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Nichtöffentlicher Missbrauchsprozess vor dem Abschluss

Warum wurde der Kindervergewaltiger so spät verhaftet?

Der Prozess gegen den 55-jährigen Regensburger Gerhard K. wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Regensburg steht unmittelbar vor dem Abschluss. Am heutigen fünften Verhandlungstag wurde die Beweisaufnahme, die fast ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, beendet. Unklar ist, ob es Versäumnisse der Behörden gab und was mit weiteren Vorwürfen ist, die abseits des Prozesses gegen den einschlägig vorbestraften Missbrauchstäter im Raum stehen.

Meist vermummt und von Publikum abgewandt: der 55jährige Angeklagte Gerhard K. Foto: om

Am ersten Verhandlungstag im Missbrauchsprozess gegen Gerhard K. im neuen Jahr finden sich wieder mehr Zuschauerinnen und Zuschauer im Sitzungssaal ein als zuletzt. Doch auch dieses Mal wird die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen – die Anwesenden erfahren fast nichts. Unter ihnen ist etwa auch ein Zeuge, der erst mit der heutigen Post erfahren hat, dass man seine vorgesehene Aussage nicht brauchen wird. Das stand zwar spätestens schon am 18. Dezember 2020 – dem letzten Prozesstag im alten Jahr – fest, aber so ein Abladungsbrief kann zwischen den Jahren schon mal ein bisschen dauern.

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Die Staatsanwaltschaft legt dem 55-jährigen Angeklagten zur Last, zwei Mädchen (geboren 2007 und 2009) von Ende 2017 bis spätestens Anfang Juli 2019 in vierzehn Fällen in seiner Wohnung und seinem Wohnwagen sexuell missbraucht zu haben. Als „Belohnung“ soll er seinen Opfern Geschenke gemacht haben.

Haftbefehl erst anderthalb Jahre nach konkreten Hinweisen

Nach Informationen von regensburg-digital gab es spätestens im Jahr 2018 sehr konkrete Anhaltspunkte für schweren und mehrfachen sexuellen Kindesmissbrauchs. Mehrere Stellen – Kripo und Jugendamt – wurden damals von einer Mutter informiert, deren Tochter K. mehrfach missbraucht hat. Doch verhaftet wurde der 55-Jährige wegen der aktuell angeklagten Taten, die noch bis mindestens Mitte 2019 weiter gingen, erst am 16. April 2020. Der Haftbefehl erging über einen Monat zuvor.

Dabei ist Gerhard K. als Missbrauchstäter bereits einschlägig vorbestraft. 1998 wurde er wegen Missbrauchs seiner Tochter und seines Stiefsohns in sieben Fällen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im Bundeszentralregister wurde diese Verurteilung mittlerweile getilgt.

Gab es Versäumnisse der Behörden?

Ob es Versäumnisse der Behörden gab, warum K.s Taten noch fast ein Jahr nach den ersten Hinweisen der Mutter weitergehen konnten und ob solche Fragen im Rahmen des Prozesses überhaupt thematisiert werden, ist angesichts der faktischen Nichtöffentlichkeit nicht bekannt.

Abgesehen von der psychologischen Gutachterin, dem psychiatrischen Sachverständigen und der sachbearbeitenden Kriminalbeamtin kommt der Prozess auch ohne Zeugen aus. Im Rahmen etlicher Rechtsgespräche zwischen den Beteiligten wurde offenbar ein (Teil-)Geständnis des Angeklagten in Aussicht gestellt, das der passionierte Flohmarktverkäufer bereits abgegeben haben dürfte.

„Vorbehalt der Sicherungsverwahrung“

Ein Geständnis ist Voraussetzung für einen strafprozessualen Deal, der nicht nur den Opfern eine belastende Aussage erspart, sondern auch dafür sorgen könnte, dass mögliche Versäumnisse und Fehlverhalten von Ämtern, Behörden und Privatpersonen nicht aufgeklärt werden – zumindest nicht im Rahmen des Strafprozesses. Auch der Abschluss der Beweisaufnahme, die Plädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft und das letzte Wort des Angeklagten am Montag finden ohne Zuschauer statt. Hinter verschlossenen Türen wurde aber bereits ein „Deal“ ausgehandelt, dessen Inhalt sich ein Stück weit aus Wortbeiträgen während der öffentlichen Teile des Prozesses hervorgeht.

So kommt es im Zuge eines von der Nebenklage angestrengten Adhäsionsverfahrens zu einem Vergleich zwischen K. und einem Opfer. Der Angeklagte verpflichtet sich dabei bis zum 15. Januar 2021 1.500 Euro und binnen eines Jahres weitere 3.500 Euro an das Mädchen zu zahlen. Sollte er dem nicht nachkommen, werden insgesamt 6.000 Euro plus Zinsen fällig. Bei der zu erwartenden Verurteilung steht eine Haftstrafe von etwa fünf Jahren oder Maßregelvollzug (in einer psychiatrischen Klinik) sowie der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung (nach § 66a Strafgesetzbuch) im Raum.

Damit müsste zum Ende der Haft von Gerhard K. erneut eine Hauptverhandlung durchgeführt werden, um zu entscheiden, ob dauerhafte Sicherungsverwahrung angeordnet wird. Diese wäre „zwingend anzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs von ihm erhebliche Straftaten erwarten lässt, welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer schädigen“.

Weitere Vorwürfe stehen im Raum

Unklarheiten bleiben mit Blick auf weitere Vorwürfe gegen Gerhard K., die am Randes des Prozesses zur Sprache kommen. So soll er laut einem Bericht der Mittelbayerischen Zeitung bei seiner Festnahme im April 2020 die Ermittler auf einen Koffer in seinem Transporter hingewiesen haben. Dort soll der Angeklagte eines der beiden Mädchen hineingezwängt haben, um sie unbemerkt in seine Wohnung bringen zu können und sich dort wohl erneut an ihr zu vergehen. Gegenstand des aktuell laufenden Prozesses ist dieser Vorwurf nach Auskunft des Landgerichts Regensburg nicht.

In einer Verhandlungspause am Montag stellt ein Zuschauer gegenüber Staatsanwalt Hans-Christopher Theißen zudem in den Raum, dass noch zwei weitere Mädchen Opfer von Gerhard K. geworden sein könnten – von einem versuchten und einem vollendeten Fall von sexuellem Missbrauch ist die Rede. Ob die Strafverfolgungsbehörde diesen neuerlichen Vorwürfen nun nachgehen wird, ist noch offen.

Am 14. Januar plant die Jugendschutzkammer das Urteil zu fällen. Die Begründung des Urteilsspruches soll erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

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Kommentare (31)

  • XYZ

    |

    Es graust mir: bereits 1998 verurteilt, nur Bewährungsstrafe ohne Therapie oder sonstige ersichtliche Auflagen. Das ging dann munter weiter – Kinderwohl unbekannt? Bei solchen Straftätern muss die Justiz früher einschreiten – und schon wieder ein ‘deal’. . .

  • XYZ

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    Solche ‘deals’ scheinen ja in der Regensburger Strafjustiz geradezu üblich, dann kann man die Akten zuklappen und ohne Stechuhr zum Tennisspielen oder golfen gehen . . .

  • Angi

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    Es ist ganz schlimm, dass die rgbg justiz solche Individuen so spät einen verantwortung hernimmt. Solche kindervergewaltunger sollten einen Chip ins Hirn bekommen, dass sie keine Kinder mehr anfassen, Geschweige denn therapien helfen Die zarten Kinderseelen haben einen knachs fürs Leben, Nach 15 Jahren kommt ein solcher angeblich wiederals geheilt in Freiheit und es wird flott weitergemacht. Diese Verbrecher gehören ein leben lang unter verschluss Leider gibt es immer wieder richter ,die diese zu mild beurteilen.

  • Helga Wiessner

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    Dieser Kerl hat solange ich weiß Kinder missbraucht.
    Nur ,weil er ausgekocht, ein Erpresser, und Schläger ist,und seine Opfer einschüchtern, kam er jahrelang ungeschoren davon. Dieser Täter hielt sich nicht davon zurück, seine ersten Opfer auf Fotos festzuhalten.

  • Helga Wiessner

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    Er hat von seinen Opfern Videos und Fotos gemacht!
    Ein ausgekochtes, unmenschliches Monster der niemals aufhören wird seinen perversen Neigungen nachzukommen.

  • R.G.

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    In welchem Staat findet diese Art von Urteilsfindung statt?
    Deutschland sollte es nicht sein, denn das wäre zu verstörend, wenn gewisse Menschen durch Deals ihr Urteil bekämen.

    Frau Maria Baumer könnte noch leben, und eine Patientin des Bezirksklinikums wäre Qualen entkommen, wenn der Täter von beiden Fällen vorher bereits für seine Übergriffe an Minderjährigen in einem ÖFFENTLICHEN Prozess verurteilt worden wäre!

  • Maria Klein

    |

    @ Helga Wiessener:
    Das ist typisch für solche Täter.
    Wichtig wäre aber, dass die anderen Eltern oder Jemand der die Opfer kennt sich auch für die Kinder raus traut. Damit können unter Umständen auch noch andere Täter ans Licht kommen. Dann wäre künftigen Kindern geholfen.

  • XYZ

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    R.G.
    Dazu kann ich nur noch sagen: so ist es! Es gibt zwar einen Öffentlichkeitsschutz, aber keinen übergreifenden Täterschutz. 257 c StPO besagt nur, dass sich das Gericht in geeigneten Fällen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen kann – das wäre aber meines Erachtens auch öffentlich darzulegen. Ob dieser Fall dazu ‘geeignet’ ist wäre sowieso zu bezweifeln.

  • rtw

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    Gut, das in der Berichterstattung der Name des Staatsanwaltes genannt wird.
    Die Regularien der Prozessführung (“nicht öffentlich”) werden jedoch vom Richter festgesetzt.
    Warum wird der Name des Richters in der Berichterstattung nicht genannt?

  • Mathilde Vietze

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    Dieser Saubär gehört hart bestraft und nach Absitzen der Strafe in Sicherungs-
    verwahrung gesteckt. In Freiheit wird er sich das nächste Opfer suchen.

  • gretchen

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    Warum? Dieser Mann ist stadtbekannt und bei vielen anerkannt, weil er Flohmärkte in und um Regensburg betrieb und auch selbst einen Imbissstand hat. Warum? Warum wird dieser nicht lebenslänglich weg verbracht? Wenn ich was zu sagen hätte, müsste der bei Wasser und Brot in eine Zelle ohne Tageslicht.

  • Alexander

    |

    Wie konnte er für das elfmalige Vergehen an seinen Kindern nur eine zweijährige Bewährungsstrafe bekommen? Wie ist das möglich? Da kriegen ja Hippies für zwei Esslöffel Marihuana fast die gleich Strafe!

  • XYZ

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    Erwiderung zu Günther Herzig 06.59
    Ich schlage doch gar nicht auf die Justiz zu – in dem Fall die Strafjustiz – sondern gebe nur einige Bedenken dazu kund, dass ein ‘kurzer’ Prozess hier etwas fraglich erscheint.

  • Skyrider

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    Eines vorweg. Wir sollten aufhören unser Rechtssystem, aufgrund der Vergehen des Angeklagten und des angeblichen bereits ausgehandelten “Deals”, generell infrage zu stellen.
    Subjektiv gesehen ist dieser “Deal” und das mögliche teilweise “Freikaufen” in meinen Augen schwer nachvollziehbar. Auch der Punkt, dass mögliche Versäumnisse, eventuelles Fehlverhalten von Ämtern, Behörden und Privatpersonen nicht aufgeklärt werden soll, ist für mich als Laie schwer verständlich. Ob ein solches Vorgehen die Regel darstellt, können die Experten hier sachlicher bewerten als ich.
    Ich hoffe auf ein angemessenes Urteil, dass es dem Angeklagten unmöglich macht, erneut solche Taten zu begehen.

  • Maria Klein

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    Er weit bekannt. Angeblich war er stets mit Kindern zu sehen.
    Die anderen Eltern in seinem Umfeld hatten hoffentlich Glück.

  • bertl

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    Wird ein Urteil nicht “im Namen des Volkes” gesprochen? Dann sollte das Urteil auch transparent für “das Volk” sein.
    Dass im Falle von Missbrauch von Kindern “Deals” in Gerichtsverfahren möglich sind, entsetzt mich. Für mich sind a l l e Beteiligten eines solchen Deals Mittäter, die damit die Opfer mit der Möglichkeit dieses Deals weiter zutiefst demütigen.

  • XYZ

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    SKYRIDER
    Ecco! Stimme völlig zu! Nur bedarf es da einer genaueren Gesetzgebung: in 257 c STPO wird windelweich zu einem ‘deal’ nur von “geeigneten Fällen” fabuliert, was dann der generösen Einzelfallbehandlung unterliegt, und von der Rechtsprechung etwa bei Kindesmissbrauch mehr schlecht als recht zu präzisieren versucht wurde – das ist fragwürdig, wie ebenso die aus Nazizeiten stammenden Formulierungen bei Mord aus “niedrigen Beweggründen” etc. Und dazu hat rd zu Recht betont, dass ein nahezu genereller Ausschluss der Öffentlichkeit nicht dazu geeignet ist, der Begegnung solcher Straftaten im Bewusstsein der Bevölkerung zu dienen, und damit der Vorbeugung statt eines Urteils in einer camera obscura.

  • XYZ

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    Muss doch nochmals auf das frz. Recht zurückgreifen:
    Artikel 400 der Strafprozessordnung: Das Tribunal kann, wenn die Würde einer Person in Frage steht, durch Urteil eine geschlossene Verhandlung anordnen – kaum der Fall.
    Artikel 459: Ein Einspruch kann eingelegt werden, wenn die öffentliche Ordnung tangiert – davon wäre bei wiederholtem Kindesmissbrauch auszugehen.
    Nun ja, da ist uns der frz. Gesetzgeber wohl voraus.

  • R.G.

    |

    @Skyrider
    meint: “Eines vorweg. Wir sollten aufhören unser Rechtssystem, aufgrund der Vergehen des Angeklagten und des angeblichen bereits ausgehandelten “Deals”, generell infrage zu stellen.”
    Im Gegenteil. In jedem Prozess steht ein Stück weit der Rechtsstaat mit auf dem Prüfstand, und das ist gut so.

    “Subjektiv gesehen ist dieser “Deal” und das mögliche teilweise “Freikaufen” in meinen Augen schwer nachvollziehbar”
    Richter machen das in den allermeisten Fällen nicht aus Jux und Tollerei. Für mich ist wahrscheinlich, dass wie in einigen anderen Regionen aus Kreisen von Jugendämtern, Beratungsstellen für Missbrauchte, oder Tätigen aus dem psychiatrischen oder Beratungsbereich die Mär gestreut worden wäre, man müsse Opfer vor den Strapazen eines Prozesses schützen, ausschließlich Deals garantierten das.

    Im ungünstigsten aber erfahrungsgemäß durchaus nicht seltensten Fall, flüstert ein Jugendamt und oder die Psychiatrie zu, es müsse alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen, vorgeblich weil man damit die Missbrauchten schütze, unterschwellig aber, um die eigenen Versäumnisse rechtfertigen zu können.

    Hinzu kommt in einigen Regionen Deutschlands ein äußerst hinterfragenswertes Verhältnis zur Presse; während man sie so gut wie generell auszuschließen versucht, lecken die Informationen, aus unbekannten Quellen, regelmäßig ein, zwei Blättern gegenüber.

    Richter haben im Normalfall die Fähigkeit, durch die Art der Prozessführung die gesamten Umstände entdeckbarer zu machen, nicht selten kommen dabei weitere Vergehen der Angeklagten ans Licht. Die Chance wird durch Deals genommen.
    Es ist an der Zeit für einen Paradigmenwechsel.

    Die Jugendämter mit ihrer Machtfülle sind ein fragwürdiges Geschenk des Schicklgruber, sie brauchen endlich klare Kontrolle, und nicht etwa, dass sie mit ihren Interpretationen, was Kindern zuträglich sei, unwidersprochen unter anderem den Verlauf von Prozessen beeinflussen können.

  • postScriptum

    |

    Wenn ich einige der Kommentare lese, läuft es mir ehrlich gesagt kalt den Rücken herunter. Keiner meiner Vorredner(innen) scheint auch nur ansatzweise auf die Idee zu kommen, bevor nun wenigstens ein Urteil gefällt (geschweige denn rechtskräftig geworden) ist, dass der Angeklagte auch ganz oder teilweise unschuldig sein könnte oder Tathandlugen vielleicht aufgrund einer (schrecklichen, aber eben unverschuldeten) psychischen Krankheit begangen haben könnte. Seid ihr alle noch bei Eurem rechtsstaatlichen Verstand?!
    Da wird lieber über einen rechtswidrigen „Deal“ fabuliert, den die Strafprozessordnung im Gegensatz zu einer “Verständigung” nicht kennt und das Bundesverfassungsgericht verboten hat. Und für den es auch keine Beweise gibt. Aber freilich, diesen Richtern ist ja alles zuzutrauen, damit sie schnell wieder auf den Tennisplatz können. Abgeschmacktere und feigere Klitsches zu verbreiten, ist kaum möglich.
    Ja, her mit dem Namen der Richter, damit man wenigstens deren Haus anzünden kann, wenn schon der schuldige Angeklagte nicht aufgehängt werden kann? Vielleicht stecken sich diese Richter wenigstens mit SARS-CoV-2 an, wenn sie schon – völlig freiwillig – in Pandemiezeiten solche Haftsachen verhandeln.
    Dass solche Rechtsgespräche vielleicht der einzige Weg sein können, hier eine Schuld nachzuweisen, ohne dass die mutmaßlich betroffenen Kinder stunden- oder tagelang vernommen werden müssen (am besten noch öffentlich, damit man sich daran aufgeilen kann, wenn sie schildern müssen, wo und wie und was vorgefallen ist oder auch nicht), das interessiert die Fackel-schwingenden Kommentatoren natürlich nicht. Dass das Gericht hier die Öffentlichkeit vielleicht auch nicht aus eigener Machtfülle ausschließt, sondern weil es das Gerichtsverfassungsgesetz halt schlicht für solche Konstellationen so vorsieht? Egal!
    Gott bewahre, dass Ihr auch einmal in die Situation kommt, Opfer einer schweren Straftat zu werden und dann erleben müsst, wie schrecklich es ist, wenn jedes Detail öffentlich diskutiert wird und Ihr damit rechnen müsst, in den Internetkommentaren bewertet, verspottet und verrissen zu werden und durch die Allgemeinbekanntheit jeder Einzelheit und Eures Gesichts Euer weiteres Leben lang ständig mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Oder wie grausam es ist, als Opferzeuge Euer Innerstes vor 50 Zuschauern und 10 Beteiligten herauskehren zu müssen.
    Vielleicht sind die Rechtsgespräche hier auch der einzige Weg, einen Freispruch abzuwenden, der von den Kommentatoren ja noch viel weniger goutiert werden würde, die bereits jetzt schon alles – und vor allem alles besser – wissen.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu “PostScriptum” -Auch ein psychisch Kranker darf seine Krankheit nicht dazu miß-
    brauchen, seiner Umwelt Schaden zuzufügen. Und – woher wissen Sie denn so ganz
    genau, ob dieser Typ krank war. Es ist leider das “Argument” der Gutmenschen,
    derlei Typen in Schutz zu nehmen.

  • alfons

    |

    R.G. bedeutet wohl richtig gscheit. Ich hab mir schon gedacht, was bedeutet wohl Geschenk des Schickelgrubers? Meine Recherche ergab, das dies der Familienname der Mutter von Adolf HItler war. Ich nehme an, R.G. deutet damit an, dass die Jugendämter aus jener Zeit diese angenommene Machtfülle erhielten. Jeder Eingriff ins Elternrecht, auch bei einer Inobhutnahme von Kindern muss durch dass Amtsgericht bestätigt werden, da es ansonsten keinen Bestand hätte. Die mit dem §8a SGB VIII verbundenen schnelleren Eingriffsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber aufgrund des Kindstodes von Dennis in Bremen eingeführt und hat nichts mit der Aufgabe der Jugendämter während der NS Zeit zu tun. Im übrigen veränderte sich die Aufgabe der Jugendämter genauso wie die Gesellschaften sich im Wandel der Zeit ändern. Ergänzend sei zu erwähnen, dass ein Jugendamt die Aufgabe hat Kinder zu schützen, zu ermitteln oder zu richten ist Aufgabe von Polizei und Justiz. Und grundsätzlich stellt sich mir die Frage, welche Rolle nach Meinung des R.G. das Jugendamt generell bei diesem Strafprozess haben sollte.

  • Martin Oswald

    |

    @postScriptum

    Ich kann vielem zustimmen, möchte aber einen (wie ich finde, sehr wichtigen) Punkt zu bedenken geben: Dass Strafprozesse grundsätzlich öffentlich sind, dient ja nicht unbedingt (und hoffentlich) dazu möglichst viel über Angeklagte und Opfer zu erfahren und voyeuristische Interessen zu befriedigen. Auch die Beteiligten einschließlich des anklagenden Staates und des erkennenden Gerichts sowie der Strafprozess selbst sollen und müssen der öffentlichen Beobachtung unterliegen. Ein Einblick der Öffentlichkeit in Vorwürfe, Tatsachen und ihre Feststellung, Zeugenaussagen und ihre Glaubwürdigkeit, Verhandlungsführung, Beweiswürdigung, die Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung oder Anwendung von Gesetzen ist aber nicht nur theoretisch von Bedeutung. Es kommen regelmäßig auch Ermittlungsmethoden und Strafverfolgungsmaßnahmen zur Sprache, die sich sonst der öffentlichen Einsichtnahme entziehen. Die Hauptverhandlung betrifft nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern ist regelmäßig auch der Ort für die Öffentlichkeit, staatliches Handeln und unabhängige Rechtsprechung zu kontrollieren. Das ist nicht trivial.

    Dass dies in der Praxis vielfach ganz anders läuft und es in der Öffentlichkeit (leider) oft genug nur darum geht, für wie wenig Jahre ein Angeklagter, der vermeintlich oder tatsächlich „spektakuläre“ Taten begangen hat, verknackt wird, ist mir klar. Weil eigentlich gehört die Bestie ja sowieso aufgehängt etc.

    Dass eine Abwägung zwischen schutzwürdigen Interessen und dem Interesse der Öffentlichkeit stattfinden muss, ist ebenso klar. Wenn wie vorliegend eine Kammer einen generellen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht für angezeigt hält, das faktisch aber mit der immer gleichen Begründung bei jedem Programmpunkt dennoch exerziert, halte ich das für kritikwürdig. Hier gibt es sicherlich vieles, das mit guter Begründung nichtöffentlich verhandelt werden kann. Nach meinem Dafürhalten aber sicherlich nicht alles. Die Anklage z. B. liegt Medien vor, insofern ist es schon von Belang, ob sie sich in der Beweisaufnahme nachvollziehbar bestätigt.

    Für problematisch halte ich auch, dass ein Deal (eine Verständigung kann man durchaus so bezeichnen) im konkreten Fall dazu führen könnte, dass Fehlverhalten anderer, darunter auch staatlicher Stellen – worauf uns konkrete Hinweise vorliegen ¬– unter dem Teppich gehalten werden (ein lesens- bzw. hörenswerter Überblick zum „Deal“ und der Kritik daran: https://www.deutschlandfunk.de/der-deal-im-strafprozess-gestaendnis-gegen-straferlass.724.de.html?dram:article_id=488077).

    Abschließend: Mich überzeugt es nicht, dass dieses Verfahren so gut wie ausschließlich hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

  • Mr. T.

    |

    Guter Kommentar, postScriptum. Auch ich habe manchmal den Eindruck, dass es vielen hier eher darum geht, dass sie duch die Nichtöffentlichkeit darum gebracht werden, sich an ihrer Sensationsgier aufgeilen zu können. Genauso gern würden sie wohl gern ein öffentliches Haberfeldtreiben gegen den mutmaßlichen Täter haben. Man liest es ja förmlich, wie sich einige schon auf die Tastatur beißen müssen, um nicht seinen Namen zu nennen.
    In den Berichten über den Fall Baumer hier in den letzten Monaten hat man von denselben kommentatoren ja schön verfolgen können, wie sie lustvoll wild um Opfer, Opferangehörige, Täter, Motive und Tatablauf rumspekuliert haben. Mir ist das Kotzen gekommen.
    Vielleicht erspart die Nichtöffentlichkeit den Opfern dieses mal etwas ähnliches – zumindest teilweise.

  • R.G.

    |

    @postScriptum
    SIE und nur Sie schrieben solch eklige Worte und legen sie gleich noch anderen in den Mund:
    ” damit man wenigstens deren Haus anzünden kann, wenn schon der schuldige Angeklagte nicht aufgehängt werden kann? Vielleicht stecken sich diese Richter wenigstens mit SARS-CoV-2 an, wenn sie schon – völlig freiwillig – in Pandemiezeiten solche Haftsachen verhandeln.” (Zitat User postScriptum)
    Die Art von Sprache, Usern Texte zu unterstellen, die sie nicht benutzt haben,kommt hier sehr schlecht an.

    Eine gewisse Aufgeregtheit darf den bisherigen Opfern des Angeklagten und ihren engsten Vertrauten in ihren Beiträgen unter dem Artikel zugestanden werden, aber auch sie haben keine Rachephantasien geäußert, sondern sie setzen sich dafür ein, dass ein mutmaßlicher Wiederholungstäter auf Dauer am Missbrauch von Kindern gehindert werden möge.

  • XYZ

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    Zu Martin Oswald, 14.15
    Es geht für mich mal wieder eher um Psychonalyse als pure Juristerei: Erschreckendes wird entweder verdrängt – weitgehend nichtöffentliche Verhandlung – oder an den Pranger gestellt – hartes Urteil erwartet, Presse berichtet. Beides trägt nicht gerade zur Bewusstseinsbildung bei – die meist fremd – damit solches nicht wieder passiere. Das ist wesentlich für das Prinzip der Öffentlichkeit und die auch gesellschaftliche Funktion der Gerichte. Deswegen wäre der Ausschluss der Öffentlichkeit jeweils konkret zum jeweiligen Verhandlungsthema und fallbezogen zu begründen, da liegen Sie m.E. mehr als korrekt. Und zur ‘Verständigung’: die kann m.E. allenfalls erst nach den Gerichtsterminen stattfinden, aber nicht schon im Vorgriff, darüber schweigt die StPO, sollte aber klar sein?

  • M. S

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    Ganz im Gegenteil… Die damalige Strafmilderung führte sogar dazu,dass er geheiratet hat und wieder ein Kind in die Welt setzen konnte. Zudem durfte er sogar trotz des damaligen Urteils für ein schulbusunternehmen arbeiten! Mir war damals schleierhaft wie ein verurteilter Straftäter trotzdem in die Nähe der Kinder durfte. Und auch nachdem seine Frau von dem Missbrauch wusste, hat sie ihm ihr Kind anvertraut und überlassen… die Opfer haben sie verhöhnt und als Lügner hingestellt

  • gretchen

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    Jeder, der selbst Kinder (in diesem Fall Mädchen) hat oder hatte, muss verstehen, dass es für solche Menschen keine Entschuldigung gibt und so ein Mensch für immer von anderen Menschen weggesperrt werden muss. Egal, ob er labil, depressiv oder Drogeneinfluss gehandelt hat,. Egal, wie selbst seine Kindheit war (ob er selbst auch mißbraucht wurde) – egal, ob er freiwillig oder zwangsweise schon eine Therapie gemacht hat – so ein Mensch muß für immer – zum Schutz aller – weggesperrt werden. Und hierbei geht es nicht um Vorverurteilung, Selbstjustziz ………

  • R.G.

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    @Günther Herzig
    Ist Ihnen bewusst, dass Sie in Ihrem vorigen Beitrag jemanden aus dem engen Umkreis der Opfer verhöhnt haben?

  • bertl

    |

    Einen Sexualstraftäter kann man nicht nur unter dem Aspekt des Rechtes für den Täter sehen. Er richtet unsägliches Unheil bei den Opfern und deren Familien an, er zerstört Leben.
    Was würde man mit einem Menschen machen, der eine für z.B. Kinder Tod bringende Krankheit hat? Ließe man ihn in die Nähe von Kindern? Ich denke nein!
    Sexueller Mißbrauch zerstört das Leben und die Zukunft von Kindern, zum Teil bis in die nächsten Generationen hinein.
    Darüber sollten sich Juristen klar sein.

  • XYZ

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    Zu G.H. 16.36
    Bin allmählich etwas konsterniert: Eltern können nicht überall ‘aufpassen’, das ist nicht ihre Schuld, auch wenn sie es sicher versuchen, da muss schon die Gesellschaft ein bisschen mehr mitdenken und reagieren: gerade dazu sind – auch – öfftl.e Verhandlungen da.

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drin