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Kommentar

Corona: Verwaltungsgerichtshof degradiert sich zum Sprachrohr der Staatsregierung

Als „Hammer-Urteil“ bezeichnen mehrere Medien mittlerweile eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, über die regensburg-digital am 28. April berichtet hat. „Tagelang unbemerkt“ geblieben sei dieses Urteil. Das könnte an der fragwürdigen Kommunikation des Gerichts liegen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof scheint bei seiner Kommunikation auf Eingebungen von oben zu hören. Foto: Wikimedia Commons / Montage: Redaktion

Man muss die Pressearbeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht wirklich verstehen. Als die Richter Ende März dort zu dem Ergebnis kamen, dass das Abstandsgebot zur Eindämmung der Corona-Pandemie „lediglich (…) einer Empfehlung entspricht“, war diese bemerkenswerte und folgenreiche Festlegung der obersten bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der flankierenden Pressemitteilung nicht eine Zeile wert.

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Entscheidung I: Verzerrende Pressemitteilung

Obwohl ein Verstoß gegen das Abstandsgebot zu diesem Zeitpunkt noch mit einem Bußgeld von 150 Euro bestraft werden konnte, meinte die Presseabteilung des VGH, lediglich mitteilen zu müssen, dass man eine Klage abgewiesen habe. Grob verzerrend heißt es zudem noch, dass die „verbindlichen Einschränkungen der Grundfreiheiten (…) gerechtfertigt“ seien, was mit Blick auf die Verbindlichkeit des (durchaus sinnvollen) Abstandsgebots glatt falsch ist.

regensburg-digital war das erste und wohl einzige Medium, das damals über diesen Umstand berichtete. Die Staatsregierung reagierte und ließ einen Verstoß gegen das Abstandsgebot drei Tage nach der Entscheidung als Ordnungswidrigkeit aus dem Bußgeldkatalog streichen – ohne das irgendwie weiter zu kommentieren. Erst auf spätere Nachfrage unserer Redaktion hieß es, dass ein Verstoß gegen das Abstandsgebot als solches (in der neugefassten Version von Infektionsschutzverordnung und Bußgeldkatalog) keine Ordnungswidrigkeit darstelle. Dass das zuvor anders war, ließ man unter den Tisch fallen.

Entscheidung II: Keine Pressemitteilung, keine Veröffentlichung

Bei einer aktuellen Entscheidung zu den Ausgangsbeschränkungen geht der Verwaltungsgerichtshof nun noch einen Schritt weiter. Man verzichtet nicht nur komplett auf eine Pressemitteilung, sondern hat auch die Entscheidung bis heute nicht veröffentlicht. Dabei ist der Schluss, zu dem die Richter kommen, dramatisch.

In einer weiteren Neufassung der Bayerischen Infektionsschutzverordnung habe das Gesundheitsministerium die beispielhaften „triftigen Gründe“, deretwegen man die Wohnung verlassen dürfe, derart weit gefasst, dass – so heißt es in der Entscheidung – „im Grundsatz jeder sachliche und einer konkreten, nicht von vorneherein unzulässigen Bedürfnisbefriedigung dienende Anlass als ‚triftiger Grund‘ (…) geeignet ist, das Verlassen der eigenen Wohnung zu rechtfertigen“. Anders ausgedrückt: Es gibt praktisch keine Ausgangsbeschränkungen mehr.

Mittlerweile sind weitere Medien auf den Bericht von regensburg-digital vom 29. April aufmerksam geworden. Zunächst berichtete Focus Online, anschließend Münchner Merkur und Frankfurter Rundschau von dem „Hammer-Urteil“, das „tagelang unbemerkt“ geblieben sei.

Grüne: “Nachvollziehbare Gebote statt pauschaler Verbote”

Reagiert haben auch die Grünen im Bayerischen Landtag. Deren rechtspolitischer Sprecher Toni Schuberl fordert, die pauschalen Verbote durch nachvollziehbare Gebote zu ersetzen. Anfangs seien solche pauschalen Verbote zwar sinnvoll gewesen, so Schuberl. „Es war richtig, dass Bayern die exponentielle Verbreitung des Virus mit einem scharfen Lockdown unterbrochen hat.“ Doch nun beginne eine lange Phase, bis eine Therapie oder ein Impfstoff entwickelt sei. Und für einen so lang andauernden Zeitraum würden diese Verbote juristisch nicht taugen. Die Söder-Regierung müsse nun hin „zu angemessenen Geboten“.

Ähnlich argumentiert auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Nach dem 10. Mai – so lange sollen die (de-facto hinfälligen) Ausgangsbeschränkungen noch gelten – müsse die Staatsregierung diese auf den Prüfstand stellen und unter Umständen aufheben. 

Polizeigewerkschaft: “Der Ehrliche ist der Dumme.”

Die „triftigen Gründe“, die für ein Verlassen der Wohnung erforderlich sind, nähmen beständig zu, so die GdP. „Dies erschwert es den Polizistinnen und Polizisten auch diejenigen zu beanstanden, die bewusst und gewollt gegen die Regeln verstoßen“, heißt es in einer Erklärung vom 30. April. Ein Auszug:

„Erwischt wird der Ehrliche und Unbedarfte, der frei heraus zugibt, dass er die Wohnung verlassen hat, um z. B. ein Sonnenbad zu nehmen. Wer vorgibt sich zuvor an der frischen Luft bewegt, oder Sport gemacht zu haben, hat Glück. Wer zum Einkaufen geht, auch in eine Parfümerie, hat Glück, wer seine nicht betagten Eltern besuchen möchte, hat Pech, selbst wenn er dies im Garten und unter Einhaltung sämtlicher Abstands- und Hygieneregeln macht.“

Die GdP nennt Beispiele, bei denen formell zwar kein Verstoß gegen die Beschränkungen, aber dennoch ein „hygienemäßiges Desaster“ zu verzeichnen sei: „Wenn man z. B. zum Nymphenburger Kanal in München geht, stellt man fest, dass sich Jogger – wie an der Perlenschnur gereiht – um diesen herumbewegen“. Andererseits aber werde dringend davon abgeraten aufs Land zu fahren, wo sich die Abstände viel leichter einhalten ließen.

Nicht im Sinne einer bürgernahen Polizei

„Wer die Wohnung verlässt, um sein Auto zu waschen, verhält sich ordnungswidrig. Wer sein Auto auf dem Weg in die Arbeit wäscht, macht alles richtig“, so die GdP weiter. „Man darf nun bald in der Kirche mit 50 unbekannten Menschen einen Gottesdienst besuchen, darf aber keine sich bekannte Yogagruppe im Park anleiten, selbst wenn zwischen den Übenden zwei Meter Abstand bestehen. Welche Infektionsketten lassen sich besser nachverfolgen?“

Innenminister Joachim Hermann fordere von der Polizei, mit Fingerspitzengefühl zu ahnden. „Sind die Regeln aber einmal verschriftlicht, gibt es keine Graubereiche mehr. Verstoß ist Verstoß und es gilt schließlich das Legalitätsprinzip“, so das Fazit der GdP, die mit einem Appell an die Staatsregierung schließt: „Sorgen Sie bitte dafür, dass der Ehrliche nicht der Dumme ist – auch und gerade im Sinne einer bürgernahen Polizei.“

Man setzt auf Angst statt Vernunft

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sorgt bei alledem für keinerlei Klarheit. Im Gegenteil. Zum einen werden entscheidende juristische Festlegungen in Pressemitteilungen verzerrt dargestellt oder gleich komplett verschwiegen. Zum anderen wurde insbesondere die letzte Klage gegen die Ausgangsbeschränkungen, die laut Bayerischer Staatsregierung nach wie vor gelten, abgewiesen mit dem Argument, dass es diese doch quasi gar nicht gebe. Auf die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diesen bizarren Beschluss des VGH darf man gespannt sein.

Offenbar hält man die Menschen für zu dumm, um diesen nachvollziehbare Regeln vorzulegen. Für zu dumm, um diesen zu erklären, warum Abstände, Masken und der Verzicht auf größere Veranstaltungen und Verzicht auf Treffen in geschlossenen Räumen sinnvoll sind, um die Pandemie weiter einzudämmen.

Stattdessen setzt man auf Verbote, die am Ende juristisch nicht haltbar sind – vermutlich in der Hoffnung, dass sich das Gros der Menschen an die Beschränkungen hält. Nicht aus Vernunft, sondern aus Angst vor Sanktionen. Und dann auch an Verbote, die von vorneherein keinen Sinn machen.

Vertrauen setzt Transparenz voraus

Das oberste Bayerische Verwaltungsgericht lässt sich dafür – zumindest, was die beiden hier zitierten Entscheidungen anbelangt – zum Sprachrohr der juristisch vor sich hin dilettierenden Staatsregierung  degradieren. Das ist schlimmer als Dummheit. Das erodiert das Vertrauen in Politik und Justiz. Doch genau darauf – auf Vertrauen – kommt es an, um über einen längeren Zeitraum mit der Corona-Pandemie umgehen zu können und die Menschen dazu zu bewegen, sich an sinnvolle und nachvollziehbare Gebote zu halten. Und dafür braucht es eine transparente und ehrliche Kommunikation. Die pflegt der VGH bislang nicht.

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Kommentare (24)

  • Werner Schwede

    |

    Zu allererst hat der VGH diese Urteil gefällt und sich damit NICHT zum Sprachrohr der Bayerischen Staatsregierung gemacht. Zum Weiteren wollte der VGH vermutlich die Maßnahmen der Staatsregierung nicht hintertreiben, sondern ihr eine gewisse Zeit zur Nachbesserung geben. Das wäre nachvollziehbar.

    Die auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ergangenen Verordnungen waren in fast allen Bundesländern in der einen oder anderen Hinsicht fehlerhaft oder bedenklich. Es ist jedoch schon sehr schwierig, adäquat einen Lockdown wie diesen rechtlich einzuhegen, wenn sich in 70 Jahren grundrechtsdogmatischer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein feingesponnenes Netz von Grundrechtskollisionen, Übermaß-, Untermaß- und Willkürverboten entwickelt hat, aus dem es kaum noch einen ehrenvollen Ausweg gibt. Das wird schon seit Jahren kritisiert. So ist es für diesen Rechtsstaat bereit ein juristisches Schwerstproblem, falsch geparkte Kraftfahrzeuge abzuschleppen oder einen Würstlstand nicht auf dem städtischen Weihnachtsmarkt zuzulassen.

    Übersehen wird dabei freilich, dass die gesamte Pandemiebekämpfung eben nicht der juristische Normalfall ist. Es wäre sinnvoller gewesen, die Maßnahmen in Gänze auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen, da sie auch nur in Gänze ihre infektiologische Wirksamkeit entfalten können. Und dies die eine oder andere Ungleichbehandlung rechtfertigt, weil unter diesem Gesichtspunkt manche Dinge nicht mehr gleich oder umgekehrt eben gleich behandelt werden können oder müssen.

    Mit dem “triftigen Grund” hat der Verordnungsgeber nur die notwendigsten Verrichtungen außer Haus erlauben wollen, es aber letztlich dem Bürger (und seiner Verantwortung) anheim gegeben, was er als Grund vorbringt. Diese psychologische Wirkung mag einem nicht gefallen. Angesichts der Gefahr, dass freiwillige Appelle nicht ausreichen, sehe ich darin durchaus ein probates Mittel.

  • highwayfloh

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    @Werner Schwede:

    Der beste Kommentar, den ich bislang zur Thematik gelesen habe, sachlich und dennoch zutreffend. Danke dafür!

  • Hobbyrichter

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    @Werner Schwede
    “Mit dem „triftigen Grund“ hat der Verordnungsgeber nur die notwendigsten Verrichtungen außer Haus erlauben wollen, es aber letztlich dem Bürger (und seiner Verantwortung) anheim gegeben, was er als Grund vorbringt. Diese psychologische Wirkung mag einem nicht gefallen. Angesichts der Gefahr, dass freiwillige Appelle nicht ausreichen, sehe ich darin durchaus ein probates Mittel.”

    Das verstehe ich nicht. Das Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund kostet 150 EUR Bußgeld. Inwiefern ist es nun dem Bürger anheim gestellt, zu entscheiden was er vorbringt???

  • Martin Hert

    |

    Auch ich möchte Herrn Schwede voll und ganz zustimmen. Schade, dass RD in letzter Zeit immer wieder zum “Skandal-Blatt” wird. Dass die Staatsregierung in gewisser Weise dilettiert, ist meines Erachtens nachvollziehbar. Im Großen und Ganzen bin ich und offensichtlich die Mehrheit der Bevölkerung mit den Maßnahmen der Bundesregierung und der Länderregierungen einverstanden. Viele wissen, dass auf die Einsicht eines Teils der Bevölkerung nicht 100% Verlass ist. Das ist nicht in erster Linie Dummheit, sondern Bequemlichkeit, mangelnde Rücksicht, Widerspruchsgeist usw. Würde jetzt jede einzelne Einschränkungsmaßnahme allumfänglich auf Verfassungsmäßigkeit geprüft werden, entspräche das zwar deutscher Gründlichkeit, hätte aber im schlimmsten Fall unzählige Tote zur Folge. Etwas Pragmatismus halte ich für unproblematisch. Ich bin überzeugt, dass unsere Demokratie diesen Zustand ohne weiteres verkraften kann.

  • Julian86

    |

    Wovon “lebt die Justiz”?

    Die Antwort findet sich in den

    Richtlinien für die Zusammenarbeit der bayerischen Justiz mit der Presse (Presserichtlinien – PresseRL) – 26. Mai 2014

    Zitate:

    Die Justiz als dritte Staatsgewalt im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat lebt vom Verständnis der Öffentlichkeit und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtspflege. Vor diesem Hintergrund ist eine zielorientierte und sachgerechte Zusammenarbeit der Justizbehörden mit Print- und Onlinepresse, Hörfunk, Film und Fernsehen (im Folgenden als „Presse“ bezeichnet) ein zentrales Element. Über die Medien wirkt die Rechtsprechung in die Rechtsgemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger hinein.

    (…)

    Deshalb gehört es auch zu den wesentlichen Aufgaben der Justizbehörden, Kontakt zu den Medien durch aktive Öffentlichkeitsarbeit zu pflegen und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen dem Informationsanspruch der Presse gerecht zu werden.

    (…)

    Erteilung der Auskünfte
    Auskünfte sind so schnell und – im Rahmen des Zulässigen – so vollständig wie möglich, leicht verständlich und unter Hervorhebung des Wesentlichen zu erteilen.

    (…)

    Veröffentlichungen, die sich mit Maßnahmen des Staatsministeriums der Justiz und mit gesetzgeberischen Fragen befassen, sowie Veröffentlichungen über leitende Persönlichkeiten der Justiz oder sonstige wichtige Vorgänge in der Justiz sind umgehend – möglichst auf elektronischen Wege – der Pressestelle des Staatsministeriums der Justiz zuzuleiten.

    (…)

    Alle Pressesachen sind Eilsachen. Dringliche Angelegenheiten sind telefonisch, per Telefax oder per E-Mail zu erledigen. Der wesentliche Inhalt wichtiger Auskünfte und Stellungnahmen soll, soweit möglich, schriftlich festgehalten werden.

    Ende der Zitate

    Man muss also davon ausgehen, dass die Staatsregierung über dieses Urteil informiert ist. Und auch schweigt.

    Es gibt dazu noch eine einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, soweit das zurecht gerügte und verletzte Vertrauen in Rede steht.

    “Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was geschieht, ist nicht möglich.”
    Siehe Randnummer 60 der Urteils vom 5. 11. 1975 — Aktenzeichen 2 BvR 193/74 —
    Wortlaut der Entscheidung über Server Uni Bern
    https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv040296.html

  • R.G.

    |

    “Auch ich möchte Herrn Schwede voll und ganz zustimmen. Schade, dass RD in letzter Zeit immer wieder zum „Skandal-Blatt“ wird.”
    Weshalb schreiben Sie dann hier? Das muss doch unter Ihrem Niveau sein!
    Derzeit gibt es Ausnahmen vom “Pauschlaverbot” für Stärkere, Gesündere, sie dürfen zum Sporteln raus, die Schwächeren nicht mal im Sonnenlicht friedlich sitzen. Man verordnet damit die weitere Schwächung der ohnehin schon Schwächeren. Für die Gesundheit der gefährdeten Gruppen ist das eine Katastrophe.
    Und dann wundert man sich, weshalb das Virus die ins Zimmerdunkel verbannten Gruppen hinrafft, die Anderen dagegen nicht.
    Es scheint, was logisches Denken angeht, das Mittelalter ausgebrochen zu sein.

  • Benedikt schindler

    |

    1.) Ich würde gerne wissen, was daran über zwei ergangene Urteile zu Berichten, Skandalös sein soll. Es ist eher die Aufgabe einer Zeitung über solche Dinge zu Berichten.

    2.) Es wurde nicht dem Bürger, sondern der Polizei überlassen zu entscheiden was ein triftiger Grund ist aus dem Haus zu gehen.

    3.) Ruft der Artikel nicht dazu auf, jetzt raus zu gehen und alle zu umarmen. Sondern er ruft dazu auf, dass die Politik mit Handlungsanweisung auf seine Bürger zukommt, die wir einhalten, weil wir Bürger nicht Dumm sind.

    27.) Es gibt auch Aussagen von Herrn Söder, wozu es überhaupt keine Verordnung gibt.
    So gibt es zu der Aussage, das alle Großveranstaltungen bis ende August verboten sind, keinerlei Verordnung. Es ist also mehr eine Absichtserklärung die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für Großveranstaltungen bis ende August immer wieder zu verlängern.
    Was wiederum Rechtlich für einige Firmen Problematisch ist, da ihnen damit die Rechtsgrundlage fehlt, ihre Veranstalltungen frühzeitig abzusagen.

    — > Deswegen finde ich es mehr als relevant, wenn jemand darüber Berichtet, dass was in Pressemittteilungen veröffentlicht wird, evtl. nicht geltendem Recht entspricht. Und noch viel mehr, wenn etwas in einer Verordnung steht und nicht geltendem Recht entspricht.

    Davon jetzt aber einen Aufruf zum nicht einhalten dieser Maßnahmen abzuleiten, oder es als Skandalös zu bezeichnen darüber zu berichten, kann ich nicht nachvollziehen.

  • Horst60

    |

    Die Rechtsverordnung ist so ungenau augeführt ,dass Willkür Tür und Tor geöffnet ist. Die Exekutive kann entscheiden, was ein triftiger Grund ist. Die Maßnahme muß nicht zwingend der Eindämmung des Covid19 dienen. Es ist daher , nach Auffassung der Staatsregierung verboten, sich trotz Abstand auf einer Wiese zu sonnen, mit dem Motorrad eine Spritztour zu unternehmen, kontaktlos Bücher abzuholen, alleine Oldtimer zu fahren usw. Es ist aber erlaubt, in die münchner Fußgängerzone zu gehen, um zu shopen. Daher haben die Richter die Augangsbeschränkung de facto für unwirksam erklärt. Es gibt ja auch keinen Zusatz im Wahlrecht der besagt, es gibt alle 5 Jahre Wahlen, wenn kein triftiger Grund dagegen spricht. Wenn das Infektionsschutzgesetz derart ungenaue, die Grundrechte massiv einschränkende Rechtsverordnungen decken würde, wäre es ein Ermächtigungsgesetz1933 2.0.

  • Werner Schwede

    |

    Die Verordnung https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2020-205/ belässt es ja in § 5 nicht nur bei der Voraussetzung des “triftigen Grundes” (Abs. 2). Sondern es sind weiter (Abs. 3) nicht abschließende Beispielsfälle (“insbesondere”) aufgeführt, in denen Tatbestände konkretisiert werden. Das sind u.a.:

    – berufliche Tätigkeiten
    – Versorgungsgänge
    – Besuch von Lebenspartnern, Kindern und von Personen, die Hilfe benötigen
    – Sport und Bewegung an der frischen Luft

    Die aufgeführten Gründe sind auf jeden Fall “triftig”. Darüber hinaus gibt es vielleicht weitere Gründe, die nicht ausdrücklich genannt sind. Ob nun das Sitzen auf der Parkbank dazu gehört oder nicht, darüber mag man streiten. Die Polizei kann bei der Anwendung dieser Verordnung entscheiden, ob ein Grund gegeben ist, die Gerichte aber auch voll überprüfen, ob das rechtmäßig ist. Der Willkür ist nicht Tür und Tor geöffnet. Denn wenn die Polizei beurteilen muss, ob ein Autofahrer verkehrswidrig gefahren ist und andere an Leib und Leben gefährdet hat und damit eine Straftat begangen hat, ist die Situation rechtlich nicht anders.

    Insgesamt sind die Ausnahmetatbestände durchaus zahlreich. Und da die Gründe “glaubhaft” gemacht werden müssen, obliegt es Jedem Einzelnen, was er da vorbringt. Wer auf seinem Motorrad sitzt und geltend macht, er besuche die hilfsbedürftige Oma in Kelheim, dem wird die Polizei kaum rechtmäßig von seinem Vorhaben abhalten können.
    Und es ist nun mal ein legitimes staatliches Interesse bei einer Pandemie eines gefährlichen Virus, all die Verrichtungen zu vermeiden, die eben nicht – in Abwägung mit anderen Rechtsgütern – notwendig sind. Sondern nur dem Vergnügen oder der Freizeitgestaltung dienen. Dabei geht es weniger um die Vermeidung einer konkreten Gefährdung oder Infektionsgefahr. Sondern abstrakt um eine Reduzierung der Mobilität und der Kontakte.

    Deshalb war die Stoßrichtung der Verordnung durchaus richtig. Und wer einsam und allein auf der Parkbank im Stadtpark saß und einen Strafzettel über 150 € bekommen hätte, der hätte gute Chancen gehabt, dagegen vor Gericht zu gewinnen.

  • Horst60

    |

    Wenn es der Exekutive überlassen bleibt, Grundrechte unverhältnismäßig und zur Pandemiebekämpfung ungeeignete Maßnahmen strafbewährt zu verhängen, dann eröffnet ein derartiges Rechtskonstrukt der Willkür sehr wohl Tüt und Tor. Es gerichtlich überprüfen lassen zu können kann eine derartige Handlungsweise nicht heilen. Den Ärger hat jedenfalls erst mal der Bürger, der ja damit eingeschüchtert werden soll. Zu argumentieren, er könne ja lügen und einen erlaubten Grund anführen, da die Liste der trifftigen Gründe ja lang genug sei, ist wohl einem Rechtsstaat unwürdig und verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Im Bußgeldkatalog für den Straßenverkehr ist genau aufgeführt was wie geahndet wird. Die Polizei kann prüfen was aufgeführt ist und alles was nicht aufgefühtt ist, kann nicht geahndet werden. Sie hat nur einen Ermessensspielraum bei der Höhe, da ein Strafrahmen vorgegeben ist. Nebenbei fehlt dieser Strafrahmen im Infektionsschutzgesetz, daher können alle Bundesländer ihre eigene Suppe bei der Durchsetzung kochen. Ohne Mundschutz in BW kostet 15 – 30 €,
    in Bayern mindestens 150 €. Noch so ein Thema für Willkür. Wir sind alle in erster Linie Bundesbürger und nicht Bürger der einzelnen Bundesländer. Grenzkontrollen zwischen den einzelnen Bundesländern sind wohl keine echte Alternative.

  • Bernhard Steghöfer

    |

    Danke für die Info. Der Neue Tag Weiden hat in seiner heutigen Ausgabe auf diese obergerichtliche Entscheidung nicht hingewiesen.

  • Julian86

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    Es gibt im SPIEGEL ein Streitgespräch zwischen Papier und der Justizministerin. Sehr aufschlussreich.

    Der ehemalige BVerfG-Präsident ist in Sorge ob unseres angegriffenen Rechtsstaats. Zwei Dinge will ich kurz aufgreifen:

    Zum einen erinnert er daran, dass “Sinn und Zweck” unserer Verfassungsarchitektur der “Schutz der Freiheit” sei. In dem Sinne, damit verantwortungsvoll auch für das Allgemeinwohl umzugehen.
    (Damit ist er auf einer Linie mit Hannah Arendt, welche die Freiheit des Menschen als Ziel aller Politik(!) erkannte.)

    Zum anderen macht Papier deutlich:
    Bei der schrittweisen Öffnung des Shutdown seien nicht(!) die einzelnen Maßnahmen und Schritte regelungsbedürftig; zu regeln sei jede – weitere – fortdauernde Einschränkung der Freiheit. Mit diesem Hinweis stellt er die verfassungsrechtlichen “Dinge” vom Kopf auf den Fuß. Immer seien die widerstreitenden Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Unter jederzeitiger Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit.

    Ich kann diese drei Seiten im SPIEGEL nur jedermann empfehlen. Kreuzen doch das Regierungsmitglied Christine Lambrecht (seit 1998 im Bundestag) und ein altgedienter Verfassungsrechtler (der selbst zur Risikogruppe zählt) das Florett. Sie weist darauf hin, dass das “Ermächtigungsgesetz”, das IfSG, bis März 2021 befristet ist. Auch ihr sei es wichtig, betonte sie, dass die Einschränkungen der Grundrechte besser eher als später aufgehoben würden.

    Hinweis:
    Papiers neue Buch hat er noch VOR der C-Krise vollendet.
    “Die Warnung”, Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Deutschlands höchster Richter a.D. klagt an, Heyne Verlag, 272 Seiten, ISBN: 978-3-453-20725-7, 22 Euro

    Rezension bei
    ….. .lto.de/recht/feuilleton/f/papier-warnung-buch-rezension-verfassung-grundgesetz/

    Zitat:

    geworden.

    “Politiker agieren an der Verfassung vorbei”

    “Wer die Verfassung nicht achtet, verliert den zentralen Ordnungsrahmen unserer Gesellschaft”, warnt Papier. Dass Politiker “seit Jahren immer wieder an der Verfassung vorbeiagieren und -regieren” sei eine zentrale Ursache für das schwindende Vertrauen der Bürger in die Politik.

    Zitat Ende

    Und das Vertrauen bedarf der Transparenz. Hierauf hat Aigner in seinem jüngsten Kommentar (BayVGH) zurecht hingewiesen. Wird es nicht Zeit, dass der Nannen Preis 2020 mal nach Regensburg kommt?

  • Burkhard

    |

    In der aktuellen Situation muss man 5 auch mal gerade sein lassen. Mein Dank geht an den Schweden?

  • Werner Schwede

    |

    Interessanter als Verfassungsrichter a.D. Papier, der außer Binsenweisheiten nichts anzubieten hat (und mir schon zu häufig mit willfährigen Gutachten und einem recht eindimensionalen Grundrechtsverständnis aufgefallen ist), ist der kundige Beitrag des Regensburgers Martin Heuser im “Verfassungsblog”, auf das weiter oben verlinkt wurde. https://verfassungsblog.de/rechtsprechungsnotstand-in-bayern/

    Da seziert der versierte Verwaltungsrechtler recht überzeugend die Schwächen der Rechtsprechung des VGH wie auch der Bayerischen Corona-Verordnungen. So eingängig und vertraut diese Kritik ist, aus Sicht des Staates (nicht nur Bayerns, sondern z.B. auch Berlins, das eine ähnliche Verordnung hatte) bleibt ein Problem: Was können wir machen ohne Sinn und Zweck der Regelungen zu verfehlen?

    Erinnern wir uns an den März:

    Die Bundesregierung und die Landesregierungen kommen angesichts exponentiell wachsender Infektionen mit einem sehr gefährlichen Virus zu folgendem Ergebnis: Nur ein flächendeckender Stillstand des öffentlichen Lebens verhindert die drohende Überlastung des Gesundheitssystems und zigtausende wenn nicht hundertausende Tote. Wie in vielen anderen demokratischen Ländern auch (Italien, Spanien, Österreich, Niederlande, Norwegen, Neuseeland, Großbritannien) sollen die Bürger möglichst zu Hause bleiben und nur für notwendige Verrichtungen auf die Straße. Da man freiwillige Empfehlungen nicht mehr für ausreichend hält, soll dies verpflichtend geregelt werden.

    Wie kann dieses legitime Vorhaben unter der Geltung des Grundgesetzes rechtlich beschlossen, umgesetzt und durch die Polizei kontrolliert werden?

    Gar nicht? Das kann ich nicht glauben. Doch die ganzen mehr oder weniger profunden Kritiker, von den diversen VGHs und VerfG über Heribert Prantl bis Juli Zeh, sie möchten uns das irgendwie weis machen. Dementsprechend bieten sie keine wirklich konstruktive Kritik an. Sie betreiben je nach Kompetenz Fundamentalkritik, Formalismus oder Mikro-Grundrechtsdogmatik.

    Und behaupten damit im Ergebnis, der Staat des Grundgesetzes lasse einen Lockdown gar nicht zu. Der repressive Staat, der gegen die Kommunisten, gegen die RAF, gegen den Widerstand gegen die WAA, nach 9/11 und gegen den IS oder sonstwen auf Kosten der Grundrechte Strafen und Überwachung verschärfen darf, der Hartz IV, den finalen Todesschuss, 100.000 Abtreibungen jährlich, Sterbehilfe und Studiengebühren und ein BayPAG zulässt, der darf das hier nicht? Das, was alle möglichen anderen demokratischen Ländern auch machen? Nicht in Deutschland?

    Man sollte wirklich das Gesamtpaket im Blick haben. Sonst verliert man das Maß, zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Eingriffen in Grundrechte zu unterscheiden.

  • Mr. T.

    |

    Werner Schwede, der Staat dütfte das durchaus dürfen, aber eben nicht so.

  • Julian86

    |

    Stabilität bei Corona und Klimaschutz: Schutz der Gesundheit und Schutz der Atmosphäre

    Alter Schwede, meinen Sie nicht auch, dass Ihr Wegdrücken des Verfassungsrechtlers Papier selbst recht “eindimensional” daherkommt?

    Was ist eigentlich die Kernbotschaft ihres letzten überschwänglich daherkommenden Statements. Vielleicht wollen Sie nachlegen, auch auf Papier inhaltlich eingehen – vor allem vor dem Hintergrund des jüngsten Dr. Schiffmann-Videos vom 4.5. , wonach sich die C.-Welle erledigt (“geflattet”) haben soll, so dass mit dem BayVGH die grundgesetzlichen Einschränkungen unverzüglich – schrittweise – zurückzunehmen sind.

    Für mich sind die Ausführungen der Nachhaltigkeitsforscherin Frau Prof. Maja Göpel für die weitere Entwicklung ganz maßgeblich. Man findet diese in “Was Theorie noch kann” von Julia Encke, FAS vom 26.4. auf der Seite 33. (Im Netz lautet die Überschrift : “Warum wir gerade lieber Drosten als Sloterdijk hören”)

    Zitat:

    Die Corona-Krise kann nach Ansicht von Maja Göpel helfen, diese „neue Realität“ schneller zu erkennen: Um das Virus einzudämmen, haben alle von Kurven des exponentiellen Wachstums erfahren, und warum es sehr wichtig sein kann, auf Krisen frühzeitig zu reagieren, selbst wenn die Auswirkungen noch nicht direkt sichtbar sind. Wer „Flatten the curve“ verstanden hat, versteht auch, warum global nicht mehr CO2 freigesetzt werden darf, als gleichzeitig absorbiert und gebunden werden kann. Das stabile Gesundheitssystem ist für sie vergleichbar mit der stabilen Atmosphäre – beide sind wichtig für menschliches Wohlergehen. Damit sei auch klar, dass die Art, wie wir die Wirtschaft nach der Krise gestalten, eine sehr zentrale Rolle für zukünftige Risiken spielen werde.

    Zitat Ende

    Diese Aussage der Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen macht in diesem Zusammenhang auch die wesentliche Bedeutung von

    Stabilität

    deutlich, ein Begriff, der hier und bei den Parteien Gegenstand der sog. Koalitionsgespräche ist. Von daher kann man den offenen Brief, der werbemäßig auf RD steht, nur inhaltlich begrüßen. Ich bezweifle aber, ob der harte Kern der konservativen CSU-Wähler je auf diesen Zug aufzuspringen lernt. Die neu gewählte OB soll das aber beherrschen.

  • Horst60

    |

    Die Durchsetzung von g e e i g n e t e n und verfasungsrechtlich verhältnismäßigen Maßnahmen will niemand verhindern. Aber diese müssen einer regelmäßigen Überprüfung zugeführt werden und an den aktuellen Wissenstand angepasst werden. Wie bereits erwähnt, kann ein Aufenthalt im Freien und alle Tätigkeiten unter problemloser Einhaltung des Kontaktverbotes und Mindestabstandes erlaubt werden. Diese Lockerungen werden aber nur wahlos, vereinzelt und willkürlich aufgehoben oder gar nicht. Eine Verfassung, die derartige Rechtsverordnungen und deren Vollzug zulässt hat generell ein Problem und ein noch größeres, wenn seine Gerichte den einstweilligen Rechtsschutz verweigern. Wir werden derzeit von einer uneinigen Ministerpräsidentenrunde regiert (kein Verfassungsorgan!!), die die gesellschaftliche demokratische Diskussion verweigert. Nachdruck verleiht man mit dem missbrauchten OWiG. Alle, inklusive Parlamente warten auf die eventuellen nächsten Lockerungsgeschenke und nächste n i c h t geignete Maßnahme. Denkansätze vom Bundestagspräsidenten oder von ehemaligen Verfasungsrichtern werden nicht zugelassen. Eigenverantwortung ist gesellschaftlich nicht erwünscht und daher überlassen wir unsere Zukunft Leuten, die das Grundgesetz meiner Meinung nach fehlinterpretieren und Mißbrauch Tür und Tor öffnen.

  • Mr. T.

    |

    Irgendwer muss Söder einen Link zu regensburg-digital geschickt haben. Ab morgen ist die rechtswidrige Ausgangsbeschränkung aufgehoben.

  • Bernhard Steghöfer

    |

    Ab morgen ist kein “triftiger Grund” mehr erfolderlich für das Verlassen der Wohnung. Warum wohl?

  • Horst60

    |

    Es geht in dieser Sache in erster Linie nicht darum, ob die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben werden, sondern um die Möglichkeit, eine rechtsmißbrräuchlich nutzbare Rechtsverordnung erlassen und mit OWiG durchsetzen zu können und dieses nach erstem Anschein mit Duldung der Gerichte. Es geht um Gefährdung der Grundrechte und Mängel im demokratischen System. Daraus lernen und einen Riegel vorschieben ist die Aufgabe für die Zukunft.

  • Christa

    |

    Chapeau!
    Tolle Schreibe! Ich hab ja immer vermutet, dass „Andreas Glas“ ein Pseudonym von Dir ist. Aber da prantelt es ja direkt! Vor allem im letzten Absatz…. Ab jetzt musst Du aufpassen sonst laden sie Dich noch zum Stadtfreiheitstag ein u du darfst da nen Artikel von Dir vorlesen. Zum Beispiel über Füchse und Sümpfe. Oder über Rossmärkte.

  • Hthik

    |

    @Burkhard 4. Mai 2020 um 18:47

    “In der aktuellen Situation muss man 5 auch mal gerade sein lassen.”

    Ich habe mal spaßeshalber einen Mathematiker gefragt, ob das nicht möglich ist. Die Antwort war unerwartet ergiebig.

    Nach der üblichen Einleitung ging das ungefähr so. Zuerst mal müssen wir die Begriff klären. Was genau heißt “gerade”? “Gerade” heißt üblicherweise teilbar durch zwei, das heißt es gibt eine Zahl H, so dass gilt H*2=5. Das heißt “gerade” ist keine Eigenschaft einer Zahl, der 5, sondern einer Zahl und des Zahlensystems, das wir benutzen. Genau deswegen nennen wir 5 normalerweise nicht gerade, weil es im System der ganzen Zahlen keine Zahl gibt, deren Doppeltes gleich 5 ist. Außerdem reden wir immer von “Doppeltem” und verwenden das Malzeichen “*” um zu erklären, was “5 ist gerade” bedeuten soll. Also brauchen wir eine solche Maloperation und die Zahl 2.
    Damit kann man ohne weiteres eine Zahlensystem erzeugen, in dem 5 gerade ist, etwa die von H und 2 erzeugte Halbgruppe mit der üblichen Multiplikation. Nun haben wir das Ding, was machen wir jetzt damit? Wir können nur Multiplizieren und manchmal Teilen, es gibt noch nicht einmal eine Addition für unsere Zahlen.

    Wir können versuchen eine Addition, so wie wir sie kennen, einzuführen, das würde etwa heißen, es muss das Distributivgesetz gelten, aus der Schule bekannt als Ausklammerregel. für Zahlen a,b und c gilt (a+b)*c = a*c + b*c. Das hat aber Konsequenzen, etwa ist ja

    7 = 5 + 2 = H*2 + 1*2 = (H + 1)*2

    H + 1 ist auch eine Zahl, also ist 7 auch das Produkt einer Zahl mir 2, also ist 7 gerade. Genauso ist 9 gerade, 11 gerade etc. und auch 3 = 5 – 2 und sogar 1.

    Kurz: ist 5 gerade und gelten die uns vertrauten Regeln, so sind zwingend alle uns vertrauten Zahlen gerade.

    Verzeihung für die kleine Anekdote, aber ich fand es sehr instruktiv, dass das Problem, dass man beim “5 gerade sein lassen” aufgrund des schon vorgegeben Rechtssystems Fernwirkungen aller Orten auslöst, nicht nur daran liegt, dass das Recht irgendwie nicht gut organisiert ist oder die Vertreter der falschen Rechtsschule die herrschende Meinung vorgeben und so weiter, sondern dass die Ursache dafür tief in der Natur der Dinge liegt. Da bleibt nur mehr, sich vorher genau zu überlegen, was man anrichtet.

  • Hthik

    |

    @Werner Schwede 2. Mai 2020 um 16:01

    “Es ist jedoch schon sehr schwierig, adäquat einen Lockdown wie diesen rechtlich einzuhegen, wenn sich in 70 Jahren grundrechtsdogmatischer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein feingesponnenes Netz von Grundrechtskollisionen, Übermaß-, Untermaß- und Willkürverboten entwickelt hat, aus dem es kaum noch einen ehrenvollen Ausweg gibt.”

    Wunderschön geschrieben, aber was bedeutet das?

    “Übersehen wird dabei freilich, dass die gesamte Pandemiebekämpfung eben nicht der juristische Normalfall ist.”

    Von wem wird das übersehen?

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