Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Viel Freibier, null Einsicht

Großinquisitors Abschied

Erst Messwein und Hostien, dann Freibier und Bratwurst: Gerhard Ludwig Müller ist am Sonntag nun offiziell aus Regensburg verabschiedet worden. Er hinterlässt eine Diözese mit einschlägigem Ruf.

Joviale Geste: Gerhard Ludwig Müller bei seiner Abschiedsrunde um den Dom. Fotos: as

Er ist nicht eben frenetisch der Applaus, der auf dem Domplatz aufbrandet, als der frisch ernannte Großinquisitor kurz nach 17 Uhr mit seiner Entourage aus Bischöfen, Fahnenträgern von Kolping bis hin zu diversen Burschenschaften und natürlich der nicht wegzudenkenden Domspatzen über den Vorplatz am Regensburger Dom vorbeizieht. Rasch stimmt die Blaskapelle zu einem mitreißenden Marsch („So klingt’s aus Stadt und Land“) an. Bei den Bischofshof-Ständen wird mit der Verteilung von Freibier, Kaffee und Bratwurstsemmeln begonnen. Das lockt auch den einen oder anderen Nicht-Katholiken. Ein Transparent auf der Bühne kündet vom Dank der Kirchen-Brauerei „für die gute Zusammenarbeit“. Das Bischofshof-Bier war in der Vergangenheit schon die eine oder andere Predigt im Dom St. Peter wert.

Dank „für die gute Zusammenarbeit“: Die Brauerei Bischofshof war Müller schon die eine oder andere Predigt wert. Unter seiner Ägide wurde ein Drittel der Belegschaft der kircheneigenen Brauerei ausgegliedert.

Am Sonntag ist Gerhard Ludwig Müller nun auch offiziell aus Regensburg verabschiedet worden – zunächst mit Weihrauch, Hostien und Messwein im rappelvollen Dom, wo am Ende des Gottesdienstes (der per Livestream auch auf eine Großleinwand am Vorplatz übertragen wurde) sogar die Bayernhymne intoniert wird. Im Anschluss daran wird – ebenfalls bayerisch – auf dem Domplatz weiter gefeiert.

Große Abschiedsgala im Dom: Müller im Kreis seiner ehemaligen Amtsbrüder.

 Freibier, Glanz und Gloria

Allerlei Prominenz labt sich an Bier und Bratwurst, macht dem scheidenden Hirten seine Aufwartung: Papstbruder Georg Ratzinger setzt sich gestützt vom streitbaren Prälaten Heinrich Wachter an einen der weiß gedeckten Biertische und beginnt Autogrammkarten zu unterschreiben. Gloria von Thurn und Taxis plaudert einen Tisch weiter mit dem Bundestagsabgeordneten Peter Aumer (CSU). Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, für die CSU im Landtag und Vorsitzender des Diözesankomitees, hat das huldvollste Lächeln aufgesetzt, das man sich vorstellen kann und plauscht mit der priesterlichen Prominenz.

Heute mal auf einer Bierbank geparkt: Prälat Heinrich Wachter und Papstbruder Georg Ratzinger.

Der ehemalige Staatssekretär und Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken Albert Schmid (SPD) strahlt übers ganze Gesicht – erst vor zwei Wochen war Müller eigens aus dem Vatikan nach Laaber angereist, um dort Schmids Tochter zu trauen.

„Bin froh, dass er endlich verschwindet“

Die Fotografen drängeln sich um den neuen obersten Glaubenshüter, der aus der zuvor noch recht prachtvoll-güldenen schon wieder in die etwas schlichtere Purpur-Soutane geschlüpft ist. Manchmal müssen dabei die einen oder anderen Bewunderer recht rasch zur Seite treten, während der blitzlichternde Tross Müller verfolgt. Ein kleines Kind, das die Eltern zum Empfang des erzbischöflichen Segens in Position gebracht haben, wird fast über den Haufen gerannt.

Polit- und sonstiger Adel: Peter Aumer neben Gloria von Thurn und Taxis und ein lächelnder Albert Schmid.

Die Stimmung im Promi-Pulk trübt das nicht. Stolz, Freude, zum Teil auch Ehrfurcht leuchtet aus den Augen des konservativ-klerikalen Geld- und Kirchenadels. Ein bisschen scheint auch noch die Sonne und das Kamerateam eines katholischen TV-Senders ist sichtlich bemüht, ausschließlich wohlwollende Stimmen beim Regensburger Publikum einzufangen.

“Danke”: Heiß begehrtes Propaganda-Heft der Diözese Regensburg.

Die anderen gibt es freilich auch. Sie kommen nur nicht wirklich zu Wort. „Eigentlich sollt ich hin gehen und ihm dazu gratulieren, dass er endlich verschwindet“, murmelt ein junger Mann im Vorbeigehen seiner Freundin zu. „Dazu sag ich lieber nichts“, meint ein anderer, als ihm Kath-TV das Mikro unter die Nase hält und nach seinen Gefühlen anlässlich des Müller-Abschieds fragt. An einigen Tischen sitzen kritische Laien vom „Aktionskreis Regensburg“ und erinnern mit Flugblättern und Ausgaben der Zeitschrift „Pipeline“ daran, was für Zeichen Müllers zehnjährige Amtszeit in Regensburg gesetzt hat.

Hetzpredigten, Autokratie und Mauern des Schweigens

Die Laiengremien wurden entdemokratisiert (Müller: „Kirche ist keine Demokratie“), unbotmäßige Pfarrer abgesetzt und zum Teil mit Exkommunikation bedroht. Nicht nur Medien, auch Leserbriefschreiber und Laienvertreter wurden unter Müllers Ägide im Namen Gottes vor Gericht gezerrt. Stets erfolglos, aber immer begleitet von markigen und zum Teil in Predigten vorgetragenen Sprüchen. Im Gegenzug kassierte der nun ernannte Großinquisitor nach einer Hetzprdigt gegen den Buchautor Michael Schmidt-Salomon einen Rüffel des Verwaltungsgerichtshofes, der klarstellte, dass das Bischofsamt kein Freifahrtschein für Lügengeschichten ist.

Mit Blick auf den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendliche durch Geistliche hat sich die Diözese Regensburg unter Müllers Ägide einen Ruf erworben, der für Verschweigen und Vertuschen steht. Für Unmenschlichkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Opfern. Nach wie vor hat man nichts darüber erfahren, wie viele Missbrauchsopfer es hier gibt. Es fehlt nicht nur ein Abschlussbericht, es ist nicht einmal bekannt, ob irgendein Entschädigungsantrag aus Regensburg jemals an die entsprechende Kommission der Deutschen Bischofskonferenz weitergeleitet wurde. Stattdessen gibt es Serienbriefe, retraumatisierte Opfer und Rechtsanwälte, die eigens dafür engagiert wurden, diese Opfer abzubügeln.

Glücklich im Kreis seiner Anhänger: Großinquisitor Müller.

Bei einem Empfang, den Müller bereits am frühen Nachmittag gegeben hatte, ist von alledem keine Rede. Auch nicht in dem Abschiedsbrief, den der oberste Glaubenshüter im Anschluss an die Feierlichkeiten veröffentlichen lässt. Kein Wort des Bedauerns oder gar der Entschuldigung. Müller spricht von irgendwelchen „Vorfällen“ und von Medien, die immer nur Negatives berichten würden. Mehr kommt ihm nicht über die Lippen. Schon gar nicht an so einem Freudentag. Immerhin: Dass er Regensburg nun endgültig verlässt, freut auch viele andere…

Tumulte im Runtingersaal

Der antinapoleonische Befreiungskrieg des Heinrich Wanderwitz

„Ich bin begeistert. In einer Dreiviertelstunde beginnt eine Champions-League-Spiel und ich konstatiere doch eine sehr, sehr zahlreiche Besucherschaft“. Freudig gestimmt begrüßt Heinrich Wanderwitz etwa 70 Zuhörer, die letzten Mittwoch der Einladung des „Historischen Vereins“ (HV) in den Runtigersaal gefolgt sind. Der programmatische Titel des Vortrags lautet „Über Napoleon kann man streiten.“ Und tatsächlich: Im Laufe des Abends entbrennt ein Streit, der sich gewaschen hat.

Kirchenrechtler: "Es geht nur ums Geld."

Kirchensteuer-Dekret der Bischofskonferenz: „Weniger wert als Klopapier“

Was für ein Zufall: Wenige Tage, bevor das Bundesverwaltungsgericht die Frage entscheidet, ob man katholisch bleiben kann, ohne Kirchensteuer zu zahlen, hat die Deutsche Bischofskonferenz ein Dekret erlassen, das Gläubigen mit Konsequenzen bis hin zur Verweigerung des Begräbnisses droht. Ein Kirchenrechtler sagt nun: „Das Papier hat keinen Rechtscharakter. Es ist inhaltlicher Murks und weniger wert als Klopapier.“

Theaterfest mit dem neuen Intendanten

Ein Kessel Buntes für die Provinz

Jens Neundorff von Enzberg hat in der Vergangenheit subtil betont, dass er Regensburg und sein Stadttheater für eher provinziell hält. Da man aber offenbar verkrustete Strukturen nur nach und nach aufbrechen kann, war das gestrige Theaterfest eine Mischung aus Altbewährtem und Unkonventionellem.

"Durcheinander, übertrieben, falsch"

Wissenschaftler kritisiert Schieders „Kampfansage“ gegen Crystal Meth

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Eine Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Marianne Schieder zur Droge Crystal Meth klingt erschreckend. Ein Wissenschaftler des Centre for Drug Research (CDR), widerspricht nun heftig, moniert Fehler und mahnt zur Versachlichung. Peinlich für Schieder: Sie beruft sich just auf eine Studie des CDR.

Flüchtlinge marschieren nach Berlin

Den Protest in die Hauptstadt tragen

„Geht doch was arbeiten!“, brüllt eine Mann in der Würzburger Innenstadt rund 300 Demonstrantinnen (Polizeiangaben: 180) hinterher. So viele streikende Flüchtlinge sowie Unterstützerinnen und Unterstützer trafen sich vergangenen Samstagnachmittag zur Auftaktveranstaltung des Refugee Protest March: Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sich die Flüchtlinge auf den Weg nach Berlin gemacht. In vier Wochen wollen sie in der Hauptstadt sein. Und dass Flüchtlinge in Deutschland nicht arbeiten dürfen und unter anderem auch dafür auf die Straße gehen, weiß der Zwischenrufen wahrscheinlich nicht. Vielleicht ist es ihm auch egal.

drin