Im aktuellsten Geschäftsbericht weist das Bistum Regensburg einen zweistelligen Millionengewinn aus und ein Vermögen am Rande zur Milliarde. Zu wenig, um sich mit einem früheren Domspatzen zu einigen, der Opfer von Gewalt und Missbrauch wurde, meint das Bistum.
Im Bistum Regensburg will man das Geld zusammenhalten. Foto: Archiv/Staudinger
Auch wenn das Geschäftsjahr 2023 für die Diözese Regensburg aufgrund leicht gesunkener Kirchensteuereinnahmen etwas schlechter ausfiel als 2022: Die finanzielle Situation des Bistums im entsprechenden Jahresabschluss nur als „solide“ zu bezeichnen, erscheint untertrieben, wenn man die konkreten Zahlen betrachtet. Ein Jahresplus von fast 11,5 Millionen Euro, ein Nettovermögen von rund 135 Millionen und Eigenkapital, das mit rund 963 Millionen Euro, Tendenz steigend, bald an der Milliardengrenze kratzt.
Der „Konzern“ Diözese Regensburg weist in dem von ihr veröffentlichten Abschluss eine Bilanzsumme von 1,7 Milliarden Euro aus und verfügte im Geschäftsjahr 2023 über 84,5 Millionen Euro liquide Mittel. Das sollte man wissen, ehe man erfährt, dass das Bistum ein Güteverfahren mit einem Opfer von Gewalt und Missbrauch ablehnt, weil man „über keine unerschöpflichen Mittel“ verfüge.
„Nach vorläufiger Würdigung“ dürften die Ansprüche des früheren Domspatzen Matthias Podszus wegen Vergewaltigung an der Vorschule in Pielenhofen nicht verjährt sein. So steht es in einer Verfügung des Landgerichts Regensburg.
Er wurde insgesamt zu fast acht Jahren Gefängnis verurteilt und missbrauchte mindestens 68 Jugendliche. Doch bis zuletzt ließen die Bischöfe Michael Buchberger und Rudolf Graber den Sexualstraftäter Sebastian Ruhland als Priester wirken. Dürfen solche Bischöfe mit Straßennamen geehrt werden?
Verjährung, Ablehnen der juristischen Verantwortung und Bezweifeln der Vorwürfe: So lautet die Strategie des Bistums Regensburg gegen die Millionenklage von Ex-Domspatz Matthias Podszus.
Ein anerkannter Betroffener von Gewalt und Missbrauch fordert einen sechsstelligen Betrag, doch auf einen außergerichtlichen Vergleich will sich das Bistum Regensburg bislang nicht einlassen. Der Bischof nicht auf ein Gespräch. Damit dürfte der bereits laufenden Millionenklage eines anderen Ex-Domspatzen wohl bald der nächste Prozess folgen.
In der zwischenzeitlich eingereichten Klage des von Gewalt und Missbrauch betroffenen Matthias Podszus hat das Landgericht Regensburg das Bistum nun zu einer Stellungnahme aufgefordert.
25 Jahre, nachdem dem Bistum Regensburg erste Hinweis auf das Gewaltregime an der Domspatzen-Vorschule in Etterzhausen vorlagen, wurde Matthias Podszus dort geschlagen, gedemütigt und vergewaltigt. Jetzt will er die Kirche dafür zur Verantwortung ziehen.
Zu Tumulten kam es diese Woche bei einer Sitzung des Eslarner Marktrats, weil ein „Bürgerantrag“ durchfiel, der die Beibehaltung eines Straßennamens für den seriellen Missbrauchstäter Georg Zimmermann gefordert hatte. Die Umbenennung wurde bereits am 7. Mai beschlossen. Der Bürgermeister musste sogar mit dem Abbruch der Sitzung drohen. Die Hintergründe der Taten des Priesters Zimmermann, Wünsche und Leiden der Betroffenen gerieten dabei gänzlich aus dem Blickfeld.
Der langjährige Missbrauchsbeauftragte des Bistums Regensburg Martin Linder wusste schon 1998 von einem schwerwiegenden Fall von Gewalt und Missbrauch bei einem Grundschüler. Doch er informierte offenbar nicht einmal die Eltern des Jungen – mit weitreichenden Folgen für den Betroffenen. Der will nun das Bistum auf Schadenersatz verklagen und bittet um Spenden.
Bischof Rudolf Voderholzer hat den Beschäftigten im Bistum Regensburg einen Brief geschrieben. Vordergründig geht es um sexuellen Missbrauch und sein „ungeschicktes Agieren“ in diesem Zusammenhang. Hauptthema ist aber Voderholzers Kritik am Synodalen Weg. Ein der drängendsten Fragen für viele Beschäftigte thematisiert der Bischof dabei nicht.
Die Ehrenbürgerwürde ist die höchste Auszeichnung, die die Stadt Regensburg verleiht. Sie sagt nichts über die Integrität des Würdenträgers aus, bietet aber einen aufschlussreichen Einblick in den jeweils herrschenden Zeitgeist.
Auch wenn das kein besonders hoher Anspruch ist: Bischof Rudolf Voderholzer kann man nicht vorwerfen, mit Missbrauchsopfern ähnlich empathielos umzugehen, wie sein Vorgänger Gerhard Ludwig Müller. Allerdings scheint das neuerliche Relativieren der kirchlichen Verantwortung beim Thema sexueller Missbrauch zu seiner DNA zu gehören.
Bisherige Stimmen aus dem Regensburger Stadtrat klingen alle ähnlich: Nach den Erkenntnissen aus dem Münchner Missbrauchsgutachten und Falschaussagen Joseph Ratzingers muss darüber diskutiert werden, ob Papst Benedikt XVI. die Ehrenbürgerwürde aberkannt wird. Kritik gibt es auch wegen Äußerungen von Bischof Rudolf Voderholzer.
Vom Feldherrenhügel zurück in den Schützengraben: Michael Fuchs legt sein Amt als Generalvikar im Bistum Regensburg nieder und begibt sich zurück in den seelsorgerlichen Dienst als Pfarrer. So steht es in einer Harmonie verbreitenden Pressemitteilung des Bistums. Dass Fuchs jahrelang mit der wichtigste Handlanger des früheren Bischofs Gerhard Ludwig Müller beim Kleinreden des Missbrauchsskandals war, bleibt nicht nur unerwähnt. Seine Rolle wird ins Gegenteil verkehrt.
“Der Chor zuerst” – mit ihrer nun veröffentlichten historischen Studie zu den Regensburger Domspatzen bringen Dr. Bernhard Frings und Professor Bernhard Löffler viel Licht ins Dickicht des Domchors, seine wechselnden Interessensgeflechte und Abhängigkeiten. Sie benennen Täter, Wegschauer und Vertuscher und werfen einen emphatischen Blick auf die Betroffenen der körperlichen, sexualisierten und psychischen Gewalt. Dennoch offenbart das lesenswerte Buch auch gravierende Lücken, irreführende Deutungen und blinde Flecken.
Ein Dokumentarfilm zeichnet den Werdegang von Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. nach und beleuchtet seine Rolle bei der systematischen Vertuschung von sexuellem Missbrauch. Zum Preview in Regensburg trauten sich Verantwortliche des Bistums trotz Einladung nicht.
Zwei weitere Studien zu Gewalt und Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen untermauern die These eines Systems, in dem der Chor alles und das individuelle Schicksal der Schüler allenfalls wenig bedeutet hat. Bei der Vorstellung der Untersuchungen wählen die Macher deutliche Worte – zu Georg Ratzinger, Gerhard Ludwig Müller und im Hinblick auf gängige Rechtfertigungsmuster.
Ende Oktober hat sich der Regensburger Bischof Voderholzer mit einer Predigt an sein Kirchenvolk gewandt. Anlass war die MHG-Studie, „die uns als Kirche von Regensburg in den letzten Wochen arg zugesetzt und viele Gläubige stark verunsichert“ habe. Wie schon sein Vorgänger unterstellt der Regensburger Bischof Medien und Kritikern ein politisches Kalkül und greift dabei sogar auf die reaktionäre und täterschützende Floskel vom Missbrauch mit dem Missbrauch zurück.
Von „Missbrauch mit dem Missbrauch“ hat Bischof Rudolf Voderholzer bei einer Predigt in Zusammenhang mit der MHG-Studie über den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker gesprochen. Exklusiv für regensburg-digital antwortet ihm der renommierte Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller.
Eines hat die Ende September veröffentlichte MHG-Studie deutlich gemacht: Sexueller Missbrauch durch katholische Geistliche ist nicht mit sündig gewordenen Einzelnen zu erklären. Die katholische Kirche sieht sich vielmehr mit grundsätzlichen Fragen zu ihren missbrauchsbegünstigenden und –vertuschenden Strukturen konfrontiert. Während in Regensburg die Staatsanwaltschaft in der Folge der Studie Vorermittlungen aufgenommen hat, soll ein Vertreter des Bischofs von „Lug und Trug“ gesprochen haben.