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Umgerissen oder gestolpert?

Eskalation nach Ruhestörung: Ein Angriff, den keiner gesehen hat

Am zweiten Tag des Prozesses um einen Polizeieinsatz wegen Ruhestörung, der völlig aus dem Ruder lief, mehren sich die Zweifel an der Version zumindest eines Beamten. Der brach sich bei dem Einsatz das Sprunggelenk. Beim Stolpern oder weil er angegriffen wurde, lautet die zentrale Frage. Am Mittwoch wurde ein Student vernommen, der an dem Abend gefilmt hat.

Man hört ein lautes Klatschen. Das Bild verwischt. „Handy weg“, hört man eine hektische Stimme im Vorbeilaufen sagen. Und die Person, um deren Mobiltelefon es offenbar geht, scheint kurz am Boden zu landen. Eine Weile ist die Kamera auf den Schritt des Filmenden gerichtet, man hört dessen perplexes Stöhnen. Am Mittwoch ist der Student Herbert S. (alle Namen geändert) als Zeuge im Prozess um die Eskalation bei einem Polizeieinsatz wegen Ruhestörung geladen. Ein Beamter brach sich dabei das Sprunggelenk.

Angriff oder Unfall?

Seit Montag müssen sich drei Teilnehmer einer Geburtstagsfeier, die gut zwei Jahre zurückliegt, deshalb vor Gericht verantworten (Hier geht es zu unserem ersten Bericht.). Die Anklagen lauten auf Beleidigung, Widerstand gegen und – gegen den Gastgeber Nico Z. – tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Zu der Frage, warum die Situation so aus dem Ruder gelaufen ist, dass am Ende etwa 30 Polizisten in dem kleinen Garten mit Hinterhof in der Regensburger Altstadt standen, widersprechen die Aussagen der beiden Polizeibeamten, die als erste vor Ort waren, und jene der Angeklagten einander teils diametral.

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Den vermeintlichen Angriff auf den am Ende verletzten Polizisten, der am Montag ausgesagt hatte, dass ihm Nico Z. zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn anschließend in der Art eines Footballspielers umklammert und zu Boden gerissen haben soll, will nicht einmal sein Kollege gesehen haben.

Er sei da gerade auf eine andere Person fixiert gewesen, hatte der 36jährige Beamte ausgesagt. Die Situation, in der sein Kollege zu Boden gegangen sei, habe er deshalb nicht beobachtet. Auch sonst hat diesen Angriff niemand gesehen.

Warum zieht man jemanden über einen Zaun?

Das Video, das Herbert S. aufgenommen hat, sei ein „wichtiges Beweismittel“, sagt Richterin Corinna Dexl am Mittwoch. Wie genau es dazu kam, dass Nico Z. und der Polizeibeamte halb übereinander liegend am Boden landeten, ist darauf aber auch nicht wirklich zu erkennen. Es ist zu dunkel, zu verwackelt. Und Herbert S. ist gerade selbst mit seinem Handy über den alten, knapp hüfthohen Jägerzaun gestiegen, über den die beiden Polizisten Nico Z. zuvor gezerrt hatten.

Eine gezielte Aktion sei das gewesen, um auf der anderen Seite des Zauns in Ruhe mit Z. reden zu können, nachdem man zuvor dessen Personalien nicht habe feststellen können, erklärt dazu der eine Beamte. Eigentlich habe er ihn nur festhalten, aber nicht über den Zaun ziehen wollen, sagt dagegen der andere. Auf dem Video sieht man ein Hin- und Hergezerre, an dessen Ende Nico Z. halb stolpernd irgendwie über den Zaun kommt. Er und die beiden Beamten taumeln in die Dunkelheit. Im nächsten klaren Bild liegen Z. und der verletzte Beamte am Boden, der andere Polizist ist bereits dabei, einem der Gäste, dem Mitangeklagten Mirko M., Handschellen anzulegen. Dieser hatte sich offenbar irgendwie einmischen wollen.

“Es kann Gründe haben, wenn jemand nichts gesehen haben will.”

Mehrfach wird am Mittwoch eine Version des Videos, bei der eine Fachfirma Ton und Bild so gut wie möglich aufbereitet hat, in Slow Motion vorgespielt. Am Ende sind sich die Verfahrensbeteiligten weitgehend einig, dass die beiden Beamten zum Zeitpunkt des angeblichen Schlags leicht versetzt direkt nebeneinander gestanden sein müssen. Der Kollege müsse den Schlag gesehen haben, wenn es ihn denn gegeben habe, ist sich Z.s Verteidiger Jörg Meyer sicher. Ähnlich sieht das auch Strafverteidigerin Stephanie Bauer, die den Mitangeklagten Mirko M. vertritt. Der ist wegen Widerstands angeklagt. Er hatte bei seiner Festnahme zwei Mal den Arm weggezogen, als ihm Handschellen angelegt werden sollten.

„Es kann nicht sein, dass die beiden so nah beieinander stehen und der eine Kollege sieht nicht, was da gerade passiert“, stellt Bauer fest. Es könne aber durchaus seine Gründe haben, wenn der Beamte nichts gesehen haben wolle, während es einen Schlag gegeben haben soll, resümiert Jörg Meyer. Gegen den damals verletzten Beamten stellt der Rechtsanwalt am Mittwoch Strafantrag wegen mehrerer Unstimmigkeiten bei dessen Aussage. Den Schlag hat es nach Überzeugung Meyers ebenso wenig gegeben wie das Umreißen. Es seien alle miteinander gestolpert und hingefallen, so sein Resümee aus den mehrfachen Videovorführungen. Richterin Dexl lässt sich derweil zu ihrer Interpretation nicht in die Karten schauen.

„Kameramann“ Herbert S. erklärt, dass er diese Situation ebenfalls nicht gesehen habe. Er stieg – das ist dem Video zu entnehmen – gerade über den Zaun, um näher an das Geschehen heran zu kommen. Er habe „auf der sicheren Seite“ sein wollen, sagt S. zu der Frage, warum er das Ganze auf Film gebannt habe.

„Es hat eher gewirkt, als wollten die eskalieren.“

Es habe vielleicht eine oder zwei Minuten gedauert, ehe die Musik nach der ersten Aufforderung der Polizeibeamten, die im benachbarten Garten standen, ausgeschaltet wurde, erzählt der Zeuge. Nico Z. sei dann an den Zaun zu den Polizisten gegangen und habe sich als Gastgeber zu erkennen gegeben. Da habe er dann die Aufnahme gestartet, so Herbert S. Ihm sei das Auftreten der Beamten komisch vorgekommen. Laut, anfänglich unverständliche Fragen, und ziemlich gereizt. „Es hat eher gewirkt, als wollten die eskalieren.“ Das stützt die These von Jörg Meyer, derzufolge die Beamten bereits gereizt waren, nachdem bei einem anderen Einsatz am selben Abend ein Kollege schwer verletzt worden war. Die beiden Polizisten weisen diese Theorie hingegen weit von sich.

Zunächst hätten sie Nico Z. mehrfach nach dessen Ausweis gefragt, erzählt Herbert S. weiter. Der habe gesagt, er habe ihn nicht dabei. Dann habe einer der Beamten zunächst nach Z. gegriffen und als der eine leicht abwehrende Handbewegung gemacht habe, den Schlagstock gezogen. „Da war die Stimmung dann natürlich schlecht“, so S. „Eine Kommunikation kam da nicht zustande.“ Spätestens mit „dem Geziehe“ sei dann die „Stimmung endgültig gekippt“. „Da haben dann viele laut geschrien.“ Zumindest an Worte wie „Hanswurschten“ kann S. sich dabei noch erinnern.

Die Richterin bittet zum Rechtsgespräch

Viel mehr aber kann der Zeuge trotz ausführlicher Befragung am Mittwoch nicht beitragen. Dass er aber von einem Polizeibeamten, der als Verstärkung eingetroffen war, mit den Worten „Handy weg“ gegen den Kopf geschlagen wurde und hinfiel, bekräftigt S. mehrfach. Dieser Polizist hatte hingegen bei seiner Aussage erklärt, er sei auf dem matschigen Boden ins Rutschen gekommen und deshalb unabsichtlich mit Herbert S. zusammengestoßen. „Den Unterschied ob jemand gegen mich rutscht oder mit der Hand schlägt, merke ich schon noch“, sagt S. dazu. Eine Strafanzeige gegen den Beamten wurde – wie auch andere – bereits eingestellt.

Am Ende des Verhandlungstages bittet Richterin Dexl Verteidigung und Staatsanwaltschaft zum Rechtsgespräch. Das könnte zumindest darauf hindeuten, dass über eine Einstellung des Verfahrens oder zumindest eine Änderung der rechtlichen Bewertung der Vorwürfe nachgedacht wird. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

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Kommentare (5)

  • Piedro

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    “Eine Strafanzeige gegen den Beamten wurde – wie auch andere – bereits eingestellt.”
    Mit welcher Begründung?

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  • Toni

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    Keine Freunde, keine Helfer.
    Ich bin ja inzwischen fast froh wenn alles von jedem gefilmt wird schade nur dass die Überwachungstechnik nicht von unabhängigen Stellen überwacht wird.
    Ich würde mir wünschen dass Polizei in Zukunft Bodycam den gesamten Dienst tragen muss und die Technik dezentral gesteuert, gespeichert und ausgewertet wird. Zudem fordere ich dass Polizeibeamte im Dienst von jedermann gefilmt werden dürfen, die sollten ja schließlich nichts zu verbergen haben.

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  • Politiker-Beobachter

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    @Toni: Sie sind schon sehr negativ eingestellt. Zwischen den Zeilen kann man da durchaus Vorurteile gegen Polizisten entnehmen…

    …am besten die Flucht nach vorne antreten – und die Polizei anzeigen…

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  • Andreas

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    Mit welchem Recht fordern eigentlich Polizisten ein, dass sie bei ihrer Tätigkeit nicht gefilmt werden dürfen? Wenn sie ihren Dienst tadellos ausüben, kann das doch kein Problem für sie sein….

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  • Olli

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    Wie heißt es so schön: Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch vor Videoüberwachung nicht zu fürchten.
    Die ist notwendig, um Straftaten zu verhindern und aufzuklären.

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Kommentare sind deaktiviert

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