Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Kommentar

Bizarr: Stadt verfolgt Initiator einer Aktion, mit der sie sich selber schmückt

Das Ordnungsamt der Stadt Regensburg überzieht den Initiator einer antirassistischen Plakataktion mit einem Bußgeld und lässt es zur Gerichtsverhandlung kommen. Die städtische Stabsstelle für Erinnerungskultur hebt dieselbe Aktion lobend hervor und lässt den Organisator unerwähnt. Die Oberbürgermeisterin hält sich wie üblich raus und lässt ihre Verwaltung machen. Das ist peinlich, traurig und einfach nur ärgerlich.

Bei der offiziellen Vorstellung schmückte sich Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer noch mit der Plakataktion “Say their Names”. Dazu, dass das Ordnungsamt der Stadt den Organisator nun mit Bußgeld und Gerichtsverhandlung überzieht, schweigt das Stadtoberhaupt. Foto: Bothner

57 Seiten lang ist der Jahresbericht der Stabsstelle für Erinnerungskultur und Extremismusprävention, den Bildungsreferent Hermann Hage kommenden Mittwoch im Bildungsausschuss des Regensburger Stadtrats vorstellen wird. Es geht um jährliche Gedenktage wie den Gedenkweg am 23. April, Ausstellungen und Netzwerke, um das Vorgehen beim Umgang mit problematischen Straßennamen (den eine darüber zerstrittene Koalition immer wieder der Lächerlichkeit preisgibt) und um verschiedenste Aktionen, die man – mal in Eigenregie, mal zusammen mit Akteuren der Zivilgesellschaft – durchgeführt hat.

WERBUNG

Jahresbericht hebt Plakataktion lobend hervor

Man muss es der Stabsstelle nicht zum Vorwurf machen, dass nicht an jeder Stelle eigens erwähnt wird, wer eigentlich hinter diesen Aktionen steckt. Es gibt einen Passus, in dem ausdrücklich betont wird, „dass sämtliche Projekte und Veranstaltungen nur umgesetzt werden konnten und auch weiterhin umgesetzt werden können, aufgrund der sehr guten Kooperation mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteuren, Institutionen, Organisationen und Kollegen aus zahlreichen anderen Dienstellen und Ämtern in und über das Stadtgebiet hinaus“.

Aber es mutet schon bizarr an, dass in einem Beitrag auf Seite 17 und 18 eine Plakataktion lobend hervorgehoben wird, die zunächst von städtischen Stellen blockiert wurde und deren Organisator im Nachgang vom Ordnungsamt mit einem Bußgeld und nun einer öffentlichen Gerichtsverhandlung überzogen wird. Dass es überhaupt soweit kommen konnte, liegt insbesondere auch daran, dass bei der Stadt Regensburg niemand in der Lage war, für diese Aktion die Verantwortung zu übernehmen, sondern eine Privatperson das übernahm.

Organisator: ein Verein

Die Rede ist von der Plakataktion „Say their Names“, in deren Rahmen während der Internationalen Wochen gegen Rassismus verschiedene Straßen und Plätze temporär nach den Opfern von Rassismus benannt wurden. Angeleiert hatte das Ganze im vergangenen Jahr der „Arbeitskreis für ausländische Arbeitnehmer_innen“ (a.a.a.), vor allem auch in Erinnerung an den früheren Regensburger Fatih Saraçoğlu, eines der neun Opfer des Attentates von Hanau am 19. Februar 2019.

Die Anmeldung: Privat und gegen städtische Widerstände

Es sei laut Vorstand Michael Waffler zunächst schwierig gewesen, überhaupt eine Genehmigung dafür zu bekommen. Erst nach einer Unterschriftenaktion und Intervention bei der Oberbürgermeisterin gab das Ordnungsamt grünes Licht und bewilligte ein paar ausgewählte Stellen, um die Plakate aufzuhängen. Ein Mitglied des Vereins musste die Aktion im Vorfeld schriftlich beantragen. Es dauerte damals keine 48 Stunden, bis ein Großteil der Plakate von Unbekannten heruntergerissen, zerstört oder mit rechtsextremen Stickern beklebt wurde. Auch hier war es der a.a.a., der (erfolglos) Strafanzeige stellte. Keine Stelle bei der Stadt Regensburg hielt es für notwendig, hier tätig zu werden.

Das Bußgeld: Ohne Kommunikation und ohne Beweise

Weil im Anschluss nicht nur die heruntergerissenen Plakate ersetzt, sondern später auch insgesamt 34 Plakate an nicht genehmigten Stellen vom Kommunalen Ordnungsdienst festgestellt wurden, erhielt der Anmelder der Aktion einen Bußgeldbescheid der Stadt über 250 Euro. Dabei ist nicht einmal belegt, dass er die „illegalen“ Plakate aufgehängt hätte. Die städtische Ordnungsbehörde stellt sich auf den Standpunkt, dass er als Anmelder schlicht für sämtliche herumhängenden Plakate verantwortlich ist – obwohl darauf im Rahmen einer städtischen Veranstaltung mit der Oberbürgermeisterin quasi jedermann Zugriff hatte. Auch eine Kommunikation im Vorfeld, etwa mit der Aufforderung, die „illegalen“ Plakate abzuhängen, fand nicht statt. Es folgte der Bußgeldbescheid und anschließend eine durchweg harte Haltung – nur zahlen macht Frieden.

Der Jahresbericht lobt die Aktion und nennt die Organisatoren nicht

Im Jahresbericht der Stabsstelle Erinnerungskultur findet sich von dem peinlichen Gebaren der Kollegen in den städtischen Amtsstuben nichts. Stattdessen kann man dort über die städtische Beteiligung an der Plakataktion unter anderem lesen:

„Mit der Aktion SAY THEIR NAMES erinnerten wir an Persönlichkeiten, die gegen Rassismus ankämpften, von Rassismus betroffen sind oder durch die rassistische Kontinuität in Deutschland ihr Leben verloren haben. (…) SAY THEIR NAMES bedeutet, dass betroffene Personen dringend gehört werden müssen. Und wie können sie letztlich dauerhafter im Gedächtnis bleiben als in Form von täglich gebrauchten Namen von Straßen und Plätzen? Wir konnten mit der Aktion nur ein paar Namen stellvertretend für eine Vielzahl von Personen nennen.“

Die Oberbürgermeisterin schweigt – wie üblich

Dafür, dass die Namen, deren Nennung die eine Abteilung der Stadt für sich proklamiert, auch an falschen Stellen plakatiert wurden, bittet die anderen Stelle denjenigen zur Kasse, der sich tatsächlich darum gekümmert hat. „Über das verhängte Bußgeld entscheidet nun nach Einspruch das Amtsgericht Regensburg“, erklärte die Pressestelle der Stadt auf Nachfrage unserer Redaktion. „Die Abgabe dorthin erfolgte bereits im Januar 2022. Der Ausgang des Verfahrens bleibt somit abzuwarten.“ Weder ein Widerspruchsschreiben des a.a.a. noch eine Protestnote der Grünen im Stadtrat konnten die Stadt zu einem Einlenken bewegen. Man bleibt bei der harten und – was die Erfolgsaussichten vor Gericht betrifft – zweifelhaften Haltung. Es scheint ums Prinzip zu gehen.

Der Rest des Stadtrats äußert sich zu dem Thema ohnehin nicht und die Oberbürgermeisterin hält sich – wie bei fast jedem Thema mittlerweile üblich – raus, schweigt und lässt ihre Verwaltung einfach mal machen anstatt den Verantwortlichen dafür ordentlich den Marsch zu blasen. Das hätten sie verdient und dafür wäre ein Stadtoberhaupt auch da – eigentlich.

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (7)

  • Robert Fischer ÖDP

    |

    Bei mir ums Eck hat es vier Monate gedauert, bis ein (offensichtlich verlassenes) Auto im Parkverbot abgeschleppt wurde und da hat das Ordnungsamt Zeit, durch die Stadt zu laufen und Plakate zu zählen.

    Ähnlich lächerlich, wie die Aktion mit den Pfandkisten der Fanszene vom Jahn…

    Prioritäten und so…

  • Daniel Gaittet

    |

    Es wäre absurd, wenn das wirklich vor Gericht muss; bereits das Bußgeld sendet ein falsches Signal. Die Oberbürgermeisterin muss handeln und eine andere Lösung finden.

  • KW

    |

    Die OBin kann frau/man, wie es scheint, in der Pfeife rauchen. Schade.
    Es hätte gar nicht zu der Anzeige kommen dürfen und ob man diese jetzt, nachdem die Mühlen der Justiz bereits mahlen, noch zurückziehen kann, entzieht sich meinen laienhaften Justizkenntnissen. Aber Frau OBin würde das ja eh nicht machen, schließlich hat sie ja ihre Verwaltung, die sich kümmert.
    In Regensburg entwickelt sich wohl alles was irgendwie mit Stadtrat, Verwaltung oder ähnlichem zu tun hat, zu einer Farce. Kopfschütteln ist noch das höflichste was mir dazu einfällt.

  • xy

    |

    Kommentar gelöscht. Es wird trollig.

  • Nocheinüberlebender

    |

    Habe das gleiche in Nürnberg erlebt: Es ist natürlich ungünstig, wenn der Sozialreferent eine Veranstaltung kritisiert und als verwerflich bezeichnet (Stabstelle) und das Menschenrechtsbüro (Stabsstelle) die gleiche Veranstaltung mit Teilnahme “krönt” – was soll man davon halten? Es muss endlich eine klare Linie her, sonst kennt sich keiner mehr aus.

  • luck

    |

    Durch die Aktivierung der Gewaltenteilung wird man (vielleicht) sehen, was ein Rechtsstaat zu leisten imstande ist (oder auch nicht).
    Ich bedanke mich jedenfalls bei regensburg-digital und Herrn Aigner persönlich für die klare, sachliche und humanistische Stellungnahme und verbeuge mich!

Kommentare sind deaktiviert

drin