Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Urteil am Landgericht

Bewährung für PG Bikes-Geschäftsführer

Urteil im PG Bikes-Prozess am Landgericht Regensburg. Der frühere Geschäftsführer des Regensburger E-Bike-Unternehmens wurde wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die zahlreichen Betrugsvorwürfe, die sich in der bisherigen Beweisaufnahme nicht bestätigen ließen, wurden zuvor bereits fallengelassen.

Bewährung für Bike-Unternehmer Manuel O. Foto: om/Archiv.

Der Regensburger Unternehmer Manuel O. (PG Bikes) wurde am heutigen Mittwoch wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Der Fahrradhersteller hatte es versäumt trotz Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens PG Bikes Trades & Sales GmbH rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.

WERBUNG

Der Vorwurf der 96 Betrugsfälle in erheblichem Umfang (knapp 1,5 Millionen Euro) wurde nach einer Verständigung der Verfahrensbeteiligten und einem Geständnis des Angeklagten schon vorher eingestellt. Vorangegangen war dem Urteil eine seit November 2019 andauernde Hauptverhandlung vor der 6. Strafkammer des Regensburger Landgerichts, deren Beweisaufnahme nur wenig Ertragreiches, zumal zu den Betrugsanschuldigungen, liefern konnte.

Trotz Zahlungsunfähigkeit Geschäfte weiterbetrieben

In der Urteilsbegründung stellt die Vorsitzende Richterin Elke Escher fest, dass spätestens am 01. September 2011 eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens mit Verbindlichkeiten von fast 600.000 Euro vorlag. Escher spricht von einer Liquiditätslücke von 95 Prozent. Binnen drei Wochen hätte allerdings ein Insolvenzantrag gestellt werden müssen. Der Antrag kam jedoch erst am 19. April 2013 – anderthalb Jahre zu spät. Der Angeklagte habe in der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit über die finanzielle Schieflage von PG Bikes „präzise“ Bescheid gewusst. Das hätten auch mehrere Zeugenbefragungen ergeben.

Manuel O. habe die „Geschäfte weiterbetrieben“ und die Verschleppung der Insolvenz „billigend in Kauf“ genommen, obwohl er – das betont Escher ausdrücklich – im Glauben war, irgendwann ausreichend Mittel zu finden, um die Verbindlichkeiten zu bedienen. So habe er Kunden und Investoren immer wieder um Stundungen und Aufschübe ersucht und sich um Investments bemüht.

Gemäß Zeugenaussagen waren die Hoffnungen auf späte Sanierung der Finanzen nicht völlig unbegründet. Ein Großinvestment von 1,5 Millionen Euro scheiterte etwa erst kurz vor der tatsächlichen Insolvenzantragsstellung.

Chaotische Geschäftstätigkeit

Insgesamt war die Geschäftstätigkeit von PG Bikes laut Zeugen mit Einblick ins Unternehmen eher chaotisch. Neben den geplatzten Investments setzte das Regensburger Start-up auf Lieferanten und Fertigungspartner, die keinerlei qualitätsvolle Serienproduktion der Räder sicherstellen konnten. Der Zeuge Georg M., der teilweise für Reklamationen zuständig war, berichtete von einer Vielzahl an Kundenbeschwerden, die besonders die Akkutechnologie und die Motoren der ausgelieferten E-Bikes betrafen. Auch andere Radkomponenten, wie Bremsen oder Schaltungen, standen in der Kritik.

Beim Herstellungspartner Motorenwerke Zschopau (MZ) kam es dem Zeugen zufolge laufend zu Lieferverzögerungen sowie mangelnder Einhaltung von Serienvorgaben und der Lieferung „problematischen Materials“. Produkte kamen manchmal gar nicht, manchmal fehlerhaft, manchmal sogar mit „gesundheitsbedenklichen“ Konsequenzen für Endkunden. Die traditionsreichen Motorenwerke Zschopau sind seit 2012 übrigens selbst insolvent. Der ehemalige Geschäftsführer Martin W. werde laut O.s Anwalt Michael Haizmann per Haftbefehl gesucht.

Marketingzugpferd Blacktrail: Nur zwei produziert

Auch das „Marketingzugpferd“ von PG Bikes, das Blacktrail (Kaufpreis: 60.000 Euro), habe nie Serienreife erlangt. Vom „E-Bike der Superlative“, wie es unter anderem in der Fachpresse hieß, habe es nach Wissen des Zeugen physisch lediglich zwei Prototypen gegeben. Das Nachfolgermodell Blacktrail 2 (Kaufpreis 100.000 Euro) habe es zu seiner Zeit gar nicht in fertiger Form gegeben. Entwicklung und Herstellung kamen mit der reichweitenstarken Vermarktung bei PG Bikes nicht hinterher.

Orlando Bloom posiert auf einem von zwei Blacktrails: Das Marketing lief gut, die Produktion weniger. Foto: PG Bikes

Ein weiteres Problem der über Jahre zahlungsunfähigen Firma beschrieb der Zeuge Wolfram S., der bei PG Bikes zwischen Oktober 2009 und Oktober 2010 an führender Stelle im Vertrieb beschäftigt war. „Da waren keine Profis dabei, leider,“ so S. „Wir waren schon Pioniere“ im Bereich der E-Mobilität, aber dann wollte die Firmenführung auch auf vier Räder, statt nur auf zwei setzen. Eine Unmöglichkeit für so ein kleines Unternehmen, bewertete der Zeuge die überambitionierten Ziele.

Kleiner Tesla – aber nicht einmal Fahrräder geschafft

Hätte man die Automobilvorhaben später versucht, „hätte das ein kleiner Tesla werden können, aber wir haben nicht einmal die Fahrräder geschafft“. Dass man sich mit MZ eingelassen habe, habe PG Bikes weit zurückgeworfen. Zu keinem Zeitpunkt konnte sich die Hoffnung bestätigen, dass dort die Bikes einmal vom Band kommen.

Für Manuel O.s Verurteilung sind das nach fast acht Jahren Verfahrensdauer allenfalls Anekdoten. Die verschleppte Insolvenz, die auch die Verteidiger Johannes Büttner und Michael Haizmann als gegeben betrachten, bleibt davon unberührt. In ihrem Plädoyer forderten sie hierfür eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Die Staatsanwaltschaft beantragte ein Jahr und vier Monate auf Bewährung.

„Glaubhaft und vollumfänglich geständig“

Der Angeklagte selbst zeigte sich für Richterin Escher „glaubhaft und vollumfänglich“ geständig und sei bereit „die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen“. Dadurch habe er dem Gericht eine möglicherweise noch langwierige Beweisaufnahme erspart.

Die weitaus schwerwiegenderen Betrugsvorwürfe sind im Rahmen der Verständigung der Verfahrensbeteiligten vom Tisch. Bereits frühzeitig in der Hauptverhandlung hatten alle Beteiligten die Bereitschaft hierzu signalisiert, auch weil die vernommenen Zeugen diesbezügliche Vorwürfe nicht bestätigen konnten.

Bei der Urteilsverkündung merkte Escher an, dass die Betrogenen normalerweise wütend seien und auf die Angeklagten schimpfen würden. Das sei hier, so Escher „erstaunlicherweise“ ganz anders. Die Geschädigten hätten unaufgeregt, sachlich und teilweise wohlwollend ausgesagt. Am Ende wird O. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, verurteilt. Außerdem muss er die Gerichtskosten übernehmen sowie 5.000 Euro an die VKKK Ostbayern zahlen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Trotz Verständigung hat der Angeklagte die Möglichkeit Rechtsmittel einzulegen.

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (7)

  • Giesinger

    |

    Danke für diese umfassende Berichterstattung.
    Sehr kurz und etwas zu sehr knapp wurde ich vor einer Woche von der “mz” darüber informiert. Danke daher an Herrn Oswald.
    Es grüßt, der hoffentlich nun regelkonforme, Giesinger.
    @Herr Oswald, was ist los mit “Feinsender”? Wird es noch was, diese Woche?

  • R.G.

    |

    Große Summen.

    Mutter Güte.

  • braver Giesinger

    |

    @Günther Herzig: Weil ich den Mann kenne…

  • Mr. B.

    |

    Danke an R-D. Mich hat Ihr Bericht sehr interessiert.
    Wo soll man sonst vieles erfahren, was andere nicht berichten (berichten wollen)!

  • highwayfloh

    |

    Jetzt bin ich echt gespannt ob der juristischen Bewertung und Verurteilung:

    Dieses Urteil (Bewährung) mit relativ geringen Geldauflagen (obwohl) Sozialversicherungsbetrug etc. damit einhergegangen ist … und eben dem sogenannten “Korruptionsprozesses” … (wobei hier interessant wäre, ob bezüglich der geflossenen Gelder ebenso die entsprechenden Sozialkassen-Ansprüche mit berücksicht wurden / worden sind – wobei man diesbezüglich nie etwas gehört hat… )

  • Mr. B.

    |

    Bei PlusMinus im Fernsehen war kürzlich zu sehen, wie man eine Firma aufbauen kann, dass Geld dann beiseite schaffen kann und dann einen Konkurs anmelden kann, wenn man selbst genug verdient hat.
    Die Hilfe kommt von Wirtschaftskanzleien und Anwälten, die hier sogar für ihre Unternehmungen Werbung machen können/ dürfen.

    Alles ganz legal und der Gesetzgeber weiß das!!!!!!!
    Meine Frage wieder: “Wer hat das Sagen, wer bestimmt?”

Kommentare sind deaktiviert

drin