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Kommentar

Schutzmasken-Engpass: Letzte Ausfahrt Beschlagnahme

Dass in Betrieben wie Continental nach wie vor Mundschutz bei der Produktion von Autozubehör verbraucht wird, während in Kliniken Mangelwirtschaft herrscht, ist ein Skandal. Schluss mit dem Schutzmaskenball.

Der Bund bemüht sich, das Land Bayern bemüht sich – und Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, in Heimarbeit Mund- und Nasenschutz zu nähen. Denn fest steht: An den Kliniken, in den Alten- und Pflegeheimen fehlt Schutzmaterial an allen Ecken und Enden. Es wird bereits jetzt rationiert in Erwartung dessen, was auf diese Einrichtungen zukommt. Das bestätigen Ärzte, Beschäftigte, die Gewerkschaft und die Bayerische Staatsregierung selbst. Ob es nun am Preis liegt, an der mangelhaften Logistik oder irgendwelchen Verantwortlichen ist nicht klar auszumachen und es ist auch zunächst einmal gleichgültig. Fest steht: Die Schutzausrüstung ist nicht in ausreichender Menge da.

Allein für die niedergelassenen Ärzte in Bayern liegt der erwartete monatliche Bedarf nach aktuellen Angaben der KVB bei 2,5 Millionen einfachen Mund-Nasen-Schutz-Masken, 500.000 FFP2- und 50.000 FFP3-Masken (die im Gegensatz zum einfachen Mundschutz auch den Träger vor Ansteckung schützen) sowie 500.000 Einmal-Schutzkittel und 50.000 Schutzbrillen.

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Beschäftigte plagt das Gewissen

Gleichzeit werden hier vor Ort in Regensburg – bei Continental – tagtäglich bis zu 2.000 Mundschutzmasken verbraucht. Für die Produktion von Autozubehör. Und es dürfte nicht das einzige Unternehmen sein, wo das passiert.

Hinweise darauf kommen von Beschäftigten. Die loben einerseits die Maßnahmen, die ihr Arbeitgeber zu ihrem Schutz ergreift, können aber andererseits diese Verschwendung von Material, das gerade woanders dringender gebraucht wird, nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren. Und sie tun dies in dem Bewusstsein, dass eine Stilllegung der Produktion für sie erhebliche finanzielle Einbußen bedeutet. Das dann bezahlte Kurzarbeitergeld liegt nur bei 60 Prozent ihres bisherigen Lohns. Einer Aufstockung auf zumindest 80 Prozent, wie es die IG Metall fordert, verweigert sich das Unternehmen bislang.

An die Lager statt an die Nähmaschinen

Das Bayerische Wirtschaftsministerium, dessen Chef Hubert Aiwanger die Bevölkerung angesichts der Mangelwirtschaft im Gesundheits- und Pflegebereich öffentlichkeitswirksam („An die Nähmaschinen.“) zum Nähen von Mundschutz aufgerufen hat, gibt sich auf eine Anfrage hin unwissend. „Die Produktion in der Automobilindustrie steht unserer Erkenntnis nach weitestgehend still“, heißt es auf die Frage, ob man die Aufrechterhaltung des Produktionsbetriebes in Bereichen wie der Auto(zuliefer)industrie vor diesem Hintergrund für vertretbar hält.

Zum Umfang der Schutzmasken, die aus den vorhandenen Beständen der Automobilindustrie akquiriert oder gespendet wurden, will man nichts sagen. „Statistik ist momentan nicht das dringlichste Problem“, heißt es dazu. Ganz anders ist das übrigens bei dem Vlies, den das Wirtschaftsministerium an die Kommune geliefert hat, um Masken von privat nähen zu lassen. Dieser ermögliche „die Produktion von rund 6 Millionen Masken“, weiß man im Ministerium.

Einschränkungen für Millionen Bürger, Narrenfreiheit für Zulieferer?

Wenn diese Masken so dringend benötigt werden, wenn mittlerweile über eine Mundschutzpflicht in der Öffentlichkeit diskutiert wird, die flächendeckend umgesetzt, das Ansteckungsrisiko verkleinern könnte, und wenn allein in Bayern 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger bereit sind, die offenbar notwendigen, drastische Grundrechtseingriffe in Kauf zu nehmen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen, dann sollte es keine Frage sein, was in Betrieben wie Continental besser gestern als morgen passieren muss: Produktionsstopp sofort und her mit allen Masken, die noch irgendwo auf Vorrat liegen. Beschlagnahmen. Am Besten auch gleich bei Geschäftemachern, die derzeit zum Teil – so beschreibt es der Einkäufer eines Händlers für Medizinprodukte – “gruslige und widerliche” Preise verlangen. Der Staat kann dafür angemessen entschädigen. Das Geld ist da.

Autozubehör, Autos und die Frage, ob es später – angesichts von immer noch herrschendem Maskenmangel – vielleicht ruckelt, bevor die Produktion wieder anlaufen kann, sind unwichtig vor dem Szenario, dass sich Krankenschwestern und Altenpfleger, Patienten und Senioren anstecken, krank werden und vielleicht sterben, weil es für sie zu wenig Schutzausrüstung gibt. Und wenn das passiert, während die Produktion in solchen Betrieben weiterläuft, dann gibt es dafür auch Verantwortliche.

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Kommentare (23)

  • XYZ

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    Die nicht erörterte Frage ist nur ob und inwieweit die in der Industrie meist verwendeten Atemschutzmasken namentlich zum Schutz vor Feinstäuben auch gegen Viren – wenigstens etwas – schützen können. Da gibt es allerhand Diskurse.

  • Weichser

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    Kleine Korrektur: Das Kurzarbeitergeld ist nicht 67% des letzten Lohns wie behauptet… bitte hier etwas genauer recherchieren…. Danke !

  • XYZ

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    Atemschutzmasken schützen vor allem vor vergleichsweise grösseren Partikeln wie Staub, Rauch und Aerosolen, Klassifizierung FFP 1 bis 3 (filtering face piece) , erst FFP 3 mit bis zu 2 % Durchfilterung kann auch vor Viren schützen – ob das der Fall ist bleibt offen.

  • Stefan Aigner

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    @weichser

    Danke. Ist korrigiert.

  • joey

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    xyz hat Recht. Gibt es einen Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen?

  • Stefan Aigner

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    @joey

    Laut KVB werden alle Masken benötigt. Conti, BMW, Daimler und andere haben auch schon Masken gespendet, weil diese offenbar benötigt wurden. Und FFP2 und 3 sind dann diejenigen, die abgestuft mehr Schutz gewährleisten als ein normaler Mundschutz.

  • Uwe Fritz

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    Nix Diskurse! Alle heißt alle. In 30 Tagen könnten wir durch sein mit dem Scheiß. Sry, ich meinte aktuellen Krise. Ein Scheiß ist es ja nur weil manche den Hals nicht voll kriegen und somit den Virus füttern. Wir brauchen jetzt alle keine Autos, keine privaten Autofahrten, keine Gelenkbusse mit 3 Fahrgästen und dergl.. Wir brauchen auch keine ungeschützten Polizisten im PKW oder im 6 Pack. Für die Zusammenziehung der Bereitschaftspolizei oder des Militärs sehe ich hier auch keinen trifftigen Grund. Aus meiner Sicht im Stand der Technik unnötig und unverantwortlich, dennoch kreativförderlich.
    Das Gebot der Stunde ist Vernunft und Entschleunigung. Im öffentlichen Raum sollte jeder den 2 Meter Abstand einhalten können, vorbildliche Polizisten und Ordnungsbeamte sowieso, so es keinen trffitigen Grund dagegen gibt.
    Die Beine des Virus sind die Deppen, die das noch nicht kapiert oder umgesetzt haben.
    Also, Conti und Konsorten, rückt eure Masken raus. Meldet eure Bestände z.B. der Feuerwehr, natürlich gegen Entgelt oder Ersatz.
    Wer das nicht tut, der sollte genau so behandelt werden wie ehemalige Händler, welche kurz nach der Währung verschimmelte Ware entsorgten!
    Bleibts xund * – )

  • XYZ

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    Kommentar gelöscht. Eine falsche Behauptung wird durch Wiederholung nicht richtig.

  • Julian86

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    Die Nähe der CSU und ihren Altvorderen zu den Autoherstellern wie zu den Bauern erscheint “genetisch” veranlagt. Bei letzteren hat es über 28 Jahre gedauert, bis in diesen Tagen die nationale Umsetzung der Nitrat-Richtlinie (1991) auf den Weg gebracht wurde.

    So lange kann die Staatsregierung nicht zuwarten, soweit es um den Arbeitsschutz der im Gesundheitssektor Beschäftigten geht.

    Staatshaftung wegen Tötungsdelikte durch Unterlassen? Es ist die Stunde der Bürger, des bay. Wirtschaftsministers Aiwanger und natürlich des MP Söder, soweit die betroffenen “Auto-Firmen”, ihre Chefs wie Arbeitnehmer, nicht selbst endlich eigenverantwortlich handeln.

  • Lothgaßler

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    @XYZ:
    FFPx ist kein medizinischer Standard und auch FFP3 hat seine Grenzen. Kein Hersteller behauptet und garantiert, dass FFP3-Masken 100%ig vor Ansteckung durch Viren schützen! Dieses Produktversprechen gibt niemand ab, zudem dürften Anwendungsfehler entscheidend für Infektionen trotz Schutzmasken sein (https://www.lgl.bayern.de/downloads/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/doc/merkblatt_mns_atemschutz.pdf).

    Wo gibts Masken und Schutzausrüstung? Daneben existieren noch Masken für Reinsträume u.a. Anwendungen (Infinieon u.a.). Auch Lackierereien müssten brauchbare Masken vorrätig haben.

    Gestern sprach ein Virologe im öffentlich-rechtlichen TV mal Klartext, sichtlich genervt von der Nachfrage, ob die einfachen Schutzmasken helfen. Kurzgefasst: Das ist kein vordringliches Thema. Es ist nicht Ziel die “Durchseuchung” zu verhindern, sondern nur sie zu verlangsamen. Es gibt keinen anderen Weg, außer Impfung. Höherwertige Schutzmasken müssen dorthin, wo sie vorrangig gebraucht werden.
    => Wir manövrieren uns langsam in eine kollektive Angststörung. Mit der Forderung nach Maskenpflicht wird nur Hysterie geschürt. Die Politik muss so wie der Virologe Klartext sprechen: Der Weg aus diesem Lockdown führt nur über Immunisierung.
    => Sollen Unternehmen Masken abgeben: Ja, wenn es Sinn macht und koordiniert abläuft. Wobei ich befürchte, dass Pflegeeinrichtungen niedrig priorisiert werden. Die verordnete Strategie dort lautet offenkundig: Schotten dicht und auf das Beste hoffen. Die Produktion für Schutzausrüstung läuft ja an.

  • GSH

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    Der Betrieb, der im Januar die Notwendigkeit der Besorgung von Schutzmasekn erkannt hat, wird bestaft und soll aufhören zu arbeiten, damit die Schnarchnasen des Zentraleinkaufs für Klinikbedarfe weiterhin so schlecht arbeiten können? Logistik hat was mit Vorausdenken und Erkennen von Notwendigkeiten zu tun. Nicht reagieren auf aktuelle Situationen. Dann ist es zu spät.

    Und genau jetzt holen wir unsere linken Ansichten wieder aus der Schublade: Beschlagnahmen, Verstaatlichen, etc.

    Bitte nicht vergessen, dass es Bereiche in der Industrie gibt, die an der Zukunft arbeiten (Musterbau Elektromobilität). Auch diese Mitarbeiter sollen sich schützen können.

  • joey

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    @Stefan Aigner
    danke für die Info.
    Ich nehme meinen Text zurück.

  • XYZ

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    Das Problem ist m.E. dass Alten- und Pflegeheime ohne Schutzmassnahmen, wozu auch wirsamere Masken gehören, sich selbst oder dem absehbaren Tod überlassen werden, das Pflegepersonal darf mitbüssen, gibt ja dazu auch allerhand Zahlen. Memento mori . . .

  • XYZ

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    Die Kirchenglocken läuten jetzt hier von allen Seiten: gedenke der letzten Ausfahrt . . .

  • Julian86

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    @ GSH, Ihre treffliche Kritik an der versäumten Vorratshaltung u.a. der staatlichen Institutionen (NPP Teil II) was den Arbeitsschutz im Gesundheitssektor angeht kann nicht dazu führen, dass Tod und Krankheit hingenommen werden können. Das wissen Sie auch!

    Im Übrigen wird in der Post-CoV-2-Zeit die Frage nach der systemrelevanten Produktion sich von alleine stellen. Etwa lösen e-Autos das Verkehrsproblem nicht, um nur ein Beispiel zu nennen, die Umwelt- und Ressourcenproblematik wird nur verlagert. Aber das ist ein anderes Thema.

    XYZ möge mir den Hinweis auf
    https://www.duden.de/rechtschreibung/bueszen
    gestatten. Danke.

  • Hthik

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    @GSH 1. April 2020 um 11:03 | #

    “Der Betrieb, der im Januar die Notwendigkeit der Besorgung von Schutzmasekn erkannt hat, wird bestaft und soll aufhören zu arbeiten, damit die Schnarchnasen des Zentraleinkaufs für Klinikbedarfe weiterhin so schlecht arbeiten können?”

    Selbst eine Schnarchnase kann nicht mehr bevorraten als sie Mittel für Einkauf und Lagerkapazität hat. Da hätte ich schon gerne Beisiele dafür, wo hier angeblich schlecht gearbeitet wurde.

    “Logistik hat was mit Vorausdenken und Erkennen von Notwendigkeiten zu tun. Nicht reagieren auf aktuelle Situationen. Dann ist es zu spät.”

    Eine Notwendigkeit wäre dann aber Überkapazitäten bereit zu halten, die dann auch bezahlt werden müssen.

    “Und genau jetzt holen wir unsere linken Ansichten wieder aus der Schublade: Beschlagnahmen, Verstaatlichen, etc.”

    Beschlagnahme ist seit Neuestem links? Etwa die Beschlagnahme jüdischen Vermögens durch die Nazis?

  • GSH

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    Fakt ist, dass wir eine gestörte Sicherheitspolitik haben. Keine Logistik und keine Bevorratung für Krisenzeiten. Als Logistiker weiß ich, dass in den ersten Jahresmonaten ein erhöhtes Aufkommen der Grippe kommt. Also erhöhe ich meine Sicherheitsbestände, welche ich anschließend wieder abschmelzen kann. Und klar: Das kostet Geld. Das darf es aber auch.

  • Rudi Goeritz

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    Am Samstag bin ich in einer Stadt, in der selbst auf dem Wochenmarkt nun Maskenpflicht herrscht. Ich habe vor, mit einer Eulenaugen/Bankräuber-Sturmhaube zu arbeiten. Zur Entschärfung nehme ich noch die, mit dem Ovalen Augenausschnitt mit.
    Mal sehen, wie es ankommt.

  • R.G.

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    Herr Goeritz, haben Sie keinen Zugang zu einem Plexiglas Schutzschild, wie den Ärzten mittlerweile empfohlen wird, es mit einer Chirurgen Stoffmaske drunter zu tragen?
    Ein User schrieb, er habe in eine Folie links und rechts ein Loch gemacht, da die Brillenbügel durchgezogen, fertig war ein Schutzschild.

  • Gregor

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    Weiß jemand, ob man auch in Regensburg Maulkorbpflicht auf Gemüsemärkten im Freien hat? Denn ich wollte eigentlich meine Einkäufe dorthin verlagern, alles andere habe ich letzte Woche noch rechtzeitig besorgt.

  • Rudi Goeritz

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    @R.G. Habe ich alles!
    Die Ware ist komplett abgedeckt. Die Kunden können weder an die Ware ran, weder haben Sie (momentan) Sprechkonkakt unter 1, 5 Meter.
    Die sonstigen Kunden halten automatisch lieber gleich 3,5 Meter Sicherheitsabstand.

    Ich hoffe ja, eine Mitarbeiterin hat doch noch Zeit am kommenden Samstag, und ich kann mir diese Folgen unseres Regierungs-Mistes ersparen.
    (Jetzt habe ich keine Zeit mehr.)

    Liebe Grüße, Rudi Goeritz

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