Beiträge mit Tag ‘NS-Verbrechen’

Recherche zur Zinngießerei Wiedamann

Wie der „Führer“ Zinnkunst vergoldete

Ein angebliches Judenversteck, ein Firmenchef, der dem NS-Regime kritisch gegenübergestanden sein soll, ein zweites „Anne-Frank-Haus“: Spekulationen über die Zinngießer-Dynastie Wiedamann gibt es viele. Vor allem in den letzten Monaten. Doch tatsächlich ließen sich die Zinngießer während der NS-Zeit ihr Einkommen vom „Führer“ und seinen Parteigenossen vergolden.

Richard und Eugen Wiedamann (v.l.) auf der Frankfurter Herbstmessen 1951. Quelle: Ebeling 2021, Historisches Museum Regensburg.

Der ehemalige Kulturreferent Klemens Unger hatte mit dem Nachlass der Zinngießerei Wiedamann Großes vor. Anlässlich einer von ihm protegierten Ausstellung der Wiedamannschen Zinnkunst (2016) hoffte er, dass sich „die Regensburger eines Stückes Kulturgeschichte wieder bewusst werden“ und dadurch „der Ruf Regensburgs auch im 21. Jahrhundert vergoldet“ würde.

Im Ausstellungskatalog von 2016 kündigte Unger vielversprechend an: Da der Wiedamann-Nachlass im Historische Museum liegt, sei „eine seriöse historische Erforschung aus erster Hand möglich“. Es kam anders. Statt lückenlose Forschungsergebnisse zu präsentieren, wucherten in Sachen Wiedamann interessengeleitete Spekulationen ob eines „Judenverstecks“ aus der Nazizeit, von einem zweiten „Anne-Frank-Haus“ war gar die Rede. Tatsächlich waren die Wiedamanns Günstlinge des „Führers“ und seiner Parteigenossen, die ihre Kunst aufkauften und ihr Einkommen vergoldeten.

Josef Mös: „Es ist an der Zeit, … der Siedlung den Namen ihres Gründers zurückzugeben, den Namen eines aufrechten, zutiefst menschlich denkenden Mannes, Dr. Otto Schottenheim!“ Foto: Archiv/Staudinger
Erinnerungs- und Gedenkpolitik in Regensburg

Die Sehnsucht nach Entlastung

Berichte über ein Geheimzimmer, in dem angeblich Juden versteckt worden sein sollen, eine nichtssagende und intransparente Pressemitteilung der Stadt Regensburg, in der von einer „umstrittenen Rolle“ des NS-Karrieristen Walter Boll die Rede ist, eine städtisch geförderte Ausstellung, in der ein Fan von Otto Schottenheim den Nazi-OB abfeiern durfte. Es sind nur ein paar Beispiele für erhebliche Defizite in der Erinnerungs- und Gedenkkultur von Regensburg. Wir veröffentlichen dazu einen Einwurf der Journalistin und Autorin Waltraud Bierwirth („Die Firma ist entjudet“, „Der Fall Elly Maldaque“, „Das Novemberpogrom und der lange Weg zu einer neuen Synagoge“).

Interview

Das Ende der Legende vom ehrenwerten Herrn Boll?

„Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ ist der Titel einer Buchreihe, die seit 2010 von dem Historiker Wolfgang Proske herausgegeben wird, und in der sich verschiedene Autoren mit NS-Biografien befassen. Kürzlich ist der 14. Band mit Schwerpunkt Oberpfalz erschienen, in dem unser Autor Robert Werner mit den Legenden um einen der meist dekorierten Bürger Regensburgs aufräumt: den früheren Museumsdirektor, Kulturdezernenten, Stadtarchivar und NS-Karrieristen Walter Boll. Wir haben uns über die Rolle Bolls, die aufwändigen Recherchen und die bislang ungenügende Aufarbeitung von Bolls Rolle in Regensburg unterhalten.

Staatliche Organisation von 213 Morden

Einblick in die Bürokratie des Terrors

213 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden am 4. April 1942 aus Regensburg in die Vernichtungslager im Osten deportiert. Niemand von ihnen überlebte. Zum 80. Jahrestag wurde vor Tatorten in Verwaltungsstellen und Behörden aus den Akten derjenigen gelesen, die diesen Massenmord mitorganisierten und die Verteilung des geraubten Vermögens – bei einer „Topographie des letzten Weges“.

„Skandalös“

Straßenumbenennungen: CSU contra OB, Grüne contra CSU

Die CSU spricht von einer „unendlichen, ärgerlichen Geschichte“, die Grünen werfen der CSU „skandalöses“ Verhalten vor. Doch die Vorlage, die Bildungsreferent Hermann Hage dem Bildungsausschuss vorlegen will, hört sich gar nicht schlecht an – auch wenn die Diskussion über den Umgang mit belasteten Straßennamen schon recht lange dauert.

Tag der Befreiung

Erinnern funktioniert nur ohne Schlussstrich

Vergangenen Sonntag beging die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg den 76. Jahrestag der Befreiung. Erneut musste die Gedenkveranstaltung ohne Überlebende und deren Familien stattfinden. Ungewollt hat man damit auch einen Ausblick in die Zukunft erhalten. Denn in einigen Jahren werden keine Zeitzeugen mehr leben. Das hat auch Auswirkungen auf die Erinnerungsarbeit.

Gedenken der Opfer der NS-Krankenmorde

Regensburg erhält weitere Stolpersteine – und eine Stolperschwelle

Vor rund 13 Jahren wurde in Regensburg die Stolpersteininitiative des Evangelischen Bildungswerkes ins Leben gerufen. Diese macht es sich seitdem zur Aufgabe, das Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig Stück für Stück zu erweitern. Am Montag verlegte dieser im Gedenken an Opfer der NS-Euthanasie-Programme neun weitere Stolpersteine im Stadtgebiet sowie eine Stolperschwelle auf dem Gelände des Bezirksklinikums.

Zwischen Drei-Mohren, Schrems und Danziger Freiheit

Stadt lässt Straßennamen prüfen

Mehr als 2.100 Straßen und Plätze gibt es in Regensburg. Mit Beschluss des Bildungsausschusses vom 8. Juli sollen diese künftig von Experten auf ihren historischen Kontext hin überprüft und eingeordnet werden. Umbenennungen wolle man dabei nicht kategorisch ausschließen.

Niederlage Deutschlands? Kriegsende?

Befreiung aller Menschen in Deutschland

Anlässlich des Kriegsendes am 8. Mai zeichnet Hans Simon-Pelanda die kampflose Übergabe Regensburgs an die US-Truppen am 27. April 1945 nach und lässt Zbigniew Kolakowski zu Wort kommen, einen der wenigen Überlebenden des KZ-Außenlagers Colosseum in Stadtamhof. Simon-Pelanda war langjähriger Vorsitzender und ist nun Ehrenvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ehemaliges Konzentrationslager Flossenbürg e. V. Der Text erschien zunächst in der aktuellen Online-Ausgabe des Regensburger Sozialmagazins Donaustrudl. 

Erinnern an Auschwitz

Im Gedenken an das Unaussprechliche

Neun Buchstaben, die Menschen weltweit an unvorstellbares Leid und grausamste Taten erinnern lassen. Ein Wort, das, wie kaum ein anderes, für die Vernichtungsindustrie Nazi-Deutschlands steht. Am 27. Januar 1945 betraten Soldaten der Roten Armee zum ersten Mal das Konzentrationslager Auschwitz. Diese Woche jährt sich dieser Tag zum 75. Mal. Auch in Regensburg beging die Stadt mit Vertretern der jüdischen und mehrerer christlichen Gemeinden sowie vielen weiteren Gästen den internationalen Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz und für die Überlebenden des Holocaust.

Welle der Solidarität mit der VVN

“Verfassungsschutz” kostet Antifaschisten die Gemeinnützigkeit

Seit mehr als 70 Jahren existiert die VVN-BdA in Deutschland. Als Vereinigung der Überlebenden des Nazi-Regimes gegründet, versteht man sich bis heute als wichtiger antifaschistischer und demokratischer Akteur der Zivilgesellschaft. Insbesondere in der deutschen Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur hat der Verein viel geleistet. Nun entzog die Berliner Finanzverwaltung dem Dachverband die Gemeinnützigkeit. Grund: Die Überwachung des Landesverbands durch den hiesigen “Verfassungsschutz”. Die Begründungen hierfür sind jedoch fragwürdig. Nun luden Mitglieder der VVN zur Pressekonferenz.

Vor 79 Jahren startete die Aktion T4 in Karthaus-Prüll

Als der Tod Pfleger in Regensburg war

Es ist der 4. November 1940. Mehrere graue Busse der Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft (Gekra) verlassen die Regensburger Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll in Kumpfmühl. Das Ziel der Gekra-Busse ist das oberösterreichische Schloss Hartheim. Für die Insassen des ersten T4-Transportes von Regensburg aus ist es eine Reise in den sicheren Tod. Historisch betrachtet ist die Aktion T4 der Beginn der Massenvernichtungsindustrie im 3. Reich.

Recherche

Walter Boll und die nationale Revolution

Die schon länger angemahnte wissenschaftliche Untersuchung des Regensburger Ehrenbürgers Dr. Walter Boll lässt weiter auf sich warten. Der ehemalige Museumsdirektor und Kulturreferent hat wie kaum ein anderer die Entwicklung Regensburg gestaltet. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus. Nach wie vor prägen wohlwollende Erzählungen und immer wieder wiederholte Legenden das Bild. Recherchen von regensburg-digital in bislang nicht ausgewerteten Akten zeigen nun, dass Boll als Emporkömmling des NS-Regimes immer im Sinne des Nationalsozialismus funktionierte und sich nach Kriegsende als Nazi-Gegner ausgab.

Ein vergessener Gedenkstein

Erinnern an den „Russenfriedhof“

Wofür der zwei Meter hohe Stein an der Ecke Straubinger-/Siemensstraße steht, wissen in Regensburg wohl nur die wenigsten. Vergangene Woche erinnerte die ARGE ehemaliges KZ Flossenbürg bei dem vergessenen Denkmal an die sowjetischen Kriegsgefangenen. Über 600 von ihnen wurden dort ab 1942 ohne Grabstein verscharrt.

 
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