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Nestbeschmutzung mit Folgen

Foto: Tilman Grimm
Die Projektgruppe Zwangsarbeit kann den Vorstoß als Erfolg ihrer Arbeit verbuchen: Die SPD im Schwandorfer Stadtrat will die Friedrich-Flick-Straße in Fronberg umbenennen. Das hat der Fraktionsvorsitzende, MdL Franz Schindler, heute mitgeteilt. 1973 war die damalige Lindenstraße vom Schwandorfer Stadtrat mit dem Namen des NS-Kriegsverbrechers bedacht worden. Schindler bezeichnet das als „Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus” dar, heißt es in dem entsprechenden Antrag. 1947 wurde der Großindustrielle Flick bei den Nürnberger Prozessen wegen Sklavenarbeit, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Teilnahme an Verbrechen der SS zu sieben Jahren Haft verurteilt. Konservative Schätzungen gehen von 60. bis 70.000 Arbeitssklaven aus, die Flick in seinen Werken einsetzte. Er hat dafür nie Reue gezeigt, geschweige denn Entschädigungen bezahlt. Flick starb 1972 und hinterließ ein Milliardenvermögen. Das Städtedreieck ist die wohl einzige Region in Deutschland, wo es noch Flick-Straßen gibt. Davon gleich drei an der Zahl: in Schwandorf, Maxhütte-Haidhof und Teublitz. Bei vielen gilt Flick, der dort mit der Maximilianshütte ein wichtiger Arbeitgeber war als ehrenwerter Geschäftsmann. Dieses Bild dürfte die Ausstellung der Projektgruppe bei so manchen ins Wanken gebracht haben. Am gestrigen Donnerstag wurde bei einer Podiumsdiskussion in Maxhütte-Haidhof eine Zwischenbilanz gezogen. Knapp 1.000 Besucher haben die Ausstellung bislang besucht, für die Organisatoren um den Journalisten Chris Humbs erstmals exakte Zahlen, Daten und Einzelschicksale von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in der „Flick-Hochburg” Maximilianshütte recherchiert haben. Allein im Jahr 1944 waren es 868 Menschen, die in den Stahlwerken schuften und unter widrigsten Bedingungen in Lagern leben mussten – die Hälfte der gesamten Belegschaft. Es habe einen „Schub von außen” gebraucht, um eine Diskussion über dieses Kapitel anzustoßen, so Humbs, der selbst aus Region stammt und so Manchem hier als Nestbeschmutzer gilt. „Wenn Du einen aus der Maxhütte heiratest, bist Du gut versorgt” habe es früher geheißen, so ein ältere Diskussionsteilnehmerin. Das sei eine „bessere Partie als ein Lehrer” gewesen. Mit ein Grund war das dafür, dass man über die menschenverachtende Seite des Herrn Flick großzügig hinweg blickte. „Er war sehr bemüht, sich ein positives Image bei den Arbeitern zu geben”, so der Historiker Matthias Haberl. Immer wieder gebe es die Aussage, Flick habe die Maxhütte besucht, auch wenn dies durch keine Dokumente zu belegen ist. Dass die vergleichsweise gute Bezahlung der Arbeiter nicht an Flicks Menschenfreundlichkeit, sondern am hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad lag, wurde nicht wahr genommen. Clemens Fritz, Lehrer am Johann-Michael-Fischer-Gymnasium, wo Schüler selbst einen Teil der Ausstellung mitorganisiert haben, zeigte sich erfreut über das Engagement der Schülerinnen und Schüler. „Dieses Projekt hat sie zu mündigeren Bürgern gemacht.” Dennoch wurde mehrfach angemerkt, dass die Ausstellung bislang von zu wenig Schulen wahrgenommen wurde. Allgemein beklagt wurde am Donnerstag die eher zurückhaltende Unterstützung durch die lokale Politik und Wirtschaft. Dr. Gabriele Plank, Bürgermeisterin von Maxhütte-Haidhof, machte durch mehrere eher unrühmliche Auftritte von sich reden, trotz überregionaler Sponsoren sind die Kosten für das Projekt bislang nicht gedeckt. Ungeachtet dessen besteht – das würde bei der gut besuchten Veranstaltung am Donnerstag deutlich – der Wunsch, dort weiterzumachen, wo die Ausstellung angefangen hat. Eine entsprechende Publikation steht im Raum, auch die Diskussion um ein Denkmal für die ehemaligen Zwangsarbeiter soll wiederaufgenommen werden – eine solche gab es schon 2002, als die Wohnbaracken der Maxhütte abgerissen wurden, allerdings verlief sie im Sande. Den ersten konkreten Schritt hat nun die Schwandorfer SPD mit ihrem Antrag zur Umbenennung der Schwandorfer Flick-Straße gemacht. Bislang waren solche Vorstöße stets an den Mehrheiten in den drei Stadtparlamenten gescheitert. Was, wenn das auch dieses Mal der Fall ist. „Dann muss ein Bürgerentscheid her”, war aus dem Publikum zu hören. Auch das darf sich die Projektgruppe als Erfolg auf die Fahnen schreiben.
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Kommentare (1)

  • kritische geschichte

    |

    […] SPD im Schwandorfer Stadtrat will die Friedrich-Flick-Straße in Fronberg umbenennen. Das berichtet regensburg-digital. Die Ausstellung der Projektgruppe “Zwangsarbeit”, die bis zum 28.3. in der […]

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