Entwurf „redaktionell geändert“ werde. Es würden verschiedene Standorte im Stadtnorden geprüft. „Der Gewerbepark ist tatsächlich raus aus dem Rennen.“ Für tragisch hält Maltz-Schwarzfischer auch diesen Fehler nicht. Kosten würden ja so oder so anfallen.

Investitionsprogramm statt Beschlussvorlage: Kein neues Phänomen

Neu ist das Phänomen nicht, wichtige Änderungen via Investitionsprogramm und damit etwas unauffälliger beschließen zu lassen: Auch die Kostensteigerung des Sportparks Ost – ein Hallenbad und eine Leichtathletikhalle für Profisportler – von anfänglich 19 auf zunächst 47 Millionen wurde den Stadträten nicht im Rahmen einer eigenen Verwaltungsvorlage präsentiert, sondern einfach ins Investitionsprogramm des vergangenen Jahres gepackt. Eine Debatte über die Gründe für diese enorme Kostensteigerung konnte damit vermieden werden – auch weil die Maßnahme zunächst coronabedingt verschoben wurde. Länger diskutiert wurde dann lediglich die viel gelobte „Kostenreduzierung“ von 47 auf 43 Millionen Euro anlässlich des nun doch erfolgten Maßnahmenbeschlusses Ende September.

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Kommentare (10)

  • nordlicht

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    Ich befürworte diesen Vorschlag von Frau Dr. Freudenstein und hoffe, dass es ihr gelingt, dezentrale Notunterkünfte zu errichten. Ich kenne die Aussiger Straße und habe – wenn auch wenige – persönliche Erfahrungen und Berichte aus diesem Gebiet. Man muss jedem Recht geben, der einsieht, dass das Milieu den Lebensweg prägt. Diese 51 Kinder, die dort wohnen und jeden Tag wohl meist mit Freunden aus den gleichen Wohnblöcken spielen, haben von Kindheit an schlechte Vorbilder und schlechtere Chancen auf einen normalen Lebensweg. Eine Dezentralisierung -möglichst in mehreren Wohngebieten – wäre ein guter Ansatz, die Chancen dieser Kinder zu erhöhen.

  • Ingrid

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    ‚mit Freunden aus den gleichen Wohnblöcken spielen, haben von Kindheit an schlechte Vorbilder‘
    Wär interessant wieviele im Westen oder in der Altstadt ihre neue Heimat finden.

  • Br, G

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    Was mich etwas irritiert ist, dass derzeit rund 130 Menschen in der Anlage wohnen und für diese Leute soll ein Gebäude für ca. 19 Millionen gebaut werden. 19 Millionen durch 130 Personen ergibt pro Person 146 Tausend. Also wenn ich für Wohnung für 3 Personen baue kostet die 438 Tausend Euro. Eine Wohnung für 4 Personen 584 Tausend. Derzeit selbst bei den sehr gestiegenen Preisen bei Immobilien erscheint mir das doch sehr hoch oder ist jemand anderer Meinung ?

  • Hartnäckig

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    @ Br, G
    Freut mich, dass ich nicht der einzige bin, der bei den Kosen mitdenkt.

  • Kleistermeister

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    Die Baukosten erscheinen mir realistisch. Der größte Kostenfaktor fällt weg, da die Stadt Eigentümerin der Grundstücke ist. Außerdem hat sie die Möglichkeit, alle Gewerke per Ausschreibung zu vergeben, was ein privater Bauherr kaum leisten kann. Vermutlich werden auch größere Zuschüsse für den Sozialen Wohnungsbau fließen. Außerdem werden die neuen Gebäude wahrscheinlich in einer sehr einfachen, günstigen Bauweise errichtet, was bei einer selbstgenutzen Eigentumswohnung nicht üblich ist.

  • peter sturm

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    liebes nord“licht”,
    ich habe viele jahre in der dolomitenstraße gearbeitet.
    ich war dort oft einkaufen, beim offenbeck, mit den menschen aus der aussigerstraße. dort war eigentlich niemand auf den ihre beschreibung zutreffen würde.
    in umschließungen mit einem höheren durchschnittseinkommen habe ich allerdings den von ihnen beschriebenen menschenschlag kennengelernt. schützen wir unsere kinder!

  • Kamerbub

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    Wir wohnen aktuell in unmittelbarer Nähe zur Aussiger. Die Kinder der Notwohnanlage finden weder in Schule (Sallerner Berg) noch Kindergarten Anschluss. Keiner der “besseren” Familien will mit diesem Klientel nichts zu tun haben. Die Kinder oder auch bemühte Erwachsene haben keine Chance aus diesem Mileu rauszukommen. Notwohnanlage bedeutet, daß Personen dort kurz und nur in der aktuten Notlage dort wohnen. Tatsache ist daß die Familien dauerhaft dort wohnen. Begrüßenswert wäre es wenn die Familien einzeln auf die “besseren ” Stadtteile wie Westen, Altstadt, Oberisling, Harting, Oberer Wöhrd verteilt würden. Nur so hätten die Menschen eine Chance .

  • nordlicht

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    @peter sturm und@Kamerbub: Meine Tochter war mit einem netten Mädchen aus der Aussigerstraße befreundet, die Wege trennten sich allerdings nach der 4. Klasse. Meine Erfahrungen beruhen auch aus meiner Zeit als Elternklassensprecherin an der Sallerner-Berg-Schule.

  • Hthik

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    @Kamerbub 25. Oktober 2021 um 09:31

    “Notwohnanlage bedeutet, daß Personen dort kurz und nur in der aktuten Notlage dort wohnen. Tatsache ist daß die Familien dauerhaft dort wohnen.”

    Diese Schönredetaktik ist im Bereich der Existenzsicherung üblich. Wenn man den Leuten erklärt, dass der Regelsatz wirklich zu gering ist, kommt als nächstes meistens der Einwand, das mache aber nichts, denn der sei ja nur für kurze Zeit gedacht. Nein, ist er nicht.

    Ausnahmsweise zitiere ich mal die FAZ

    “Interessanterweise hat Alt zudem eingeräumt, dass man auf Dauer von Hartz IV nicht leben könne. Um allerdings später darauf hinzuweisen, dass es in der Statistik der über 6 Millionen Hartz IV Bezieher sehr viele Menschen gebe, die dauerhaft davon leben müssen.”

    Der hier zitiere Herr Alt war im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit zuständig hierfür.

    Das unterscheidet sich in nichts vom Coronadurchgedrehten, der gleichzeitig Lockerungen verlangt, weil die Impfquote hoch ist und auf Impfdurchbrüche als Argument verweist, sich nicht impfen zu lassen.

  • Jakob Friedl

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    Es lohnt einen Blick auf die neue staatliche Wohnanlage in der Benzstraße zu werfen, die für 500 Menschen ausgelegt ist und in der wesentlich mehr Menschen in winzig klein dimensionierten Wohnungen mit dauerhaften Mietverträgen leben. Wie kann es sein, dass mit der Wohnbauoffensive Bayern ausgerechnet die Errichtung von solchen Wohnanlagen gefördert wurde, in denen von Anfang an keinerlei soziale und demografische Durchmischung stattfinden kann? Das ist alles andere als innovativ und löst bekannterweise keine Probleme sondern führt zu Stigmatisierung usw… https://ribisl.org/staatliche-wohnanlage-benzstrasse/

    Es ist sehr erfreulich, dass die Nutzung der Gemeinschaftsräume in der Raumbedarfsanalyse von KoBE Erwähnung findet. Nun ist zu prüfen, ob die vorhandenen Gemeinschaftsräume nun erstmals von den Bewohner*innen, aber auch von Vereinen genutzt werden können. Ich denke, dass es auch im Sinne der Regierung ist, wenn hier zivilgesellschaftliches Engagement an die städtische Sozialarbeit andokt um mit verschiedenen partizipativen Projekten gemeinsam mit den Bewohner*innen freudig Handlungsspielräume für Engagement im eigenen Lebensumfeld erschließt. Schließlich soll die Wohanlage kein Ghetto werden sondern Teil des ohnehin eher armen Stadtviertels.

    Am Do um 19 Uhr wird die Raumbedarfsanalye im Neuen Sitzungssaal vorgestellt und mit engagierten Vereinen besprochen… Wer will kann sich bei KoBE anmelden.

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