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Werner Hofbauer zum 75.

Twist and Shout im Louvre

Vor 50 Jahren wurde das Ostentor-Kino von Werner Hofbauer als Programmkino eröffnet. Heute wäre Werner Hofbauer, der am 16. Oktober 2020 gestorben ist, 75 geworden. Eine Hommage.

Von Paul Casimir Marcinkus

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WOHIN? Wir schreiben den Mai 2021, und das letzte WOHIN war das für November 2020. Es erschien dementsprechend Ende Oktober 2020, und es hatte eine schwarze Trauerbinde auf dem Cover. Wenn man es aufschlug, wusste man, warum, obwohl bei dem schwarz umrahmten Foto, das man da sah, kein Name dabeistand. Aber das war auch nicht nötig. Es dürfte niemanden gegeben haben, der ihn nicht gekannt hätte: Werner Hofbauer. Der Mann, der vor ziemlich genau fünfzig Jahren das Ostentor-Kino als Programm-Kino eröffnet hat und der heute 75 Jahre alt geworden wäre.

Man sah ihn richtig vor sich, wie er schelmisch grinste: Werner Hofbauer stirbt, und, logisch, die Kinos machen dicht… Doch, das hätte ihm gefallen. Er hätte das natürlich nicht ernst gemeint, das war nicht seine Art. Dabei war der zeitliche Zusammenfall wirklich eine Ironie des Schicksals. Denn Werner Hofbauers Verdienste um das Kino in Regensburg – und durchaus darüber hinaus: nicht wenige sehen in ihm den Erfinder des Programmkinos – kann man gar nicht überschätzen.

Das sah man an der Hommage, die Achim Hofbauer in besagtem November-WOHIN seinem Vater entbot: Das Porträtfoto von Werner Hofbauer war flankiert von einem großgeschriebenen DANKE mit drei Ausrufezeichen sowie Geburts- und Todesjahr 1946 und 2020, und einer ellenlangen Liste all der Eröffnungen und Gründungen, die Werner Hofbauer dem Regensburger Kino bescherte. Angefangen von der Eröffnung des Ostentor-Kinos 1971, gefolgt von der Eröffnung der Kinokneipe 1973 und der Eröffnung des Restaurants Chaplin 1982 bis zu dem von 1993 bis 2009 fast durchgehend von Werner Hofbauer auf die Beine gestellten Open-Air-Kino an verschiedenen Orten. Dazwischen, nicht zu vergessen, die Bespielung diverser weiterer Kinos und Säle wie Gloria, Scala, Garbo und Turm-Theater.

Und auch in seinen letzten Jahren, als er den Stab schon abgegeben hatte: Egal, wo Werner Hofbauer unterwegs war, ob in Regensburg oder Berlin, er scannte die Stadtlandschaft ab nach kinokompatiblen Lokalitäten. Leerstehende Säle verwandelten sich in seiner Vorstellung in Nullkommanix in florierende Lichtspielhäuser mit Flair, auch ein passender Name für das Kino fiel ihm umgehend ein, und am liebsten hätte er immer sofort die Hausbesitzer gesprochen, um sie von seiner Idee zu überzeugen.

Werner Hofbauer war ein freundlich-aufgeschlossener, an allem möglichen interessierter Mensch, doch zwischendurch bekam er diesen Tunnelblick: Könnte man nicht aus diesem Hinterhaus ein Kino machen? Würde sich jener Biergarten nicht hervorragend als Freilichtkino eignen? Wir anderen müssen immer erst hingehen zum Kino, Werner Hofbauer trug das Kino lebenslang mit sich herum. „Wohin gehen wir? – Immer nachhause!“ – Der gern in Todesanzeigen zitierte Spruch des reaktionären Romantikers Novalis wurde von Werner Hofbauer abschließend abgeändert: Wohin gehen wir? – Immer ins Kino!

Die lebenslange Leidenschaft Werner Hofbauers fürs Kino wurde ihm im zarten Alter von zwölf, dreizehn Jahren eingepflanzt. Und zwar von seinem Stiefvater. Es war in Landshut, wo Werner Hofbauer aufwuchs, und es waren die späten Fünfziger Jahre, „als der Kinobesuch noch ein Sujet für den Beichtspiegel war“, wie er selbst sagte. Nicht nur für den Beichtspiegel, auch fürs jugendliche Vorstrafenregister. Man glaubt das heute nicht mehr, aber da lauerten Polizeibeamte an Kinoein- und -ausgängen darauf, ob sie vielleicht Minderjährige auf frischer Tat ertappten. Das Kino, und zwar egal, welcher Film gerade lief, war ein ausgesprochen zweifelhafter, mehr oder weniger verbotener Ort, für Nicht-Volljährige auf jeden Fall.

Und so war es eine mittlere Katastrophe, als der junge Werner Hofbauer mit zwölf oder dreizehn von einem Nachbarn beim Kinobesuch erwischt und auch sogleich bei seinem Stiefvater verpetzt wurde. Der Stiefvater waltete seines Amtes und verdonnerte den Jungen zu einer saftigen Strafe. Er musste hundertmal in ein Schulheft schreiben: „Ich darf nicht ohne Erlaubnis ins Kino gehen.“

Als der Junge fertig war, war die Liebe seines Lebens unauslöschlich in sein Herz eingebrannt. Er würde für den Rest seines Lebens nur noch ins Kino gehen, und um sicher zu gehen, dass das jederzeit möglich war, machte er mit 24 selber eins auf. Das Din-A-5-Heft mit dem hundertmal hingeschriebenen Strafsatz „Ich darf nicht“ bewahrte er bis zu seinem Tod auf. Wenn man sich manchmal wunderte, woher dieser Werner Hofbauer seinen unerschöpflichen Elan und seine glühende Begeisterung fürs Kino hatte: es war ihm einst verboten worden. Jugendlicher Eigensinn und Selbstbehauptung waren die solide Basis für ein ganzes Leben.

Zunächst, sprich: in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre, machte Werner Hofbauer eine Buchhändlerlehre, in der Buchhandlung Wolf, gegenüber des Alten Rathauses in Regensburg. Doch da zog es ihn schon in die Ostentor-Lichtspiele, wo zu der Zeit „abgenudelte, zweitklassige Hollywoodfilme“ (Hofbauer) liefen – einmal im Monat indes auch ein „besonderer Film“, ausgewählt von einem Filmclub.

Ende 1970 suchte Johann Schäfer, der Betreiber der Ostentor-Lichtspiele, dann einen Nachfolger, und Werner Hofbauer sah seine Stunde gekommen: Ab jetzt würden nur noch besondere Filme im Ostentor laufen! Für einen 24jährigen Buchhandelsangestellten war die Übernahme eines Kinos natürlich ein gehöriger Kraftakt. Doch Werner Hofbauer wagte alles – und gewann alles. Und zwar mithilfe eines Sparkassenkredits in Höhe von 20.000 DM. 1970/71, in den ersten Brandt-Jahren, war anscheinend alles möglich, sowohl dass ein kleiner Angestellter sich sowas zutraut, als auch dass die Sparkasse so jemandem für sowas einen derart hohen Kredit gewährt (für 20.000 DM bekam man 1970/71 eine hübsche Eigentumswohnung).

Dass der kleine Angestellte Werner Hofbauer vor dieser Herausforderung nicht zurückschreckte, dafür war vermutlich ein Erlebnis entscheidend, das er gar nicht so lange nach der vom Stiefvater aufgebrummten Strafaufgabe Ende der Fünfziger hatte. Anfang der Sechziger, 1961, um genau zu sein, war Werner Hofbauer auf Klassenfahrt in Paris. Ein Bus voller 15jähriger wird durch den Louvre geschleust, Bildungsprogramm, Pflichtprogramm. Da fährt ein Bus voller gleichaltriger Mädels durch den Hof des Louvre. Französinnen! So schnell können die Aufseher und Lehrer gar nicht schauen, da haben die Mädels schon Zettel mit ihren Adressen aus dem Busfenster geworfen, und der 15jährige Werner Hofbauer aus Landshut hat ab sofort eine französische Brieffreundin. Er kann so gut wie kein Französisch, aber das Mädchen kann Englisch, das reicht für eine elektrisierende Korrespondenz zwischen Isar und Seine. Wobei es in dem Haushalt an der Isar noch nicht mal ein Telefon gibt, da kann man sich vorstellen, was ein Brief aus Paris, von einer leibhaftigen Französin, bei einem gewohnheitsmäßig gemaßregelten Jungen auslöst.

Irgendwann zwei Jahre später, 1963, schreibt die französische Brieffreundin, dass es da jetzt so eine Band gibt, die heißt Les Beatles. Und der inzwischen 17jährige Werner Hofbauer hört in Landshut Radio, und da kündigt der Moderator mit sichtlichem Widerwillen eine Band mit einem Song namens „Twist and Shout“ an. Und ein 17jähriger Niederbayer tanzt mit einer 17jährigen Französin im Hof des Louvre zu „Twist and Shout“, über alle Grenzen der Geographie und der Sittenwächter hinweg.

Als Werner Hofbauer über 40 Jahre später, mit 59, diese Geschichte bei der Eröffnung einer Französischen Film- und Kulturwoche im Kino Wintergarten im Andreasstadel erzählt, verschlägt es ihm die Stimme. Und gleichzeitig schließt sich hier der Kreis. Denn die Französische Film- und Kulturwoche, von Marianne Mion und Medard Kammermeier zwölf Jahre lang im Andreasstadel veranstaltet, war eine der vielen Spätfolgen des Paukenschlags, den die Eröffnung des Ostentor-Kinos durch Werner Hofbauer Anfang Mai 1971 für die Regensburger Kinogeschichte bedeutete.

Es dauerte nämlich keine fünf Jahre, da gab es, inspiriert vom Programmkino Ostentor, den Arbeitskreis Film (AKF), der die Sache mit den „besonderen Filmen“ noch steigern wollte – im Ostentor liefen ja „nur“ so „gewöhnliche“ Filme von Achternbusch bis Orson Welles. Das konnte man durchaus noch auf die Spitze treiben! Das tut der AKF seit 1976 im Leeren Beutel in seinem kleinen, feinen, dezidiert nichtkommerziellen, „kommunalen“ Kino, seit 1984 veranstaltet er die Regensburger Stummfilmwoche, und seit 1994 die Regensburger Kurzfilmwoche, die sehr schnell internationalen Rang erreichte und so viele (vor allem junge) Zuschauer anzog, dass man bald das Ostentor miteinbeziehen musste.

Doch auch der AKF verzweigte sich: die Kinos im Andreasstadel (Wintergarten und Akademiesalon) sind aus ihm hervorgegangen, was wiederum unübersehbare Folgen zeitigte, von den genannten Französischen Film- und Kulturwochen bis zum Open-Air-Cinema Paradiso. Kurz zusammengefasst: Das alles gäbe es nicht, wenn nicht vor einem halben Jahrhundert dieser 24jährige Buchhandelsangestellte namens Werner Hofbauer wild entschlossen das Ostentor-Kino begründet hätte.

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Kommentare (10)

  • Mr. T.

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    Schön den Hut gezogen!

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  • powidltasckerl

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    Viele schöne Jugendjahre habe ich im Ostentorkino und in der Kinokneipe
    mit meinem Mann verbracht. Vielen Dank dafür an Werner Hofbauer
    und seinen Nachfolgern. Kino ist so wichtig, leider war in den letzten
    Monaten das Vergnügen nicht möglich.

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  • Privatfrau

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    … Ostentor, das Kino meiner Jugend (Jahrgang 1959), aber auch Capitol, Kammer, Gloria, Stali, Astoria …
    so wirds nie wieder
    schnief, schwelg…

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  • Privatfrau

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    leider hab ich vor lauter schnief und schwelg das Regina vergessen,
    war keine böse Absicht

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  • Privatfrau

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    auch das Scala hab ich vergessen (unverzeichlich)
    ist das schon beginnende Demenz?
    ich sollte besser aufhören zu posten

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  • Roche-Dirac

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    @Privatfrau
    Ich ergänze noch das Bavaria-Kino :-)
    Aber damit könnte diese Liste mit Regensburger Ex-Kinos komplett sein …

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  • Hannes Eberhardt

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    Als langjähriger Mitarbeiter und Freund von Werner Hofbauer habe ich meine Magisterarbeit über die Regensburger Kinogeschichte geschrieben.

    Ergänzen möchte ich hier nun folgende Regensburger Lichtspielhäuser:

    – Das Parade-Theater im Goldenen Kreuz
    – Der Welt-Kinematograph “Bavaria” in der Fröhlichen-Türken-Str.
    – Das Apollo-Theater im Löschenkohl-Palais am Neupfarrplatz
    – Die Olympia-Lichtspiele in der Goliathstraße
    – Das Film-Casino im Kasernenviertel (Leublfingstraße bis 1969)
    – Schloß-Tirol-Lichtspiele (bis 1965 in der Meraner Straße)
    – Metropol (in der Aussiger Straße)

    Danke für die schöne Hommage, Werner Hofbauer war ein ganz wunderbarer Mensch, der den besonderen Film zu uns geholt hat und die Kinolandschaft in Regensburg ganz entscheidend geprägt hat.

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  • Altstadtkid

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    Ja der Werner hat da was ganz wunderbares geschaffen.
    In der damaligen Zeit vor VHS,DVD und Internet hatte man praktisch keine Chance besondere Filme zu sehen, außer man wohnte in großen Metropolen.
    Der Werner hat das ganze nach Rgbg. gebracht und dafür kann man Ihm nicht genug danken.
    Was der Mann hier kulturell in dieser Stadt in die Wege geleitet hat war exorbitant und ist nicht genug zu würdigen

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  • Jürgen

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    Gab’s da nicht noch die Kammer-Lichtspiele in der Maxstraße?
    Eigentlich egal, ich kannte sie alle nur von außen – ich war noch zu ‘klein’ zum Kinogeh’n. (Außer’m Ostentor, da erzählte mein älterer Bruder immer wieder davon. Aber eigentlich auch mehr von der Kinokneipe.) Und in die ging ich dann später bis zum Ende derselben. Schade.

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