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Klagen vor dem Landgericht

Betriebsschließungen wegen Corona: Versicherer verweigern Zahlung

Trotz einer Versicherung gegen Betriebsschließungen weigern sich mehrere Anbieter zu bezahlen und bieten einen Bruchteil des entstandenen Schadens als vermeintliche Kulanz an. Ein bundesweites Phänomen, das nun auch in Regensburg Gerichtsverfahren nach sich zieht.

Wohl dem, der eine Versicherung hat, mag man sich angesichts der Betriebsschließungen denken, die im Zuge der Corona-Pandemie bundesweit angeordnet wurden. Nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) wurden allein in der Gastronomie 160.000 Betriebe beim ersten Lockdown im Frühjahr geschlossen. Ein Viertel von ihnen hatte demnach eine Betriebsschließungsversicherung. Doch offenbar weigern sich einige Versicherer nun für den entstandenen Schaden aufzukommen – auch in Regensburg, wo rund 500 Gastrobetriebe von dem Lockdown betroffen waren.

Zwischen 40.000 und 200.000 Euro

Hier liegen dem Landgericht derzeit drei Klagen von Gastronomiebetrieben vor, die sich gegen Versicherungsgesellschaften richten. Es geht um Beträge zwischen knapp 40.000 und knapp 200.000 Euro, deren Zahlung die Betroffenen erstreiten wollen.

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Die Regensburger Wirtshäuser befinden sich in breiter Gesellschaft. Laut DEHOGA gibt es bundesweit mehr als 1.000 solche Klagen – mit widersprüchlichen Entscheidungen an verschiedenen Gerichten. Während beispielsweise die Landgerichte  Ellwangen und Kempten und das OLG Hamm zwischen Juli und September Entscheidungen fällten, die zugunsten der Versicherer ausfielen, gab das Landgericht München I Anfang Oktober einem klagenden Gastronomen recht und sprach ihm rund eine Million Euro zu.

Klausel soll Covid-19 ausschließen

Bei der ersten Klage, die am 13. November in Regensburg verhandelt werden wird, geht es immerhin um rund 125.000 Euro, die das Hacker-Pschorr Wirtshaus am Neupfarrplatz von ihrer Versicherung erstattet haben will. Laut Gerichtssprecher Thomas Polnik ist die Argumentationslinie der beklagten Versicherungen aber auch abseits dieser Klage relativ einheitlich.

In deren Augen liegt schon keine meldepflichtige versicherte Krankheit bzw. kein meldepflichtiger versicherter Krankheitserreger vor. Dabei berufen sich die Unternehmen auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die eine Auflistung meldepflichtiger Krankheiten/Krankheitserreger beinhaltet. Darin komme das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) und die dadurch ausgelöste Krankheit (Covid-19) nicht vor. „Nach Auffassung der Beklagten hat die Aufzählung abschließenden Charakter“, so Polnik.

Die Versicherer monieren weiter, dass „keine rechtlich wirksame Betriebsschließung“ vorgelegen habe. Der Kniff dabei: Die Allgemeinverfügung des Freistaats Bayern habe alle gastronomischen Betriebe insgesamt und nicht den versicherten Betrieb konkret betroffen. Und schließlich greifen die Versicherungsunternehmen, unter anderem der Branchenriese Allianz, die zugrunde liegenden Allgemeinverfügung insgesamt an. Diese „würden an gravierenden Mängeln leiden und seien daher unwirksam“.

LG München I: Klausel unwirksam

Das Landgericht München I hat all diesen Argumentationslinien in seiner Entscheidung vom 1. Oktober eine Absage erteilt. Insbesondere die Rechtmäßigkeit der Schließungsanordnung spiele für den Versicherungsschutz keine Rolle. Der Betrieb sei ja tatsächlich geschlossen worden. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei es auch nicht zu erkennen und kaum zu erklären, warum die in den Versicherungsbedingungen aufgeführte Liste von Krankheiten und Erregern abschließend sein solle. Die entsprechende Klausel bezeichnet das Gericht als „unwirksam“.

Vor dem Hintergrund, dass Land- und Oberlandesgerichte wie Hamm zuvor zu einer gegenteiligen Auffassung gekommen sind – dort sieht man beispielsweise jene Liste durchaus als abschließend und die entsprechende Klausel als wirksam an – könnte die Entscheidung des Landgerichts Regensburg im Fall Hacker-Pschorr Wirtshaus für die hiesigen Gastronomen wegweisend sein.

Anwälte: Kulanz-Angebot ist „Irrweg“

Nach Auffassung verschiedener Rechtsexperten streben die Versicherungen einerseits an, möglichst viele Streitigkeiten gütlich beizulegen, um eine höchstrichterliche Entscheidung vor dem BGH zu vermeiden. Entsprechend scheint es auch unwahrscheinlich, dass ein Versicherer im Fall einer Niederlage in die nächste Instanz gehen wird, um eine solche Entscheidung zu riskieren. Stattdessen scheint man darauf zu hoffen, dass nicht jeder Wirt klagen wird und sich im Zweifelsfall auf ein vermeintliches Kulanz-Angebot einlassen wird.

Derzeit bieten viele Versicherer laut Auskunft der Regensburger Kanzlei BLTS lediglich 15 Prozent des versicherten Betrages an – ein Bruchteil des tatsächlichen Schadens, bei gleichzeitigem Verzicht auf alle weitergehenden Ansprüche. Laut den BLTS-Anwälten ein „Irrweg“.

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Kommentare (6)

  • Mr. T.

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    Das ist doch die übliche Vorgehensweise von Versicherungen. Wenn die eine Chance sehen, sich aus der Haftung winden zu können, versuchen sie es. Da nicht jeder die Möglichkeit hat, dagegen vorzugehen, lohnt es sich immer wieder.

  • XYZ

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    Da erteilt das LG M I in dem verlinkten Urteil unter Randziffer 209, gekürzt, eine schöne Watschn an die Staatsorgane: ‘Die Finanzhilfen des Bundes und des Landes erfolgten ohne Rechtsanspruch. Es handelt sich ersichtlich nicht um Schadensersatz aufgrund öffentlichrechtlichen Entschädigungsrechts.’ Das wäre aber m.E. bei Betriebsschliessungen aus generellen Infektionsschutzgründen erforderlich, und zwischen abstrakter und konkreter Gefahr wird auch nicht differenziert oder das zumindest näher angesprochen.
    Das geht jetzt mit der neuen Generalschliessung munter so weiter. Die RA’e wird’s freuen und bei der diametralen RSpr. der Obergerichte muss eh der BGH entscheiden.

  • XYZ

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    Aktuell zu ergänzen:
    Der BayVGH hat nun heute im Eilverfahren AZ NE 20.24.68 entschieden, dass die Einschätzung des VO-Gebers als denkbare Reaktion (schön ausgedrückt) auf das pandemische Geschehen eingeschätzt werden könnte. Vorbehalte wurden aber zur rechtlichen Grundlage des BInfSG und dem Parlamentsvorbehalt geäussert. Ein Eilverfahren bedeutet nur eine summarische Ãœberprüfung, es wird also im Hauptsache-Verfahren genauer zu überprüfen sein, ob Grundrechtseingriffe (hier Berufsausübung) über einen längeren Zeitraum (hier zum zweiten Mal, die Pandemie dauert ja mittlerweile schon so ein halbes Jahr) allein durch die Exekutive erfolgen dürfen – oder sprich als Konsequenz nur Ausgleichszahlungen statt angemessener Entschädigung. Das LG München I hat dazu bezeichnend die Zuschüsse nur als Konjunkturhilfe eingestuft.

  • XYZ

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    Pardon, um beim redaktionellen Thema Versicherungen zu bleiben: diese könnten jenseits des kaum noch durchschaubaren juristischen Hickhacks in Fällen einer Verurteilung vorbringen, dass letztlich der Staat bei Grundrechtseingriffen haftbar ist und angemessen zu entschädigen hat – was dann auch allen anderen nicht Versicherten zugute käme.

  • Hthik

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    “Und schließlich greifen die Versicherungsunternehmen, unter anderem der Branchenriese Allianz, die zugrunde liegenden Allgemeinverfügung insgesamt an. Diese „würden an gravierenden Mängeln leiden und seien daher unwirksam“.”

    Da wird man wohl eine https://de.wikipedia.org/wiki/Streitverk%C3%BCndung brauchen, damit der Gastronom nicht zwischen Versicherung und Freistaat zerquetscht wird.

  • XYZ

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    Aktuell:
    Der BT hat nun heute über ein drittes IfSG beraten (BT 19/23944 vom 03.11.2020), darin wird u.a. ausgeführt: Die bisher getroffenen Massnahmen führen teilweise zu erheblichen Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten so dass eine gesetzliche Präzisierung angezeigt ist. Eine Entschädigungsregelung fehlt aber nach wie vor bei generellen Massnahmen, es wird nur auf 56 IfSG hingewiesen, der aber nur direkte Ansteckungsgefahr von nachgewiesenen Infektionsträgern erfasst – da drückt sich der Gesetzgeber mal wieder um das eigentliche Problem herum: sind auch Betriebsschliessungen erfasst und laut GG zu entschädigen, wenn diese rein ‘vorsorglich’ erfolgen, auch wenn eine konkrete Gefahr nicht ersichtlich?

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drin